Flugtaxi Ehang 216
© Kurier / Juerg Christandl

Science

Experten: Flugtaxis sind nur für Reiche und haben ein Lärmproblem

2050 soll es drei Millionen Flugtaxis weltweit geben. In Deutschland sind Flugtaxis seit kurzem Teil der offiziellen Klimastrategie der CDU. Bis „spätestens 2025“ sollen sie als Alternative zum Auto zum Einsatz kommen, heißt es in der Strategie der Partei. Doch wie klimafreundlich, sozial verträglich und ökonomisch sinnvoll sind Flugtaxis eigentlich? Die futurezone hat bei mehreren Experten nachgefragt.

Neues Verkehrsmittel für Reiche

„Ich sehe für Flugtaxis auf jeden Fall eine Bedeutung im Verkehrskonzept der Zukunft, weil die Mobilitätsbedürfnisse in überfüllten Städten mittelfristig und langfristig nicht lösbar sind und diese zur Lösung beitragen können“, sagt Professor Sebastian Kummer vom Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien. Als Massenverkehrsmittel sieht Kummer autonome Flugtaxis allerdings nicht.

Flugtaxis sind Verkehrsmittel für die Oberschicht und obere Mittelschicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Preis eine regelmäßige Benutzung für die breite Bevölkerungsschicht zulässt“, so der WU-Professor. Aus der sozialen Nachhaltigkeitsperspektive könne man daher darüber streiten, ob man damit nicht vor allem ein neues Verkehrsmittel für Reiche schaffe.

„In US-Metropolen ist es für Reiche gang und gäbe, sich mit Helikoptern zu bewegen. Da ist ein Flugtaxi, mit einem alternativen, elektrischen Antrieb sicherlich besser. Als Ablösung von privaten Helikoptern ist es die perfekte, nachhaltige Lösung.“

Aus ökonomischer Sicht gebe es für viele Städte keine Notwendigkeit, sagt Kummer. „Flugtaxis sind vor allem in überfüllten Metropolen sinnvoll oder in Städten mit weiten Wegen, die man auf eine andere Art nicht überbrücken kann. Dann können sie effizient sein und den Oberflächenverkehr entlasten“, sagt der Experte.

Flugtaxitest: Vom Winde verweht

Nur bei langen Strecken ökologisch

Aus ökologischer Sicht sei es eher bedenklich, noch ein Verkehrsmittel einzuführen, sofern dies nicht auf bestimmte Situationen beschränkt sei. Eine Studie der Universität Michigan, die in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass elektrische Flugtaxis auf Strecken unter 35 Kilometern sogar mehr Energie verbrauchen als Autos mit Verbrennungsmotoren. Auf einer Distanz von 100 Kilometer und mit voller Besetzung von vier Personen kämen elektrische Flugtaxis auf 35 Prozent weniger Energieverbrauch als Autos. Doch diese Distanz schaffen derzeit in der Entwicklung befindliche Geräte gar nicht.

„Die Sache ist zu komplex, als dass man das mit einem einfachem Modell ausrechnen kann“, meint Professor Franz Heitmeir, Leiter des Instituts für Thermische Turbomaschinen und Maschinendynamik an der TU Graz. „Wenn man Strom geschenkt bekommt und dieser aus regenerativen Quellen stammt, schaut es anders aus. Solange der Strom aus fossilen Brennstoffen stammt, ist es von der CO2-Bilanz nicht wirtschaftlich.“

Große Hürden: Sicherheit und Lärm

Zudem müsse man sich die Realität anschauen, so Heitmeir. Auch wenn die Flugtaxis pro Minute mehr Energie verbrauchen, könnten sie gewisse Hindernisse im Straßenverkehr, beispielsweise Staus, überwinden und schneller ans Ziel kommen. So wäre auch die Energiebilanz potenziell besser. Allerdings dürfe man die derzeit zwei größten Hürden nicht außer Acht lassen: Sicherheit und Lärm.

„Wenn nur ein paar Privilegierte fliegen, ist ein Betrieb sicher möglich. Aber ansonsten braucht man eine Flugsicherung und Redundanzen im Fluggerät. Anderenfalls müsste jedes Flugobjekt vorher auf Herz und Nieren gecheckt werden. Das wäre dann so, wie wenn man vor jeder Autofahrt eine TÜV-Prüfung machen würde“, sagt Heitmeir. Beim Auto könne man im Notfall immer auf den Pannenstreifen ausweichen, beim Flugtaxi sei es schwierig, wenn unter einem eine Häuserschlucht oder Menschenmassen seien. „Das sagt der gesunde Menschenverstand, dass dies schwierig wird.“

Flugtaxis seien zudem sehr laut, wenn sie starten und landen. „Das ist ein extrem unangenehmes Geräusch, unangenehmer als jeder Lkw“, sagt Heitmeir. Dem stimmt auch Michael Weigand, Professor an der TU Wien, zu. „Das Lärm-Thema wird derzeit völlig unterschätzt, aber Flugtaxis mit Rotoren erzeugen nun einmal ziemlichen Lärm“, sagt Weigand.

Nicht nachhaltiger als E-Autos

Auch wenn Flugtaxis gerade „im Trend“ liegen würden, dürfe man nicht unterschätzen, dass ein Großteil der Menschen derzeit Angst davor hat, etwas Unbemanntes zu besteigen. Ein weiterer, großer Teil habe zudem Flugangst. „Das sind Dinge, die man mitdenken muss.“ Die Hürden, die es noch zu regeln gebe, würden derzeit aufgrund des Hypes unterschätzt. Dazu zählt etwa auch, dass die Geräte bei jeder Wetterlage, also auch bei Hagel, Schnee, Eis und Gewittern, sicher funktionieren müssen.

In Österreich läuft derzeit eine Ausschreibung für ein Drohnengebiet, in dem auch Flugtaxis getestet werden sollen. Dieses Jahr präsentierte der oberösterreichische Luftfahrtzulieferer FACC mit dem Ehang 216 zudem ein autonomes Lufttaxi mit zwei Sitzen, das bis 2020 serienreif sein soll. Auch die Stadt Linz bekommt 2020 eine erste Teststrecke für Lufttaxis. Derzeit handelt es sich dabei noch um Forschungsprojekte.

„Technisch machbar sind Flugtaxis sicherlich. An ausgewählten Stellen kann ich mir das auch gut vorstellen, aber um diese als echtes Massenverkehrsmittel zu etablieren, wird es noch dauern“, meint Weigand. „Sie sind außerdem sicher nicht nachhaltiger als Autos, die elektrisch angetrieben werden“, erklärt Weigand.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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