Mit Laser und Highspeed-Kameras wirbelndem Mikroplastik auf der Spur
Ein Forschungsteam der TU Wien konnte mit einem Experiment bislang unbekannte physikalische Eigenschaften von millimeterkleinen Plastikteilchen im Meerwasser beschreiben. Diese Entdeckung soll dabei helfen, die Verbreitung von Kunststoffen im Meer besser zu verstehen.
Das ist ein immer größer werdendes Umweltproblem. Im Jahr 2050 soll laut einem Bericht des Weltwirtschaftsforums mehr Plastik als Fisch im Meer schwimmen, wenn nicht bald etwas dagegen unternommen wird.
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Ursachen für Plastik im Meer
Das Plastik kommt von überall: Es löst sich beim Waschen aus Sporthosen und schimmernden Kleidern und treibt dann durch Flüsse ins Meer. Schiffe laden Plastikmüll auf hoher See illegal ab. Außerdem leistet der Wind einen Beitrag, indem er Einkaufsackerln und PET-Flaschen aufs Meer hinausträgt.
Fakten
Mikroplastik
besteht je nach Definition aus Stücken, die bis zu wenige Millimeter groß sind.
Turbulente Strömung
Im Meer herrscht eine sogenannte „turbulente Strömung“, die nur schwer mathematisch beschreibbar ist, weil dabei viele Wirbel entstehen. Man kann sie sich wie einen Tintentropfen vorstellen, der ins Wasser fällt und sich unregelmäßig ausdehnt.
100 Millionen Tonnen
Plastikmüll sind bisher ins Meer gelangt, schätzt das Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Weniger als ein Prozent davon treiben an der Oberfläche. Heute findet man Plastikmüll überall im Meer. Der industriell meist aus Erdöl hergestellte Stoff ist selbst in Tiefseegräben nachweisbar.
„Es gibt eine Zone im Meer, wo so viel Plastik schwimmt, dass eine Plastik-Insel (Anmerkung: Der pazifische Müllstrudel) entstanden ist. Diese größeren Plastikteile werden dann durch Witterung, Sonnenstrahlung und weitere Einflüsse immer kleiner – bis irgendwann diese Mikroplastik-Teilchen entstehen“, erklärt Vlad Giurgiu von der TU Wien, ein Experte für Strömungsmechanik.
Meeresströmung kopiert
Diese Partikel sind so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum sehen kann. Zudem fließt das Wasser im Meer schnell und turbulent. Deshalb war es bisher schwierig zu sagen, wie sich Mikroplastik in den Weltmeeren verteilt.
Die Wiener Forscher haben die Meeresströmung in einem sogenannten Strömungskanal nachgestellt. Darin haben sie das Verhalten von Mikroplastik-Fasern mit einer Länge von bis zu 1,2 Millimetern beobachtet, weil man diese Form besonders häufig in aufgeschnittenen Meereslebewesen findet.
Der durchsichtige Strömungskanal ist 8,5 Meter lang. Darin wird Wasser mit einer hohen Geschwindigkeit herumgepumpt. So zirkulieren die Fasern dort ähnlich chaotisch, wie sie es in der Meeresströmung tun würden.
Highspeed-Kameras
6 Spezialkameras nahmen während des Experiments 2.000 Bilder pro Sekunde auf. Beleuchtet wurden die Partikel währenddessen von einem Laser. „So konnten wir genau sagen, was die Geschwindigkeit der Fasern ist und wie sie sich drehen“, erklärt Giurgiu. Mit ihrem Experiment konnten die Wiener Forscher nun erstmals die sogenannte Rotationsrate dieser länglichen Fasern bestimmen.
„Außerdem haben wir gesehen, dass die Fasern umso schneller rotieren, je näher sie die Wände des Tanks kommen“, erklärt Giurgiu. „Diese Erkenntnisse können nun anderen Forschern weiterhelfen, die damit neue mathematische Vorhersagemodelle entwickeln können. So könnten wir erfahren, wo sich diese Fasern in den Ozeanen bewegen“, erklärt Giurgiu.
Für eine ozeanische Müllabfuhr
„Nehmen wir an, es gebe ein Schiff, das Mikroplastik aus dem Meer filtern kann. Die Frage ist dann, wohin man dieses Schiff schicken soll. Dafür brauchen wir eine Prognose, in welchen Ozeanen und wo genau die höchste Konzentration von Mikroplastikfasern ist. So eine Vorhersage kann man mit mathematischen Gleichungen machen.“
Den Müll aus dem Meer fischen
Die Organisation The Ocean Cleanup ist seit 2013 regelmäßig mit Schiffen unterwegs, um größere Plastikteile aus dem Meer zu fischen. Wenn es um Mikroplastik geht, wird es aber richtig kompliziert.
Eine Idee ist der Einsatz von diversen Netzen, die das Mikroplastik aus dem Wasser filtern. Finnische Forschende haben ein Netz aus pflanzlicher Nanozellulose entwickelt, das extrem kleine Partikel mit einer Größe von 0,1 Mikrometer aus dem Wasser entfernen kann.
Einen "Plastik-Magneten" entwickelte Fionn Ferreira, ein junger Ire. Sein Magnet soll mit einer Mischung aus Öl und Rost 88 Prozent des in Wasserproben enthaltenen Mikroplastiks entfernen.
Amerikanische Forschungsteams haben ein Eiweißgel entwickelt, mit dem sie 99 Prozent des Mikroplastiks aus Meerwasser entfernen konnten.
Andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen schlagen vor, einen von einer bestimmten Quallenart produzierten Schleim in Filtern zu verwenden, die das Wasser reinigen.
Besonders kurios klingt die Idee von amerikanischen Forschern, die Tiere, wie Seegurken und kleinere Organismen, als „Biostaubsauger“ verwenden wollen, um das Meer vom Plastik zu befreien.
Um aus diesen Ideen praktische Lösungen zu machen, mit denen man das Problem in den Griff bekommen kann, bedarf es noch mehr Forschung und vor allem Geld. Oft fehlen Investoren für solche Projekte, da sie keinen kommerziellen Vorteil versprechen.
Er und sein Team haben nun mit ihrer Untersuchung einen entscheidenden physikalischen Baustein für diese Gleichungen gefunden, mit der Computerprogramme künftig viel präziser als bisher bestimmen können, wie und wo sich solche Mikroplastikpartikel über die Meeresströmung verteilen.
Im Supermarktfisch
Wie genau sich das Meeresplastik auf den Menschen auswirkt, ist noch immer nicht geklärt. Man weiß aber, dass es nicht nur die Gesundheit der Lebewesen und Ökosysteme im Meer beeinträchtigt, sondern es auch in unsere Nahrungskette gelangt.
Das Plastik konnte etwa im Muskelgewebe von Supermarktfisch nachgewiesen werden. Laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (ARGE) sind diese Mengen zwar gesundheitlich unbedenklich, es sind aber noch mehr Studien für eine bessere Beurteilung erforderlich.
Fest steht, dass das Plastik massive Auswirkungen auf die Meeresökosysteme hat. Forschungsergebnisse zeigen etwa, dass die Fischbestände wegen dem Plastik schrumpfen und die Fruchtbarkeit der Fische gestört wird.
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