Die 36-jährige Materialforscherin Michele Brugger-Hatzl suchte nach praktischen Anwendungsmöglichkeiten für ein neues Mikroskop namens „FusionScope“.
Forscherin macht Nanostrukturen sichtbar
„Ich bin eine Problemlöserin und Herausforderungen machen mir Spaß,“ erklärt die Forscherin Michele Brugger-Hatzl im Gespräch mit der KURIER-futurezone. Genau das motiviere sie jeden Tag wieder aufs Neue, Materialien im Labor im Nanomaßstab zu untersuchen. Außerdem freut sie sich darüber, dass ihre Forschungsarbeit am ZFE Zentrum für Elektronenmikroskopie zeitnah in praktische Anwendungen einfließt „und nicht irgendwo verstaubt“.
Für ihr wissenschaftliches Engagement erhielt die 36-jährige Materialforscherin am vergangenen Mittwoch den ACR Woman Award. Der Preis wird seit 2010 an Wissenschaftlerinnen aus dem Forschungsnetzwerk Austrian Cooperative Research (ACR) für besondere Leistungen im Bereich Naturwissenschaften und Technik verliehen. Er soll Frauen und junge Mädchen zu einem ähnlichen Karriereweg motivieren.
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Neues Mikroskop für 3D und Nano-Details
Die Auszeichnung erhielt Brugger-Hatzl für das Forschungsprojekt „Fusion“, das von Mai 2022 bis November 2024 lief und vom Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus unterstützt wurde.
Im Mittelpunkt stand ein neues Hightech-Mikroskop namens „FusionScope“. Brugger-Hatzl hatte die Aufgabe, nach Anwendungsmöglichkeiten für das Mikroskop in der Praxis zu suchen.
Der Scanner kombiniert 2 verschiedene Messtechniken auf neuartige Weise. Damit kann man noch genauere Material-Analysen durchführen und neuartige Erkenntnisse über untersuchte Materialien gewinnen.
Die Materialwissenschaftlerin Burgger-Hatzl schaut sich am Bildschirm Detailaufnahmen an.
© Tu Graz
„Man hat viel mehr Möglichkeiten, mit dem Gerät unterschiedlichste Proben zu untersuchen, wo man sonst einfach nicht hinkommen würde“, erklärt die Forscherin. Denn mit dem Messgerät erreiche man mehr Bereiche einer eingelegten Probe.
Sie untersuchte damit zum Beispiel Reibungs- und Verschleißprozesse in winzigen Mikromotoren. Mit dem Gerät kann man dank magnetischer Mechanismen auch funktionale Eigenschaften von Materialproben messen: „Damit könnte man zum Beispiel eine Festplatte anschauen und dann sehen, wo Informationen gespeichert sind“, sagt Brugger-Hatzl.
Wie Schallplattenspieler
So kommt bei FusionScope sogenannte Rasterkraftmikroskopie zum Einsatz: „Das funktioniert ähnlich wie ein Schallplattenspieler mit einer kleinen Nadel, die die Oberfläche scannt“, erklärt Brugger-Hatzl. Man erhält dann 3D-Aufnahmen von Oberflächen, etwa von Schrauben oder Maschinenteilen.
Während man die Rasterkraftmikroskopie bislang mit einem Lichtmikroskop kombinierte, um Detailinformationen zu einzelnen Bereichen in einem Objekt zu erhalten, arbeitet FusionScope stattdessen mit einem sogenannten Rasterelektronenmikroskop.
„Das scannt mit dem Elektronenstrahl die Oberfläche ab und man erhält sehr schnell eine große Bildübersicht“, meint Brugger-Hatzl. So könne man schnell zwischen verschiedenen Bereichsansichten wechseln und in Objekten wie Mikromotoren auch Strukturen im Nanometer-Bereich finden, die man genauer anschauen will. Lichtmikroskope haben im Vergleich eine viel geringere Auflösung und man kann keine Nanostrukturen damit sehen.
Fakten
Das Zentrum für Elektronenmikroskopie (ZFE ) in Graz ist ein großes Forschungszentrum, in dem mit modernsten Verfahren funktionelle Materialeigenschaften untersucht werden. Ein Schwerpunkt des Instituts sind Dienstleistungen im Bereich Forschung und Entwicklung. Die Einrichtung gehört zum Forschungsnetzwerk ACR.
Das Forschungsnetzwerk Austrian Cooperative Research (ACR) besteht aus 19 privaten Institutionen, die kleinere und mittlere Unternehmen bei Forschung und Innovation unterstützen.
1 Nanometer (nm) entspricht einem Milliardstel eines Meters. Ein Nanometer beträgt 0,000000001 Meter. Ein menschliches Haar ist etwa 40.000 bis 100.000 Nanometer dick. Wir bewegen uns hier also in einem Größenbereich, in dem einzelne Proteine, DNA-Teile oder Viren unter dem Mikroskop sichtbar werden.
Am Markt angekommen
Ihre Forschungsarbeit hat sich ausgezahlt: Mittlerweile ist das Messgerät am Markt und wird in der Industrie zum Untersuchen von Materialeigenschaften verwendet. Bei Brugger-Hatzl wird sich in den kommenden Monaten viel um den Abschluss ihrer Dissertation drehen, in die auch Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt einfließen.
Dass sie dieses Jahr den ACR Woman Award gewonnen hat, kann sie noch gar nicht realisieren: „Ganz ehrlich, ich finde es toll: Eigentlich stehe ich nicht gerne im Mittelpunkt, aber es ist trotzdem eine gute Möglichkeit, um interessante Menschen kennenzulernen und sich mit anderen zu verknüpfen“, meint Brugger-Hatzl.
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Frühes Interesse wirkt
Damit sich mehr Frauen für eine Karriere in der Technik entscheiden und dann so erfolgreich werden wie sie, brauche es gute Vorbilder: „Für viele Mädchen wären weibliche Rolemodels sicher überzeugender, wenn es darum geht, ob sie eine technische Karriere in Betracht ziehen“, sagt Brugger-Hatzl.
„Ich hatte das Glück, schon sehr früh jemanden zu haben, der mich ein klein wenig gepusht hat. Mir wurde nicht basierend auf meinem Geschlecht erklärt, dass ich etwas mit Sprachen oder etwas in diese Richtung machen soll. Das ist essenziell“, sagt sie.
Ein Physiklehrer in ihrer Familie habe früh ihr Interesse und eine Begabung für das Fach erkannt und sie dafür motiviert. Später war es für sie deshalb naheliegend, ein Physikstudium an der Technischen Universität Graz aufzunehmen.
*Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus.
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