AIT-Aufsichtsratschef Hannes Androsch meint, Österreich hätte in Sachen KI noch viel Aufholbedarf.

AIT-Aufsichtsratschef Hannes Androsch meint, Österreich hätte in Sachen KI noch viel Aufholbedarf.

© AIT/APA-Fotoservice/Schedl

Science

Forum Alpbach: Mit künstlicher Intelligenz gegen Krisen

Klimawandel, Coronakrise, Inflation, Krieg in der Ukraine: Das Europäische Forum Alpbach will Antworten auf die Krisen unserer Zeit finden – und zwar mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI). Als thematischer Auftakt wurde am Mittwoch das diesjährige Jahrbuch zum Thema „KI in der Praxis“ vorgestellt. 

„Angesichts der planetarischen Gefahren und Herausforderungen brauchen wir dringend entsprechende technologische Entwicklungen und Innovationen, um sie zu bewältigen“, sagt Hannes Androsch, Herausgeber des Jahrbuches und ehemaliger Aufsichtsratschef des AIT Austrian Institute of Technology, bei einem Pressegespräch in Wien.

Neben wissenschaftlichen Möglichkeiten, die die Technologie eröffne, habe KI auch eine „enorme geopolitische Bedeutung im Kampf um Vormachtstellungen“, hält Androsch fest. Die weltweite Wassernot, die Getreideknappheit sowie die Erderwärmung seien nur einige Beispiele aus einer Reihe von Krisen, bei denen KI Abhilfe schaffen könne.

Martin Kugler, Hannes Androsch und Wolfgang Knoll (v. l. n. r.) geben mit ihrem Buch einen Vorgeschmack auf die diesjährigen Technologiegespräche des Forum Alpbach.

Dystopische Vorhersagen sind übertrieben

„Künstliche Intelligenz ist schon längst kein Zukunftsthema mehr, sondern mitten in unserem Leben angekommen“, sagt Martin Kugler, AIT-Wissenschaftskommunikator und Journalist. Man müsse nur das Smartphone betrachten: Es gäbe bereits ein Dutzend Anwendungen, wie Predictive Typing oder biometrisches Entsperren per Fingerabdruck, die die meisten täglich nutzen.

KI ist allerdings nicht gleich KI, wie Kugler betont: „Wenn von KI die Rede ist, meint man damit meist maschinelle Lernverfahren. KI ist aber viel mehr.“ Beim Forum Alpbach wolle man sich konkreten Anwendungen, der sogenannten „Vertical AI“, widmen und nicht nur auf der Meta-Ebene diskutieren.

Vor wenigen Jahren sei in der Szene noch wenig Realismus vorhanden gewesen. Debatten seien von dystopischen Befürchtungen oder utopischen Erwartungen dominiert worden ohne viel Praxisbezug. „Manche haben gefürchtet, dass uns die KI wie in Goethes „Zauberlehrling“ über den Kopf wächst“, so Kugler, der für das Jahrbuch zahlreiche Interviews mit KI-Forscher*innen führte – darunter die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny, die Mobilitätsforscherin Katja Schechtner oder der Automatisierungsforscher Andreas Kugi. „Alle Expert*innen mit denen ich geredet habe, sagen, dass diese dystopischen Vorhersagen übertrieben sind“, so der Journalist.

„KI ist ein Werkzeug unter vielen“

Auch wenn KI den Menschen nicht überflügeln wird, berge sie laut den Experten dennoch Gefahren. Diese gelte es im Forum Alpbach aufzuzeigen. „KI ist ein Werkzeug unter vielen“, betont AIT-Kommunikator Kugler und meint, sie habe viele Beschränkungen.

Zum einen sei KI stark von der Qualität ihrer Trainingsdaten abhängig, mit denen sie gefüttert wird, und liefere nur Wahrscheinlichkeitsaussagen. Gerade bei Anwendungen, bei denen Sicherheit die Maxime ist, müsse KI mit Vorsicht eingesetzt werden. Hinzu komme, dass sie in vielen Anwendungsbereichen enorm energieintensiv sei und sich Datenschutzprobleme auftun könnten, da KI stets mit einer Datenflut arbeite.

Das Europäische Forum Alpbach beschäftigt sich dieses Jahr mit der Zukunft Europas.

Androsch: „Riesiger Aufholbedarf“ bei KI

„Es geht nicht mehr darum, ob uns KI weiterhelfen wird, sondern wie wir sie weiterentwickeln können“, hält AIT-Geschäftsführer Wolfgang Knoll fest. In vielen Bereichen habe KI großes Potenzial. Dass Österreich dieses Potenzial auch nutzen kann, bezweifelt Jahrbuch-Herausgeber Androsch allerdings: „Gegenüber anderen Ländern sind wir weit im Rückstand. Wir haben einen riesigen Nach- und Aufholbedarf."

Wenig nachvollziehbar sei, dass Österreich hier auf eine erst 2040 in Vollbetrieb gehende neue „Universität für Digitalisierung“ in Linz setze, während an der Universität Linz bereits das nötige Know-how für eine entsprechende Einrichtung vorhanden sei. Androsch will in Wien selbst eine einschlägige Ausbildungsstätte für KI und Digitalisierung einrichten. Hierzu bräuchte er ein Startkapital von rund 10 Millionen Euro.

Reine Vor-Ort-Veranstaltung

Das Forum Alpbach wird vom 21. August bis 2. September diese Denkansätze vertiefen - vor allem im Zuge der Technologiegespräche, die vom 25. bis 27. August stattfinden und vom AIT gemeinsam mit Ö1 veranstaltet werden. Anders als in den vergangenen Jahren ist das Event heuer als reine Vor-Ort-Veranstaltung in Alpbach organisiert. Neu ist auch die Aufteilung in 2 Wochen: Es wird bis zum 27. August eine „Conference Week“ mit Symposien, Workshops und Möglichkeiten für Networking geben. In der „Lab Week“, der 2. Woche, sollen die Teilnehmenden in Kleingruppen Schlüsselfragen in der Tiefe besprechen können.

Erwartet werden über 4.000 junge Menschen aus ganz Europa. Tickets und einen Überblick über das Programm gibt es online auf der Webseite des Europäischen Forum Alpbach.

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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