Anzugträger mit Smartphone am Ohr schaut skeptisch.

Mit "WirelessTap" lassen sich Telefongespräche abhören (Symbolbild).

© Pexels / Ketut Subiyanto

Science

Forscher “hören” Gespräche über Handy-Vibrationen aus der Ferne ab

Wer Musik schon mal so laut aufgedreht hat, dass die Bassboxen fast zu hüpfen anfangen, weiß, dass Schall mit bloßem Auge sichtbar sein kann. Auch ein Smartphone – ein viel kleinerer Resonanzkörper und üblicherweise weit leiser – gerät in Schwingung, wenn es Ton wiedergibt, z.B. bei einem Telefonat.

Ein Forscherteam der Penn State University (USA) hat das nun ausgenutzt, um Gespräche aus der Ferne zu abzuhören. Sie nutzten Millimeterwellenradar und maschinelles Lernen, um die Vibrationen eines Handys in geschriebenes Wort umzuwandeln. Details zu ihrem „WirelessTap“ genannten System haben sie kürzlich auf einer wissenschaftlichen Security-Konferenz präsentiert.

„WirelessTap“

„WirelessTap“ basiert auf einem handelsüblichen Millimeterwellenradar im Bereich von 77 bis 81 GHz, das die winzigen Schwingungen eines Smartphones aus bis zu 3 Metern Entfernung aufzeichnet. Derartige Sensoren kommen zum Beispiel auch in selbstfahrenden Autos oder Bewegungsmeldern zum Einsatz.

Die aufgezeichneten Vibrationen werden anschließend in eine Audiodatei umgewandelt. Weil es kaum ähnliche Audioaufnahmen auf Millimeterwellenbasis gibt, griffen die beiden Informatiker auf synthetische Datenerzeugung zurück. 

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Damit konnten sie ein Whisper-Sprachmodell von OpenAI traineren. „Wir können diese Modelle verwenden, aber sie sind eher auf saubere Sprache oder alltägliche Anwendungsfälle ausgerichtet, sodass wir sie anpassen müssen, damit sie Radar-Daten von geringer Qualität und mit vielen Störsignalen erkennen können“, sagt Informatik-Doktorand Suryoday Basak in einer Aussendung.

Öffentlichkeit vor möglichen Gefahren warnen

Die Wort-Genauigkeit nahm dabei allerdings mit steigender Entfernung drastisch ab. Befand sich das Millimeterwellenradar 50 Zentimeter entfernt vom abzuhörenden Smartphone, konnte „WirelessTap“ 59 Prozent des Gesagten korrekt erkennen. 

In 3 Metern Entfernung waren es nur noch 2 Prozent. Für einen unbemerkten Lauschangriff reicht „WirlessTap“ in seiner jetzigen Form deshalb wohl noch nicht aus. Außerdem könnte ein aufmerksamer Zuhörer aus nur 50 Zentimetern Entfernung vermutlich auch ohne technische Hilfsmittel den Kontext eines Telefongesprächs verstehen. 

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Den Studienautoren geht es jedoch darum, auf diese neue Art des Abhörens aufmerksam zu machen: „Indem wir verstehen, was möglich ist, können wir der Öffentlichkeit helfen, sich der potenziellen Risiken bewusst zu werden“, so Basak. Das System könne so sehr verkleinert werden, dass es in Alltagsgegenständen, z.B. einem Stift, versteckt werden könnte.

Kontext hilft

Die Genauigkeit der Transkription konnte durch kontextbasierte händische Korrekturen erhöht werden. Wenn Vorkenntnisse über das Telefongespräch gegeben sind, könnte man etwa bestimmte Wörter oder Phrasen anpassen, so die Forscher. 

Sie verglichen die Fähigkeiten ihres Systems mit Lippenlesen: „Ähnlich wie Lippenleser anhand begrenzter Informationen Gespräche interpretieren können, können wir anhand der Ergebnisse unseres Modells in Kombination mit Kontextinformationen Teile eines Telefongesprächs aus einigen Metern Entfernung erschließen.“

Die beiden Informatiker hatten 2022 schon eine erste Version ihres Abhörsystems vorgestellt. Damals funktionierte es jedoch nur bei größeren Lautsprechern oder mit begrenztem Vokabular.

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