© Uniklinikum Tübingen/Immanuel Reimold

Science

Magersucht: Virtual Reality-Brille verbessert Selbstwahrnehmung

"Fake it before you make it" - diese Phrase aus der Welt der Psychologie wird oft empfohlen, wenn es um Veränderungen im Leben geht. Das könnte auch zur Behandlung von Magersucht genutzt werden - und mit Hilfe von Virtual Reality. Damit könnte die Selbstwahrnehmung von Patient*innen mit Magersucht verbessert werden. Und die Angst vor dem Zunehmen.

In der Therapie von Magersucht ist die Gewichtszunahme das wichtigste Ziel. Doch dafür ist viel therapeutische Arbeit notwendig. "Es ist eine maximale Herausforderung", erklärt Psychotherapeutin Simone Behrens vom Uniklinikum Tübingen in einer Aussendung. Eine speziell entwickelte Virtual Reality-Brille könnte den Betroffenen aber helfen, sich ihren Ängsten zu stellen. Die ersten Studienergebnisse damit sind positiv verlaufen. Sie wurden bereits in der Fachzeitschrift "Psychotherapy and Psychosomatics" publiziert.

Früh einsetzbar

Die Brille kann bereits früh in die Behandlung integriert werden. In einer Therapie sollen Magersüchtige üblicherweise hilfreiche Strategien lernen, um wieder einen guten Umgang für ein gesundes Körpergewicht zu  entwickeln. Hier wird psychotherapeutisch mit Motivation gearbeitet. Das Problem: Gerade bei Magersüchtigen funktionieren klassische Motivationstechniken oft nicht so gut. 

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Daher sei die Therapie in der Umsetzung schwierig, erläutert Behrends, die das Virtual Reality-Projekt auch leitete. Die Betroffenen könnten sich gar nicht mehr vorstellen, als Normalgewichtige zu leben. Und dass ihr Alltag nicht mehr fast ausschließlich von  Essen oder ihrem Körper beherrscht wird. "Die meisten Patientinnen und Patienten sind exzellent darin geworden, eine Zunahme zu verhindern."

Erweiterte Realität

Hier könne die Brille eingesetzt werden. Sie erweitere die Realität und erweitere die Grenzen "klassischer" Körperarbeit, sagt Psychotherapieforscherin Karin Giel.  Im virtuellen Raum können sich die Patientinnen und Patienten jedes beliebige Körpergewicht anschauen - sowohl aus der Ich-Perspektive als auch in einer Art virtuellem Spiegel. Anhand der individuellen Reaktionen darauf kann die Auseinandersetzung mit einem gesunden Gewicht besser an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden.

An der klinischen Pilotstudie nahmen 24 Patientinnen mit Magersucht teil, die zu diesem Zeitpunkt gerade in stationärer oder ambulanter Behandlung an der Tübinger Uniklinik waren, Sie absolvierten jede vier 30-minütige Sitzungen, in denen sie den gesunden virtuellen Körper betrachteten. Dieser kann in Gewicht und Größe individuell abgestimmt werden.

Fast echte Proportionen

Das Besondere ist, dass die virtuellen Körper akkurate biometrische Proportionen haben. Das unterscheidet sie von anderen Menschen-Darstellungen, etwa in Computerspielen. "Diese sind oft unnatürlich, und man kann ihr Gewicht allenfalls erraten", erläutert Behrens.

Das digitale Körpermodell basiert auf tausenden Körperscans. Entwickelt wurde das Virtual Reality Tool von den Forschern der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Uniklinikum Tübingen und des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme. Für den Klinikeinsatz ist es ebenfalls praktikabel, da es sich um einen portablen Aufbau handelt, der auf ein bestehendes System aufgesetzt wird und in zehn Minuten einsetzbar ist.

Fazit: Hilfreich für Genesung

Auch therapeutisch gab es in der Studie zusammenfassend fast ausschließlich positive Rückmeldungen, berichtet Behrens. Auch wenn die Studienteilnehmerinnen sehr unterschiedlich reagierten, etwa mit hoher Anspannung, die dann aber rasch nachließ. Manche Teilnehmerinnen erlebten den Anblick des gesunden virtuellen Körpers gar nicht als unangenehm. Behrens Fazit: "Die Teilnehmerinnen erlebten die virtuelle Darstellung als sehr hilfreich für ihre persönliche Genesung."

 

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