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Science

Mobilfunk gefährdet die Gesundheit nicht

Schlafstörung, Zeugungsunfähigkeit, Krebs: Seit Jahren wird diskutiert, ob Mobilfunkstrahlung gesundheitsgefährdend sein könnte. Um das zu überprüfen, haben Forscher des interdisziplinär besetzten Wissenschaftlichen Beirat Funk (WBF) 130 internationale wissenschaftliche Studien zum Thema „Mobilfunk und Gesundheit“ aus dem Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 analysiert.

Das Fazit: Eine gesundheitliche Gefährdung des Menschen durch Mobilfunkstrahlung ist laut derzeitigem Forschungsstand ausgeschlossen.

Krebs und Zeugungsfähigkeit

Untersucht wurden Studien aus unterschiedlichen Feldern. Sie haben gezeigt, dass weder ein Zusammenhang einer elektromagnetischen Strahlung und Krebs besteht, noch weisen sie einen negativen Einfluss auf die Zeugungsfähigkeit von Männern nach. Auf letzteres wirkt sich laut dem WBF indes primär der Lebensstil aus.

Auch negative Auswirkungen auf kognitive Funktionen sowie auf die Befindlichkeit können dem derzeitigen Forschungsstand zufolge ausgeschlossen werden. Befindlichkeitsstörungen dürften hingegen dem sogenannten Nocebo-Effekt zugrunde liegen, sodass sie bei der bloßen Annahme von äußeren Ursachen ausgelöst werden können.

Genetische Veränderungen

Schließlich konnten auch keine gentoxische Auswirkungen, also genetische Veränderungen durch Mobilfunk, nachgewiesen werden. „In diesem Funkbereich ist die Strahlung zu schwach, um überhaupt das Genom verändern zu können. Erst bei sehr starker Strahlung könnten die einzelnen Quanten so stark werden, dass sie tatsächlich die DNA brechen und Störungen anrichten könnten“, sagt der Präventivmediziner Gerald Haidinger von der MedUni Wien und Vorsitzender des WBF der futurezone.

Aber auch dann seien im Zellkern Reparaturmechanismen im Einsatz. „Denn Störungen treten – aus anderen Gründen – laufend auf“, sagt er.

Mangelnde Schlafqualität

Die Schlafqualität kann durch die Handynutzung sehr wohl beeinträchtigt sein. Allerdings liegt das nicht an den elektromagnetischen Strahlen: „Ein Faktor ist der höhere Anteil von blauem Licht im Bildschirm. Auch die Sonne hat einen hohen Anteil davon. Unser Hirn glaubt, dass nach wie vor Sonnenlicht ins Auge kommt, sodass Körperfunktionen hochgefahren werden und man dann schwer schlafen kann. Es gibt aber höchstwahrscheinlich keine Einflüsse von elektromagnetischen Wellen“, sagt Haidinger.

In einer Studie etwa wurde die Schlafqualität bei elektromagnetischer Strahlung neben dem Kopf im Schlaflabor untersucht. Hier ergab sich kein Zusammenhang. „Die Schlafqualität hängt wahrscheinlich viel mehr von den Inhalten ab, die konsumiert werden. Vor allem bei Kindern. Wenn ein Kind ein aufregendes Spiel spielt, braucht es Zeit, um herunterzukommen. Daher sollte man darauf achten, dass sie zumindest eine halbe Stunde zwischen Bildschirm- und Schlafenszeit haben“, sagt er.

Angst vor 5G

Besonders aber das Thema 5G scheint bei einem gewissen Teil der Bevölkerung Ängste zu verursachen. Haidinger kann beruhigen: „Derzeit ist für 5G ein Frequenzbereich vorgesehen, der seit Jahrzehnten genutzt wird. Seit Jahrzehnten ist kein Einfluss davon auf die Gesundheit beobachtbar. Auch wenn es ein kleines Risiko gäbe, würden wir es detektieren, weil wir in dieser Zeit eine große Menge an Menschen beobachtet haben.“

Wenn 5G in Zukunft aber auch höhere Frequenzbereiche nutzen würde, dann würden dafür wissenschaftliche Untersuchungen fehlen. Solange es aber vom elektromagnetischen Spektrum her unterhalb der Wellenlänge des sichtbaren Lichts bleibt, sei die Strahlung so energiearm, dass – innerhalb der Grenzwerte – keine Schäden verursacht werden.

Skepsis bleibt

Und doch scheint die Skepsis gegenüber der Mobilfunkstrahlung seit Jahrzehnten nicht abzubrechen. Dafür gibt es einen Grund: „Funk ist etwas, wofür wir Menschen kein Sinnesorgan haben. Daher sind wir anfälliger für Gerüchte und Geschichten. Das ist wie bei der Dunkelheit, nur bringt man kleinen Kindern bei, keine Furcht davor zu haben und das lernen sie mit der Zeit. So ähnlich ist auch die Furcht vor Mobilfunkstrahlen entstanden, obwohl wir Funk seit über 100 Jahren verwenden“, sagt Haidinger.

Besonders zu Beginn der Mobilfunkzeit wurden die Menschen mit Argumenten wie „Da ist nichts, regt euch nicht auf“ von oben herab beschwichtigt. Das sei aber falsch: „Wenn die Menschen Angst haben, muss man darauf Rücksicht nehmen und versuchen, sie aufzuklären. Es hat sich in der gesamten Evolution gezeigt, dass Wissen Angst vermindert", so Haidinger. Wesentlich sei, die Menschen mehr zu schulen, mehr Informationen zugänglich zu machen und sie transparenter darzustellen. "Damit könnte man sehr viel erreichen."

Studienqualität defizitär

Generell war die Qualität der untersuchten Studien mangelhaft – gute Arbeiten würden laut Haidinger immer seltener. Sie  weisen in vielen Fällen eine kleine Studienpopulation auf oder es fehlen Studienprotokolle. „Auch werden oft Erhebungen statt Messungen durchgeführt, die Teilnehmer also nur befragt, statt dass beispielsweise ihre Handy-Zeit gemessen wurde", sagt er. Die mangelnde Studienqualität könnte ihm zufolge damit zusammenhängen, dass im Wissenschaftsbetrieb großer Druck herrscht, möglichst viel zu publizieren.

Zwar könne man epidemiologisch auch niemals nachweisen, dass etwas unschädlich ist – „aber man kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angeben, dass etwas schädlich sein könnte“, so der Experte.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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