
Symbolbild. Das Projekt SABINA der FH Campus Wien macht den Straßenbau nachhaltiger.
Ein Tool für nachhaltigere Straßen
In Österreich gibt es laut den jüngsten Zahlen von 2023 insgesamt 2265 Kilometer Autobahnen und Schnellstraßen. Der Betreiber ASFINAG investierte im selben Jahr 499 Millionen Euro in Neubauten und 717 Millionen Euro in die Erhaltung.
„Im Straßenbau blickt man derzeit nur teilweise in die Zukunft. Es gibt eine Richtlinie zur Wirtschaftlichkeit, aber keine Vorgaben für eine umfassende Ökobilanz des gesamten Lebenszyklus“, erklärt Alfred Weninger-Vycudil. Der Bauingenieur ist Leiter des Projekts SABINA an der FH Campus Wien, das diesen Umstand ändern soll.
Berechnungstool zur Nachhaltigkeit von Straßen
Im Rahmen von SABINA entsteht ein Online-Bilanzrechner, der die Nachhaltigkeit von Straßenbefestigungen, dem Straßenoberbau abbildet. Das heißt ökologische, ökonomische und soziale Aspekte werden für die gesamte Lebensdauer einer Straßenbefestigung berücksichtigt.
Damit sollen Entscheidungsträger wie die ASFINAG bei Neubau oder Sanierung von Straßen eine ganzheitlichere Einschätzung der Nachhaltigkeit bekommen und bessere – womöglich umweltfreundlichere – Entscheidungen treffen können.
Soziale Auswirkungen schwierig zu beziffern
Um die Wirtschaftlichkeit eines Straßenbauprojekts zu bestimmen, müsse man die Kosten summieren, die über den Lebenszyklus anfallen, was vergleichsweise simpel sei. Bei der Ökobilanz sei das ähnlich, man zählt dafür die CO2-Auswirkungen über die ganze Lebensdauer zusammen, erklärt Weninger-Vycudil. „Etwas komplizierter wird es bei der sozialen Bewertung. Wenn wir zum Beispiel am Bestand bauen, verursacht die Baustelle zusätzlichen Stau“.
Dieser zusätzliche Stau wirkt sich auf die Umwelt aus, zum Beispiel in Form von zusätzlich ausgestoßenem CO2 oder Lärm. Außerdem passieren im Baustellenbereich verstärkt Unfälle, was man in der Planung auch berücksichtigen sollte.
Weniger tanken dank ebener Straßen
„Was wir in unserem Bewertungsrahmen neu vorgeschlagen haben, sind die sozialen Auswirkungen des Zustands einer Straße“, fügt Weninger-Vycudil hinzu. Denn je ebener eine Autobahn zum Beispiel sei, desto weniger Rollwiderstand sei gegeben und desto weniger Kraftstoff oder Energie brauche ein Auto, das darüberfährt.
„Sie selbst werden nicht merken, dass Sie weniger Tanken müssen, aber hochgerechnet auf das ganze Straßennetz und über lange Perioden macht das viel aus!“, sagt der Forscher. Bei solchen Rechnungen müsse man allerdings vorsichtig vorgehen, denn wenn Autos plötzlich schneller fahren, steige der Kraftstoffverbrauch und der CO2-Ausstoß wieder.
Deutsch-österreichisch-schweizerische Zusammenarbeit
SABINA ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen FH Campus Wien, Technischer Universität Braunschweig (Deutschland) und der Firma Umtech AG aus der Schweiz. Dort gebe es schon Knowhow bezüglich Straßenoberbaukonstruktion bzw. Ökobilanzierung, das Team der FH Campus Wien könne viel bestehende Expertise zum Thema Lebenszyklus einer Straße einbringen, so der Projektleiter.
Bei der Anwendung des Berechnungstools in den 3 Ländern kommen dann die jeweils gültigen nationalen Vorgaben zum Tragen. „Aber das ist sowieso ein weltweites Thema, wir wollen es beim Weltstraßenkongress 2027 in Vancouver vorstellen“, sagt Weninger-Vycudil.
Ökologische Nachhaltigkeit: Langlebigkeit wichtig
Welche Faktoren machen eine Straßenkonstruktion nun ökologisch nachhaltiger, wenn man dem Modell von SABINA folgt? Vor allem Langlebigkeit, meint Weninger-Vycudil. „Aus der Sicht der Ökobilanz ist es sinnvoll, wenn eine Straße sozusagen leicht überdimensioniert ist und damit langlebiger wird.“ Zu stark überdimensionierte Straßen hätten allerdings den gegenteiligen Effekt, sie verbrauchen mehr Ressourcen und sind auch teurer.
„Die Langlebigkeit, die wir aus heutiger Sicht erreichen wollen, liegt zwischen 40 und 50 Jahren. Früher hat man Asphalt zum Beispiel nur für 20 Jahre dimensioniert“, so der Projektleiter. Langlebigkeit sei allerdings in Österreich schon länger ein Trend: Bei der Generalsanierung von Abschnitten der Westautobahn Ende der 1990er Jahre habe man sich für die teurere, langlebige Betonoption – damals 30 Jahre – entschieden. Das habe sich gelohnt, findet Weninger-Vycudil: „Der Umfang der Baustellen dort ist derzeit noch recht gering.“
Damit eine Straße aber tatsächlich 40 bis 50 Jahre hält, dürfe man ihre Erhaltung keinesfalls vernachlässigen: „Man darf nicht warten, bis irgendetwas ganz kaputt ist. Man muss zum richtigen Zeitpunkt Geld in die Hand nehmen“. Eine Asphaltdecke müsse man zum Beispiel in dieser Zeit ein- oder zwei-mal erneuern, bei Betonplatten sind alle 10 bis 15 Jahre die Fugen zu sanieren und auch einzelne kaputte Betonplatten müssen ausgetauscht werden.
Zwiespalt zwischen Wirtschaftlichkeit und Ökobilanz
„Wir sind gerade dabei Beispiele zu rechnen: Wir haben uns eine Asphalt- und eine Betonvariante auf einer stark belasteten Straße mit täglich 30.000 Fahrzeugen je Fahrtrichtung und 10 Prozent LKW-Verkehr angesehen“, erläutert Weninger-Vycudil. Dabei hat das Team auch miteinbezogen, wie weit die Asphalt- bzw. Betonmischanlage entfernt ist.
Die Berechnung über den gesamten Lebenszyklus ergab, dass die untersuchte Asphaltvariante aus ökologischer Sicht etwas besser sei, die untersuchte Betonvariante allerdings etwas billiger wäre. „Da haben wir einen Zwiespalt zwischen Ökologie und Wirtschaftlichkeit. Am Ende muss der Auftraggeber entscheiden“, so der Bauingenieur.
Projektabschluss im Oktober
Das genannte Beispiel hat Weninger-Vycudil mit seinem Team noch „händisch“ ausgerechnet. Als nächstes soll es zur Qualitätskontrolle mit dem Ergebnis des Bilanzrechners, der derzeit noch fertigprogrammiert wird, abgeglichen werden.
Zum Projektabschluss im Oktober wird das Tool dann gemeinsam mit einem Best-Practice-Katalog für verschiedene Bauweisen an die Auftraggeber übergeben. Von da an können ASFINAG, die Schweizer ASTRA und die deutsche BASt Nachhaltigkeitsbilanzierung einfacher in ihre Planung einbeziehen. Objektiv nachhaltigerem Straßenbau steht damit theoretisch und auch praktisch nichts mehr im Wege.
Dieser Artikel enstand im Rahmen einer Kooperation zwischen FH Campus Wien und der futurezone.
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