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Science

Wie Stockbilder die Wahrnehmung der Digitalisierung verzerren

Wenn es in Texten um die Digitalisierung geht, fällt Autorinnen und Autoren die Bebilderung oft schwer. Gerne zurückgegriffen wird deshalb auf Stockfotos. Das führt dazu, dass das Thema Digitalisierung oft mit sehr ähnlichen Bildern verknüpft wird. Das Forschungsprojekt DigiVis an der FH Campus Wien untersucht, was die gängigsten Motive sind, mit denen die Digitalisierung der Arbeitswelt gezeigt wird, und welche Wirkung sie auf Betrachterinnen und Betrachter haben.

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Spezifische Ästhetik von Stockbildern

"Stockbilder haben oft wiederkehrende Motive und eine spezifische Ästhetik, die eine verzerrte Wahrnehmung erzeugen kann", sagt Petra Bernhardt, die Leiterin des Projekts DigiVis. "Unser Fördergeber, die Arbeiterkammer Wien, ist sehr daran interessiert, wie die Digitalisierung von Arbeit und digitale Transformation dargestellt wird." Das Forschungsprojekt soll nicht nur eine Analyse des Status quo liefern, sondern auch Empfehlungen für zukünftige Darstellungen liefern.

DigiVis orientiert sich an Forschungsprojekten, bei denen die Visualisierung der Klimakrise und Künstlicher Intelligenz untersucht wurden. "Es gibt einen starken Fokus darauf, KI über menschenähnliche Roboter zu visualisieren. Das wirkt sehr futuristisch und macht es tendenziell schwierig, ein nuanciertes und realistisches Verständnis von KI herzustellen."

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Selbstverständlichkeit und Futurismus

Für DigiVis werden Bilder zur Digitalisierung der Arbeitswelt aus drei großen Bilddatenbanken analysiert. Wie sich gezeigt hat, gibt es dabei zwei Hauptströmungen, schildert Bernhardt: "Einerseits wird die Arbeit mit digitalen Endgeräten gezeigt, etwa Laptops, Smartphones oder Tablets. Menschen werden damit in ihrem Arbeitsumfeld gezeigt, etwa in einem Büro oder einer Werkshalle. Hier geht es um die Visualisierung der Selbstverständlichkeit digitaler Arbeit in unterschiedlichsten Bereichen und Branchen."

Die zweite große Gruppe an Bildern ist deutlich weniger realitätsnah. Hier dominieren futuristische Motive, wie die Interaktion mit humanoiden Robotern oder abstrakte Darstellungen digitaler Netzwerke. "Netzwerkgrafiken und Hologramme, die aus Bildschirmen herausragen, sind ästhetisch zwar beeindruckend, rücken jedoch die Realität von Arbeitsprozessen und greifbare Entwicklungsmöglichkeiten in den Hintergrund,“ erklärt Bernhardt. „Solche Darstellungen verweisen auf eine Zukunft, die möglicherweise nie Realität wird. Das kann falsche Erwartungen oder im schlimmsten Fall Ängste vor der digitalen Transformation schüren."

Hologramme in der Luft bilden die Realität von Arbeitsprozessen nicht realistisch ab

Dominante Farbe Blau

Auffällig sei laut Bernhardt die Dominanz der Farbe Blau. "Blau wird oft mit technologischem Fortschritt assoziiert und vermittelt das Gefühl von Klarheit, Zuverlässigkeit und Präzision." Diese Assoziation spiegelt sich in den Bildern wider, die die Digitalisierung oft als eine Art ‚saubere Arbeit‘ darstellen. Selbst in industriellen Umgebungen wirken die Menschen auf den Bildern niemals verschmutzt oder erschöpft.

Auch typisch für Stockbilder sei die gute Laune der abgebildeten Menschen. "Sie wirken, als sei ihre Arbeit der größte Spaß überhaupt.“ Ermüdungserscheinungen eines Arbeitstages oder Frustration sind selten. Bernhardt erinnert die Ästhetik an das "Women Laughing Alone with Salad"-Meme, bei dem Frauen in Stockfotos oft von einer Salatschüssel wunderbar unterhalten werden.

Keine große Diversität bei gezeigten Wirtschaftsbranchen

Bei der Analyse der Stockfotos zu Digitalisierung sei auch aufgefallen, das verschiedene Wirtschaftsbranchen unterschiedlich stark repräsentiert werden. "Büroarbeit, Architektur oder medizinische Forschung sind stark vertreten, während Sektoren wie Gastronomie, Tourismus, Bildung oder Landwirtschaft unterrepräsentiert sind“, erläutert Bernhardt. Besonders auffällig sei die geringe Präsenz von Bereichen wie Pflege oder Handel, obwohl diese stark von der Digitalisierung betroffen sind.

Bei den Menschen auf den Stockbildern werde sehr darauf geachtet, Diversität zu zeigen, nicht aber bei den dargestellten Wirtschaftssektoren. "Wenn bestimmte Bereiche nicht sichtbar sind, fällt es schwer, sich deren Digitalisierung vorzustellen. Sichtbarkeit spielt eine zentrale Rolle dabei, wie wir über ein Thema denken", betont Bernhardt.

Roboter, Schutzkleidung und kein bisschen Staub: Digitalisierung ist sauber

Menschen im Umgang mit Technologie zeigen

Bilder seien laut Bernhardt wichtig und sollten gut bedacht werden. "Bilder ziehen starke Aufmerksamkeit auf sich und sind der erste Fokuspunkt, noch vor dem Text." Menschen, die das Thema Digitalisierung in der Arbeitswelt vermitteln wollen, empfiehlt die Forscherin, Technologien nicht als menschenähnlich darzustellen, sondern eher Menschen im Umgang mit Technologien zu zeigen. Es sei auch nicht ratsam, Technologien zu zeigen, deren Umsetzung noch völlig ungewiss ist. Je konkreter der visuelle Fokus auf die Tätigkeit und das Arbeitsumfeld, desto verständlicher.

Derzeit arbeiten viele Unternehmen intensiv daran, KI-Anwendungen in ihre Arbeitsprozesse zu integrieren. In diesem Kontext spielen das Verständnis und die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Dabei stellt sich die Frage, wie KI visuell dargestellt wird und welche Aspekte des Arbeitslebens dadurch beeinflusst und möglicherweise verändert werden. Eine durchdachte und realistische Visualisierung kann dazu beitragen, die Akzeptanz zu fördern und ein besseres Verständnis für die Auswirkungen von KI in der Arbeitswelt zu schaffen.

Hilfe für Betriebsrat, Journalismus und PR

Weitere Empfehlungen für eine realistischere Darstellung werden in Gruppendiskussionen und Interviews erarbeitet, die im Rahmen von DigiVis mit Bildpraktikerinnen und Bildpraktikern geführt werden. Diese Ergebnisse sollen Betriebsräten helfen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit besseren Bildern über Digitalisierungsprozesse zu informieren. Weitere Zielgruppen sind Journalistinnen und Journalisten sowie PR-Abteilungen von Unternehmen.

 

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen FH Campus Wien und der futurezone entstanden.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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