
Zwei Studenten blicken gut gelaunt auf ein Tablet
Videospiel fördert den Erwerb ethischer Kompetenzen in der Pflege
Wer täglich mit pflegebedürftigen Menschen arbeitet, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Fragen konfrontiert, die nicht leicht zu lösen sind. Was macht man als Pflegerin oder Pfleger etwa, wenn die Patientin oder der Patient die Einnahme eines Medikaments ablehnt? Um zukünftige Fachkräfte auf solche Herausforderungen vorzubereiten, will die FH Campus Wien ein sogenanntes Serious Moral Game entwickeln.
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Ethische Skills sonst schwer trainierbar
"Wir wollen herausfinden, wie man moralisches Handeln mit einem Spiel fördern kann", sagt Leon Freudenthaler, der Leiter des Projekts EthiCare. Bestimmte Situationen, in denen man sich in einem ethischen Dilemma befindet, seien in der Pflegeausbildung schwer trainierbar, sagt Projektmitarbeiterin Elisabeth Kupka-Klepsch: "Wie andere praktische Fähigkeiten, z.B. Blut abnehmen, sollten auch ethische Skills im Rahmen der Ausbildung trainiert werden."
Eines der Fallbeispiele des Spiels könnte sein: Eine Pflegekraft bemerkt, dass eine Kollegin Pflegeleistungen dokumentiert, die sie nicht erbracht hat. Was macht sie nun? Sie könnte die Kollegin zur Rede stellen, einem Vorgesetzten den Verdacht melden oder die Angelegenheit einfach ignorieren. Im Spiel können all diese Möglichkeiten ausprobiert werden. Jede Entscheidung hat unterschiedliche Folgen.
"Wir versuchen, im Spiel Dilemmata auszulösen. Einerseits könnte es zu einem Vertrauensbruch mit der Kollegin kommen, andererseits könnte auch die Patientin oder der Patient gefährdet werden", sagt Freudenthaler. Das Spiel soll zur Reflexion anregen und dabei helfen, die eigenen Werte zu entdecken und das eigene Handeln zu hinterfragen.
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Es gibt keine eindeutig richtige Lösung
Während das beschriebene Problem eher in einer klinischen Umgebung auftritt, spielen sich andere in der Hauskrankenpflege ab. Dort stünden Pflegerinnen und Pfleger vor der Herausforderung, allein Entscheidungen treffen zu müssen, schildert Kupka-Klepsch. Hier stehen wiederum Herausforderungen mit den Angehörigen im Vordergrund. So kann es etwa zwischen der Pflegeperson, dem Betroffenen selbst und den Angehörigen unterschiedliche Auffassungen darüber geben, wie oft eine Patientin oder ein Patient umpositioniert werden muss. "Bei einem Dilemma gibt es keine eindeutig richtige Lösung."
Um Handlungsoptionen und mögliche Folgen im Spiel festzulegen, werden Ethik-Fachexpertinnen und -experten zu einem Workshop eingeladen. Auch Personen aus dem Gaming-Bereich werden in das Projekt eingebunden.
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Lernen durch Debriefing
Wichtig sei, dass Studierende Serious Moral Games im Zuge des Unterrichts bearbeiten und mit dabei auftretenden Fragen nicht allein gelassen werden, sagt Freudenthaler. Beim sogenannten Debriefing reflektieren und diskutieren Studierende ihre Erfahrungen und Erlebnisse im Zuge der Lehrveranstaltung. "Im Debriefing findet das eigentliche Lernen statt", sagt Kupka-Klepsch. Neben dem Einsatz des Spiels in der Lehrveranstaltung "Ethik und diversitätskompetente Gesundheits- und Krankenpflege” sind "EthiCircles” geplant, in denen sich Studierende der Departments Angewandte Pflegewissenschaft und Technik der FH Campus Wien interprofessionell zum Thema Ethik austauschen.
In erster Linie soll das Serious Moral Game künftig in Lehrveranstaltungen der FH Campus Wien eingesetzt werden. Es sei aber vorstellbar, dass auch andere Institutionen künftig das Serious Moral Game verwenden. Gefördert wird das Projekt EthiCare von der MA23 der Stadt Wien.
Dieser Artikel enstand im Rahmen einer Kooperation zwischen FH Campus Wien und der futurezone.
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