Magnete für Windräder aus Meteroiten-Mineral
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Smartphones, Kopfhörer oder Festplatten: In vielen elektronischen Geräten stecken Bauteile, die seltene Erden enthalten. Zu den begehrtesten dieser chemischen Elemente zählt das Metall Neodym. Dieses wird für extrem starke, sogenannte Permanentmagnete verwendet, die etwa für Elektromotoren oder Windturbinen eingesetzt werden.
Solche Metalle sind aber begrenzt und kommen in nur wenigen Ländern vor. Auf den weltweit größten Reserven sitzt China. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien und den steigenden Trend zu Elektroautos könnte die Nachfrage nach seltenen Erden und damit auch die Ressourcenabhängigkeit weiter ansteigen.
Meteoriten
Besonders problematisch ist die Umweltbelastung durch den Abbau der wertvollen Metalle. Um kleine Mengen zu gewinnen, muss mit sehr hohem Aufwand viel Erz abgebaut werden. Dabei werden enorme Mengen an Wasser und Energie verbraucht. Bei der Trennung vom Gestein entstehen giftige Abfallprodukte. Daneben werden radioaktive Substanzen freigesetzt.
Seltene Erden
Zu dieser Gruppe zählen die 17 chemischen Elemente Neodym, Lanthan, Cer, Terbium, Praseodym, Dysprosium, Erbium, Europium, Gadolinium, Holmium, Lutetium, Promethium, Samarium, Scandium, Thulium, Ytterbium und Yttrium
44 Millionen Tonnen Seltenerd-Oxide befinden sich laut einer Studie der US Geological Survey im chinesischen Boden. Halb so viel umfasst der zweitgrößte Vorrat in Vietnam
Supermagnet
9 von 10 Neodym-Permanentmagneten kommen aus China
Die heimischen Forscher Baran Sarac, Jürgen Eckert und Sergey Ketov von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), haben gemeinsam mit Kolleg*innen der Universität Cambridge und des Istituto Italiano di Tecnologia eine umweltschonende Alternative zu Neodym und anderen seltenen Erden erzeugt, die für Permanentmagnete verwendet werden. Es handelt sich um das Mineral Tetrataenit. Normalerweise kommt das Element nur in Meteoriten vor.
Die Idee, dieses herzustellen, entstand per Zufall im Zuge von Gießversuchen, wie Sarac im futurezone-Gespräch erzählt. In der Regel entsteht Tetrataenit, nachdem ein Gesteinsbrocken aus dem All auf der Erde eingeschlagen ist. Das enthaltene Gemisch aus Eisen und Nickel kühlt im Meteoriten über Millionen von Jahren extrem langsam ab. Die Atome der beiden Metalle erzeugen dabei eine spezielle Kristallstruktur – das Material erhält magnetische Eigenschaften.
Umweltbelastung senken
Diesen natürlichen Prozess haben die österreichischen Forscher mit einem simplen Verfahren um ein Vielfaches beschleunigt. Das ist gelungen, indem sie das Eisen-Nickel-Gemisch mit geringen Mengen an Phosphor und Kohlenstoff ergänzt haben. Diese beiden Elemente sorgen laut Sarac dafür, dass sich die Atome der zwei Metalle schneller bewegen und die Kristallstruktur binnen kürzester Zeit bilden. Konkret konnten die bis zu 3 Millimeter langen, gegossenen Metallstäbe in wenigen Millisekunden auskühlen.
„Wir glauben, dass wir diese entdeckte Struktur in kommerzielle Permanentmagnete frei von seltenen Erden umwandeln können“, sagt der Materialforscher. Nicht nur könne man sich so von der Ressourcenabhängigkeit lösen, sondern auch die Umwelt schonen.
Auf jedem Kontinent
Die magnetischen Eigenschaften des künstlich hergestellten Tetrataenits lassen jedenfalls darauf hoffen. Generell können mit heutigen Neodym-Magneten aktuell die höchsten Energieprodukte erzielt werden. Das Energieprodukt ist eine Größe, die als Maß für die magnetische Energie eines Magneten dient. Je größer die Energie, umso größer die Kräfte des Magneten. Tests haben gezeigt, dass das Tetrataenit aus dem Labor ähnliche magnetische Eigenschaften wie Neodym erreicht und die gleichen Funktionen erfüllen kann.
Nachteile gegenüber Neodym und anderen seltenen Erden gebe es keine, dafür aber einen großen Vorteil: „Eisen und Nickel kommen im Vergleich zu seltenen Erden überall auf der Welt vor“, sagt Sarac. Tetrataenit-Magnete könnten außerdem kostengünstig hergestellt und für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden. Neben Windturbinen und Elektromotoren könnten etwa Radar- und Satellitenkommunikationssyteme sowie elektrische Ortungssysteme von ihnen profitieren. „Auch kommen Permanentmagnete in der Zahnheilkunde oder Medizin zum Einsatz – etwa zur Überwachung und Behandlung von Tumoren“, sagt der Materialforscher.
Material optimieren
Die Technik wurde nun zum Patent angemeldet. In einem nächsten Schritt sollen die Eigenschaften des Materials noch weiter optimiert werden. „Dann wollen wir Tetrataenit in großem Maßstab produzieren“, sagt Sarac und ergänzt: „Derzeit sind wir in Gesprächen mit mehreren Start-ups und größeren Unternehmen weltweit.“
Wann der Supermagnet tatsächlich zum Einsatz kommen könnte, ließe sich laut dem Materialforscher nur schwierig prognostizieren. Dies hänge stark vom weiteren Fortschritt und vom Interesse der Unternehmen ab. „Wenn aber alles nach Plan läuft, könnte er in 5 bis 10 Jahren verfügbar sein“.
Elektrische Felder für schonenden Abbau
Der Abbau von seltenen Erden ist ein komplexer Vorgang. Die Metalle kommen in den Gesteinen nur als Spuren in Gemischen mit anderen Verbindungen vor und müssen erst vom Gestein getrennt werden. Zur Behandlung werden unter anderem umweltschädliche Säuren und Ammoniumsalze verwendet.
Insbesondere zur Gewinnung der schweren Seltenerd-Metalle wie Terbium oder Yttrium werden große Mengen Ammoniumsulfat in die Lehmschichten gepumpt. Damit können die Metall-Ionen von der Oberfläche getrennt und abgewaschen werden.
Für die Umwelt bedeutet das eine enorme Beeinträchtigung. Denn im Zuge des Abbaus werden großflächige Gebiete geschädigt und Erdböden übersäuert – für Pflanzen ist Ammonium in hoher Konzentration giftig.
Menge reduzieren
Nun haben Wissenschafter*innen des chinesischen Guangzhou Institute of Geochemistry eine neue Methode entwickelt, mit der die Mengen der Ammoniumsalze künftig deutlich verringert werden könnten. Konkret könnte die Unterstützung durch elektrische Spannung den Abbau umweltschonender machen.
Zwar braucht es die schädlichen Lösungen für die Gewinnung der Seltenerd-Metalle trotzdem – durch die Ergänzung von elektrischen Feldern könnte deren Menge allerdings signifikant reduziert werden.
Erfolgreicher Test
Im Labor haben die Forscher*innen eine Lehmschicht mit einer Feldstärke von 0,07 Volt pro Zentimeter versorgt. Dadurch konnten die Metall-Ionen einfacher freigesetzt werden. Die Menge am benötigten Lösungsmittel konnte dabei um rund 80 Prozent reduziert werden, heißt es in der Studie.
Bei geringen Mengen hat die Gewinnung der Metall-Ionen mit zusätzlicher elektrischer Spannung bereits gut funktioniert. In einem nächsten Schritt wollen die chinesischen Wissenschafter die Methode an bis zu 2.000 Tonnen Lehm anwenden.
Ist auch dieser Versuch erfolgreich, wollen die Forscher*innen danach ganze Erzminen mit den elektrischen Feldstärken versorgen. Dies könnte über vergrabene Elektroden vonstattengehen.
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