In Wiener Anlage entsteht aus Klärschlamm und Holz grüner Treibstoff
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Am Standort der Sondermüllverbrennungsanlage in Wien-Simmering ist dieser Tage eine neue Forschungsanlage in Betrieb genommen worden, bei der es um die Erzeugung von grünen Treibstoff geht. Die mehr als imposant wirkende Anlage mit einem Leistungsumfang von einem Megawatt ist in der Lage, synthetisches Erdöl zu produzieren und in weiteren Schritten Kerosin oder Diesel. Es ist weltweit die erste Anlage in dieser Dimension. Sie wirkt riesig und umfasst mehrere Stockwerke, in denen jeweils unterschiedliche Prozesse stattfinden, wie der Lokalaugenschein der futurezone gezeigt hat.
Im obersten Stockwerk beginnt es: Dort wird die Anlage mit Holzabfällen, Klärschlamm und Rückständen der Papierindustrie „gefüttert“ und am anderen Ende, sozusagen im Keller, kommt ein Synthesegasgemisch heraus, das in Folge weiterverarbeitet werden kann, wie Philipp Krobath, Projektleiter von Wien Energie, beim Rundgang erklärt.
Lokalaugenschein der Synthesegas-Forschungsanlage
Was damit gemacht werden kann
„Im ersten Schritt können wir hier synthetisches Erdöl erzeugen. Die OMV veredelt das zu Diesel oder Kerosin. Der grüne Diesel könnte im Schwerverkehr eingesetzt werden, das grüne Kerosin in der Luftfahrt, in der es derzeit sonst kaum CO2-freie Alternativen gibt“, sagt Krobath im Gespräch mit der futurezone. „Unser Ziel ist es, ein Barrel Rohöl pro Tag herzustellen“, erklärt der Projektleiter. Dazu müssen etwa 250 Kilo Holzabfälle pro Stunde in Gas umgewandelt werden.
Wie der Prozess technisch funktioniert
Zum Einsatz kommen bei der Anlage mehrere technologische Verfahren. Eines davon hat es schon im 2. Weltkrieg gegeben: die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese. Diese Technologie beruht auf zwei Reaktoren, die mit dem Ausgangs- bzw. Brennstoff gefüllt sind. Zuerst wird dieser Brennstoff unter Zugabe von Dampf hoch erhitzt und damit ein Synthesegas mit einem hohen Anteil an Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid erzeugt. Im Anschluss wird dieses Synthesegas in einem zweiten Reaktor zu umweltfreundlichen Dieseltreibstoff, Wasserstoff oder Erdgas weiterverarbeitet.
Dieser zweiteilige Prozess wird auch als „Zwei-Bett-Wirbelschicht“-Technologie bezeichnet und sie wurde von der Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH (BEST) in den vergangenen 15 Jahren gemeinsam mit der TU Wien massiv weiterentwickelt. Jetzt kommt das Verfahren erstmals bei einer Anlage im Industriemaßstab zum Einsatz. „Die Anlage ermöglicht uns ambitionierte angewandte Forschung in Kernbereichen der biobasierten Ökonomie“, erklärt Walter Haslinger, CEO von BEST bei der offiziellen Präsentation.
Das bedeutet, dass auch erforscht werden soll, ab wann sich die Synthesegaserzeugung überhaupt rechnen könnte. Der derzeitige Preis würde etwa beim Zwei- bis Dreifachen des jetzigen Dieselpreis liegen, heißt es. Die Gesamtkosten für das Forschungsprojekt belaufen sich auf 8,8 Millionen Euro.
Getestet wird mit Bussen der Wiener Linien
Anfang 2023 will man den aus der Anlage gewonnenen grünen Treibstoff erstmals bei den Bussen der Wiener Linien einsetzen, wie Krobath erzählt. Im Zuge dessen soll auch getestet werden, wie hoch der Anteil an Emissionen genau sein wird, je nachdem wie stark man das Synthesegemisch verändert. Insgesamt fallen aber deutlich weniger Partikelemissionen an als bei fossilem Diesel.
„Künftig könnte eine solche Anlage im Industriemaßstab bis zu 10 Millionen Liter grünen Treibstoff pro Jahr erzeugen und damit bis zu 30.000 Tonnen fossiles CO2 einsparen“, sagt Wien-Energie-Geschäftsführer Karl Gruber. Damit könnte man die gesamte Öffi-Busflotte Wiens klimaneutral betanken.
"Unser Ziel ist es, ein Barrel Rohöl pro Tag herzustellen."
Was noch so möglich ist mit der flexiblen Anlage
Doch die Anlage ist äußerst flexibel einsetzbar: Es fallen nicht nur deutlich geringere Partikelemissionen an als bei fossilem Diesel, sondern auch wertvolle Chemikalien, die in der chemischen Industrie benötigt werden. Wird die Anlage etwa mit Klärschlamm betrieben, lässt sich Phosphor zurückgewinnen, der für die Düngemittelherstellung essenziell ist. Bei dem Forschungsprojekt soll auch das in weiterer Folge getestet werden. Am Ende soll auch synthetisches Erdgas in das Erdgasnetz eingespeist werden. Bis daraus jedoch wirklich eine Industrie wird, könnten noch einmal 12 Jahre vergehen, heißt es.
Das Forschungsprojekt Waste2Value wird vom BEST geleitet und mit den Partner*innen Wien Energie, der SMS Group Process Technologies GmbH, den Österreichischen Bundesforste sowie der TU Wien und der Lulea University of Technology umgesetzt und von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit Wien Energie.
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