Technische Unis fordern Milliarden für Wasserstoff-Forschung
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Auf dem kleinsten chemischen Element liegen große Hoffnungen. Wasserstoff kann große Mengen Energie speichern, in verschiedene Formen transformieren und soll so zu einem wichtigen Bestandteil der Energiewende werden. Technologien rund um die Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Verwendung von Wasserstoff werden weltweit intensiv erforscht und Österreich zählt dabei zu den Vorreitern. Damit das so bleibt und das Land langfristig von der heimischen Expertise profitiert, fordern die 3 technischen Universitäten des Landes von der Politik massive Unterstützung.
Geldschub bis 2030
"Es ist wichtig, dass wir diesmal den Anschluss an die Weltspitze nicht verlieren", mahnt Harald Kainz, der Rektor der TU Graz und Präsident der "TU Austria". Der Verband vereint die TU Graz mit der TU Wien und der Montanuniversität Leoben. Der Hinweis "diesmal" in Kainz Aussage bezieht sich auf Batterietechnologien, bei denen Europa von Asien abgehängt wurde. Bei Wasserstoff könne es anders laufen, meint TU Austria, wenn nur genügend Geld fließt.
Konkret werden 2 Milliarden Euro gefordert, die in 2 Abschnitten bis 2030 an heimische Forschungseinrichtungen und Industrie fließen sollen, um ein funktionierendes Wasserstoff-Ökosystem aufzubauen. U.a. sollen mit dem Geld Industrieprozesse an Wasserstoff angepasst, Infrastruktur aufgebaut sowie die anwendungsorientierte und Grundlagenforschung gefördert werden. Da die Bundesregierung derzeit eine nationale Wasserstoffstrategie (Entwurf als PDF) erarbeitet, zählen die Unis auf den politischen Willen. Trotz der Corona-Krise sei es an der Zeit "nach vorne zu schauen" und den Wohlstand des Landes nachhaltig abzusichern.
Langfristige Gewinne
Potenzial zur Umsetzung der Vorhaben sei in Österreich jedenfalls vorhanden, ist TU Austria überzeugt. Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica soll dies belegen. Im Vergleich zu seiner Größe und Wirtschaftsleistung trägt Österreich überdurchschnittlich viel zur Wasserstoffforschung bei, lautet eines der Ergebnisse. Die Unis tragen einen großen Teil dazu bei und sorgen durch ihre internationale Vernetzung dafür, stets auf dem aktuellen Forschungsstand zu bleiben.
Werden 2 Milliarden Euro investiert, so rechnet Economica mit einer heimischen Wertschöpfung von 900 Millionen Euro bis 2030, sowie 1.250 gesicherten oder neuen Arbeitsplätzen. Aus ökonomischer Sicht mag dies wenig attraktiv wirken, TU Austria betont aber die Zeitverzögerung von 7 bis 8 Jahren, bis sich Forschungsergebnisse in wirtschaftliche Erfolge übersetzen lassen. Damit Österreich zur "Wasserstoffnation Nummer Eins" wird, sei es aber notwendig, so früh wie möglich in das Technologiefeld zu investieren.
Erfolgreiche Projekte
Dass das Land bereits eine gute Startposition aufweise, könne man an zahlreichen Projekten erkennen, die es bereits zu dem Thema gebe. Die TU Wien hat etwa gemeinsam mit der OMV ein Verfahren entwickelt, mit dem Wasserstoff kostengünstig im Erdgasleitungsnetz transportiert werden kann. Die Montanuni Leoben forscht an der Speicherung großer Wasserstoff-Mengen, etwa in unterirdischen Hohlräumen. Die TU Graz betreibt mit dem seit 2005 bestehenden "HyCentA" das einzige, rein auf Wasserstoff spezialisierte Forschungszentrum. Die Versuchseinrichtungen des Zentrums zählen zu den besten Europas und werden noch heuer erweitert.
Alternativen nicht in Sicht
Wasserstoff soll in Zukunft unter anderem deswegen so bedeutend für die Energiewende sein, weil man damit Strom speichern kann. Mit Strom aus erneuerbaren Quellen können Elektrolyseure betrieben werden, die Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Ein großer Vorteil: Der Prozess kann überall durchgeführt werden. "Fossile Brennstoffe werden dagegen überwiegend importiert", sagt Alexander Trattner, der Leiter des Forschungsinstituts HyCentA. Wasserstoff wird heute üblicherweise in speziellen Hochdrucktanks gelagert. Die seien erprobt und sicher, meint Trattner. In Brennstoffzellen kann der Wasserstoff dann wieder in Strom umgewandelt werden, wobei auch Wärme entsteht.
Saisonale Verlagerung
Diese Besonderheiten lassen Wasserstoff ideal erscheinen, um im Sommer erzeugte Stromüberschüsse zu speichern und im Winter zu verbrauchen (saisonale Energieverlagerung). "Derzeit nutzt man im Winter unter anderem Gaskraftwerke für den Ausgleich im Stromnetz. Für ein zukünftiges nachhaltiges Energiesystem braucht es aber Technologien, die gespeicherte Energie im großen Maßstab rückverstromen können", erklärt Wolfgang Hribernik, der Leiter des Center for Energy am Austrian Institute of Technology der futurezone.
Für die flexible Speicherung besonders großer Energiemengen haben Wasserstofftechnologien besonders gute Voraussetzungen. Allerdings bedarf es noch intensiver Forschung für den Einsatz im großtechnischen Maßstab als Speicher und für den wirtschaftlichen Betrieb im Energiesystem. Pumpspeicher und andere Technologien, etwa Druckluft oder Batterien, würden sich für die Speicherung besonders großer Energiemengen weniger gut eignen. Mit Wasserstofftechnologien könne man dagegen die Speicherung gut skalieren und die Stromerzeugung gut steuern.
Durch die Energiewende mit ihrer Abkehr von fossilen Quellen werden genau diese Qualitäten künftig gefragt sein. Strom ausschließlich aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, erfordere Umstellungen, die sich bis 2030 noch ohne Wasserstoff bewältigen ließen. Danach benötige man einen Energieträger, "der ziemlich sicher wasserstoffbasiert" sein wird, so Hribernik.
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