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Vertikales Laufband in Innsbruck simuliert Spaziergang am Mars

Das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) hat am Donnerstag die Stationierung eines "Vertikal-Laufbandes" (Vertical Treadmill Facility) in Innsbruck bekannt gegeben. Die damit in der Tiroler Landeshauptstadt entstandenen Forschungsmöglichkeiten seien "europaweit einzigartig", sagte ÖWF-Direktor Gernot Grömer vor Journalisten. Es handelte sich um die erste "Ground Based Facility" der Europäischen Weltraumagentur ESA in Österreich.

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Diese sei Teil einer Serie von quer über Europa verteilten Anlagen, erläuterte Grömer. In diesen könnten jeweils "bestimmte Aspekte eines Raumfluges" simuliert werden - in Innsbruck eben verschiedene Schwerkraftgrade bis hin zur beinahen Schwerelosigkeit. Nachdem es "Schwerkraft-Kammern" nur in Science-Fiction-Filmen gebe, sei das Vertikal-Laufband die "genaueste" bestehende Form der Simulation und würde sich darin von anderen Möglichkeiten - wie dem Parabel-Flug - unterscheiden. Dabei gehe es vor allem darum, die "physiologischen Abläufe" zu erforschen.

Von Köln nach Innsbruck

Man stelle sich etwa vor, dass "ein Astronaut in einem fragilen Raumanzug stolpert", erläuterte ESA-Ersatzastronautin Carmen Possnig ein Beispiel. Die Anlage ermögliche das Studieren der damit verbundenen Bewegungsmuster und generell wichtige "erdbasierte Forschung für die Zukunft". Immerhin sei die Anzahl der auf der Internationalen Raumstation (ISS) stationierten Astronauten klein und die Möglichkeit für Experimente und Forschung im tatsächlichen Weltraum dementsprechend beschränkt. Das Vertikal-Laufband war zuvor mehrere Jahre in Köln stationiert gewesen.

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In der Anlage wird ein Mensch in Horizontal-Position einerseits über Seile mit 5 Federn verbunden, die den Körper mechanisch in Position halten und die auf den jeweiligen Körper eingestellt sind. Zusätzlich wird der Mensch seitlich an ein wiederum vertikal aufgestelltes und mit einem Luftdruck-Kompressor samt intelligentem Steuerungssystem verbundenen Laufband gezogen. So kann der Grad der Schwerkraft simuliert und variiert werden. Demonstriert wurde die Anlage am Donnerstag vom Analog-Astronauten Joao Lousada.

Aufschwung für Österreichs Weltraumforschung

Eine "Mischung aus mehreren Faktoren" sei laut Grömer dafür verantwortlich, dass das Vertikal-Laufband nun in Tirol stehe. Jedenfalls seien dem "aufwendige Verhandlungen" vorausgegangen. Österreich sei in der Weltraumforschung ein "kleines Land mit wichtigen Beiträgen in bestimmten Bereichen". Die nun erfolgte Stationierung in Innsbruck werde dem Thema hierzulande indes mehr Schwung verleihen, hoffte der ÖWF-Direktor. In die Zukunft blickte Grömer entsprechend optimistisch. Nach der kurz zuvor erfolgten Bekanntgabe an die wissenschaftliche Gemeinschaft seien bereits nicht nur Glückwünsche, sondern auch Interessensbekundungen für Forschungsprojekte aus aller Welt eingetroffen.

Nachdem in Innsbruck mit der Anlage in Kooperation mit der Universität Innsbruck nun auch mit einem Motion-Capture-System (Bewegungs-Erfassungs-System) und einem Raumanzug-Simulator geforscht wird, sei für die Zukunft etwa auch der zusätzliche Einsatz von "Virtual Reality" zur Simulation von Einsätzen im Weltall denkbar. Die Anlage werde indes von der ESA geliehen - die auch für die Kosten aufgekommen war -, der laufende Betrieb aus dem Budget des ÖWF beglichen.

Auch Raumanzüge werden in Innsbruck getestet.

ESA-Lab in Wiener Neustadt

In zwei Wochen, am 12. September, werde indes in Wiener Neustadt unter Beisein von ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher ein ESA-Lab eröffnet, kündigte der ÖWF-Direktor an. Genauer gesagt werde ein Kompetenzzentrum zum Thema Ionentriebwerke "verstärkt". "Heuer ist ein gutes Jahr für Österreich im Weltraum", freute sich Grömer. Der Eröffnung des ESA-Labs seien jahrelange Bemühungen seitens des ÖWF vorausgegangen, man habe dafür "viel in die Waagschale geworfen".

Was die eigenen Chancen für einen Flug bzw. einen Aufenthalt im Weltraum betreffe, zeigte sich Possnig auf Nachfrage indes weiter "optimistisch". Letztlich sei dies aufgrund der damit verbundenen finanziellen Kosten jedoch eine politische Entscheidung. Sie betonte jedoch die positiven und "inspirierenden" Auswirkungen eines solchen Fluges für das jeweilige Land und nannte als Beispiel den schwedischen Kollegen Marcus Wandt. An den Universitäten dort würden nun die "Telefonie heiß laufen", weil sich Interessenten für diverse weltraumbezogene Studiengänge einschreiben wollten. "Ich bin auf jeden Fall 'ready to fly'", schmunzelte Possnig.

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Die 1988 in Klagenfurt geborene österreichische Medizinerin Possnig war Ende 2022 als Ersatzastronautin der europäischen Raumfahrtagentur ESA präsentiert worden. Die derzeitige Innsbrucker Doktoratsstudentin setzte sich in einem aufwendigen Auswahlverfahren unter insgesamt mehr als 22.500 Bewerberinnen und Bewerbern aus ganz Europa durch. Flöge sie ins Weltall, wäre sie die erste Frau aus Österreich im Weltraum. 1991 absolvierte mit Franz Viehböck der bisher einzige Österreicher einen All-Aufenthalt im Rahmen der damaligen "Austromir"-Mission.

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