Gefährlicher Weltraumschrott: Neue Charta mahnt zum Aufräumen im All
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Die meisten Menschen sehen nicht, was in den Erdumlaufbahnen geschieht. Dabei nutzen wir Informationen aus dem Weltall täglich.
Ein Blick auf das Smartphone zeigt, wie stark wir von den Satelliten abhängig sind. Apps wie Google Maps helfen bei der Orientierung, ohne Daten aus dem Weltall müssten wieder analoge Stadtpläne verwendet werden. Egal ob der Wetterbericht, der globale Handel oder Katastrophenhilfe – all das hängt von Satelliten ab.
Privatisierung der Raumfahrt
In den vergangenen Jahren hat der Verkehr im Weltraum stark zugenommen. Während früher nur staatliche Einrichtungen, wie die europäische Raumfahrtorganisation ESA oder ihr amerikanisches Pendant NASA, Satelliten betrieben haben, sind nun auch immer mehr private Firmen dort unterwegs – etwa SpaceX, das Raumfahrtunternehmen von Elon Musk. Insgesamt ist das eine positive Entwicklung, da mehr Satelliten auch mehr nützliche Informationen bereitstellen.
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Der Platz wird allerdings knapp. Neben den Satelliten gibt es in den Erdumlaufbahnen nämlich auch immer mehr Müll. Die Ursache dafür seien vor allem Fehler in der Vergangenheit, erklärt Tim Flohrer. Er leitet die ESA-Abteilung für Raumfahrtrückstände: „Wir haben in der Vergangenheit große Objekte zurückgelassen, in denen sich noch Energiequellen befinden, z. B. Treibstoff oder Batterien.“ Diese könnten auch nach Jahrzehnten noch aufbrechen und Probleme bereiten. Gleichzeitig gebe es wegen des stärkeren Verkehrsaufkommens im All mehr Gefahren – etwa für Kollisionen. „Deshalb müssen wir handeln“, sagt der ESA-Experte.
Charta für müllfreie Zukunft im Weltraum vorgestellt
Aus diesem Grund entwickelte die ESA zusammen mit anderen Organisationen die „Zero Debris“-Charta, die in der Vorwoche beim zweitägigen Weltraumgipfel in Sevilla, Spanien präsentiert wurde. „Da die Weltrauminfrastruktur zum Rückgrat unserer modernen Gesellschaft geworden ist, bedroht die Ausbreitung von Weltraummüll unsere Lebensweise. Jetzt ist es an der Zeit, als Gemeinschaft zu agieren, um unsere gemeinsamen Anstrengungen zu bündeln“, sagte ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher.
Im Extremfall könnte Weltraummüll einen Satelliten zerstören. Das dabei entstehende Trümmerfeld beschädigt wiederum weitere Satelliten, bis diese Kettenreaktion unaufhaltbar ist. Die Folgen: Massive Ausfälle in der Kommunikation, der Schiffsverkehr steht still, bis hin zu Blackouts, weil manche Schaltungen in Stromnetzen auf präzise Atomuhren der Satelliten angewiesen sind.
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Schon bald sollen möglichst viele Raumfahrtorganisationen die Charta unterzeichnen und sich an ihren Grundsätzen orientieren. Das ehrgeizige Ziel ist bis 2030 möglichst keine Rückstände mehr in den Erdumlaufbahnen (Orbits) zurückzulassen.
Hinter der Charta stecken jahrelange Planungen, an denen auch einige österreichische Organisationen maßgeblich beteiligt waren. Etwa das European Space Policy Institute, das Institut für Weltraumforschung und die Agentur für Luft- und Raumfahrt der FFG. Auch Unternehmen beteiligten sich daran, z. B. Space Analyses aus Wien. „Ich war bei der Formulierung der Charta und bei den europäischen Workshops dabei. Es war ein sehr intensiver Prozess“, erklärt Geschäftsführer Valentin Eder. Sein Unternehmen macht Datenanalysen zum Weltraumverkehr. Zu den Kunden zählen Satellitenbetreiber, die EU-Kommission und die ESA.
Was Privatpersonen zu einem nachhaltigeren Weltraum beitragen können
Die neue ESA-Charta könnte in Zukunft sogar Grundlage für Gesetze sein. Eine Verpflichtung zur Einhaltung gibt es derzeit für die Unterzeichner nicht. Am ehesten ist die Charta mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vergleichbar, erklärt Eder.
Auch Privatpersonen sollen etwas beitragen können. Die ESA entwickelt gemeinsam mit Universitäten und dem Weltwirtschaftsforum ein Nachhaltigkeitsrating für den Weltraum. „Bürger können so auch auf den Aspekt der Nachhaltigkeit im Weltraum schauen, ähnlich wie beim Kauf von Lebensmitteln“, erklärt Flohrer. Denn ohne eine nachhaltigere Bewirtschaftung unserer Orbits könnte sich auch das Leben auf der Erde stark verändern.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
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