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Wien will Daten von E-Scooter-Anbietern

Mobilitätsdaten sind Gold wert: E-Scooter- sowie Carsharing-Anbieter wissen etwa, wer von A nach B gefahren ist. Sie wissen aber auch, welche Orte in einer Stadt besonders häufig frequentiert werden, wo es die höchste Fluktuation gibt, wo der Verkehr stockt und was die beliebtesten Routen sind.

Diese Daten sind in privaten Händen und nun streckt die Stadt Wien die Hand nach ihnen aus: „Ohne Daten geht nichts“, sagt Walter Palmetshofer vom Think-Tank der Stadt Wien, Urban Innovation Vienna, im Gespräch mit der futurezone. „Gerade durch die Digitalisierung haben Städte einen Kontrollverlust. Wir fragen uns, wie wir damit umgehen sollen.“ So wissen Städte heutzutage relativ wenig, was sich auf den Straßen abspielt.

Infrastruktur gegen Daten

Erste Ideen dazu, um wieder mehr Kontrolle darüber zu gewinnen, wurden im Think-Tank bereits entwickelt: „Die physische Infrastruktur, also die Straßen, wurden von der Stadt Wien errichtet und daher ist es nur legitim, wenn wir auch darüber Bescheid wissen“, sagt Palmetshofer.

Die Stadt kann sich vorstellen, den einzelnen Scooter-Anbietern künftig auch vorzuschreiben, in welchem Gebiet er sich niederlassen dürfe, so der Experte. Gerade bei E-Scootern sei zu bemerken, dass alle die Wiener Innenstadt bedienen, aber die Außenbezirke außen vor bleiben. „Wir werden uns das als Stadt genau ansehen“, meint Palmetshofer. Neue Mobilitätsdienste machen vor allem als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr und vor allem dort Sinn, wo es keinen Bus mehr gibt, der jemanden nach Hause bringt. „Dort, wo der öffentliche Nahverkehr endet.“

Das ist allerdings nur eine von vielen Ideen, mit denen sich der Think-Tank der Stadt Wien derzeit beschäftigt. Zu den E-Scooter-Daten gebe es allerdings bereits „konkrete Gespräche“ über die Rahmenbedingungen, sagt Palmetshofer.

Anonymisiert

Mithilfe von derartigen Daten könnte man sich auf jeden Fall ganz genau ansehen, wer wo welches Verkehrsmittel benutzt. Die Stadt Wien sei dabei nicht daran interessiert, das Nutzerverhalten von einzelnen Personen auszuwerten, wird betont: Deshalb sollen die Daten vorab anonymisiert werden. Es soll also ausgeschlossen werden, dass über die Personen, die die Fahrzeuge in Verwendung haben, Rückschlüsse gezogen werden können. E-Scooter-Anbieter wissen aufgrund der Genauigkeit der Daten nämlich häufig sogar, wer wo arbeitet oder zu welcher Zeit zum Arzt geht. "Diese Daten brauchen wir nicht“, sagt Palmetsdorfer.

Die Stadt könnte damit etwa den Ausbau des öffentlichen Verkehrs besser planen, die Taktung von Intervallen oder herausfinden, wo noch zusätzliche Radwege gebraucht werden.

Bessere Zusammenarbeit

Zudem will die Stadt besser mit Mobilitätsanbietern kooperieren. „Wenn etwa ein Großevent rund um das Rathaus stattfindet an einem bestimmten Tag, müssen die E-Scooter-Anbieter dann die Zone zum Abstellen der E-Scooter in der App sperren“, erklärt der Tech-Experte. Das funktioniere etwa mittels „Geofencing“. Das bedeutet dass in der App eine unsichtbare, digitale Grenze errichtet wird und Nutzer des Geräts können dieses dann nicht abstellen, weil die App kein „Go“ dafür gibt.

Daten, die ebenfalls Aufschluss darüber geben, wie Menschen in Wien über den ganzen Tag verteilt unterwegs sind, sind die der Mobilfunker. Man könnte anonymisierte Daten aus Mobilfunk-Signalisierungsnetzen analysieren. Aus denen geht etwa hervor, wann Smartphones mit welchem Mobilfunkmasten Kontakt aufnehmen. „Wenn die Mobilfunkanbieter in Österreich ständig etwas von großer Digitalisierungshauptstadt dröhnen, wäre es naheliegend, diese Daten zur Verfügung zu stellen. Aber A1 und andere Provider sind derzeit schwer dazu zu motivieren“, sagt Palmetshofer.

Commuters navigate early morning traffic as they drive towards downtown in Los Angeles, California

Vorbild Los Angeles

Wenn die Stadt derartige Daten zur Verfügung hätte, könnte sie auch vorausschauender planen, und etwa den CO2-Verbrauch mit gezielten Maßnahmen herunterschrauben. „Im Herbst wird es für Mobilitätsanbieter neue Anforderung geben und wir schauen, mit wem wir als Stadt kooperieren können“, sagt Palmetshofer.

Als Vorbild dient übrigens die US-Stadt Los Angeles. „Los Angeles hat genauso ein Konzept ausgearbeitet, das besagt: Ihr verwendet unsere Straßen physisch, wir liefern die Rahmenbedingungen dafür.“

Verbundsystem mit anderen Städten

Die Stadt Wien denkt zudem darüber nach, wie man ein Verbundsystem mit anderen Städten schaffen kann, damit sich nicht jede Stadt von vorne mit derartigen Lösungen herumschlagen muss. „Seitens der Städte ist es enorm wichtig, dass man hier mit offenen Daten arbeitet und die allen zur Verfügung stellt“, sagt Palmetshofer. Derzeit habe die Stadt Wien mit acht Partnerstädten ein Verbundsystem in Entwicklung. „Damit kann man auch Skaleneffekte erreichen. Zwar gibt es sicherlich regionale Unterschiede, aber das Grundgerüst erarbeitet man gemeinsam im Verbund.“

Palmetshofer ist überzeugt davon, dass ein mehr an Daten für die Stadt diese noch planbarer und lebenswerter für die Bürger machen kann. „Wir wollen die Daten nicht gegen die Bürger einsetzen oder Privatsphäre verletzen, sondern das Gegenteil“, sagt der Technik-Experte.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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