Windräder im Windpark Parndorf

Windräder im Windpark Parndorf

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Science

Wie sehr Windräder die Gesundheit wirklich gefährden

Für den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger werden sie unbedingt gebraucht. Wenn Menschen aber mit hunderten Meter hohen, sich bewegenden Monumenten in ihrer Nachbarschaft konfrontiert werden, ist bei manchen die Skepsis groß. Gerüchte rund um negative Auswirkungen der Windräder auf die eigene Gesundheit machen schnell die Runde. Wir haben uns angesehen, was davon einem Faktencheck standhält.

Lärm

Wenn sich die Rotoren einer Windkraftanlage drehen, entsteht ein Geräusch. Manche Anrainer*innen haben die Sorge, dass sie durch das ständige Rauschen gesundheitlich beeinträchtigt werden. "Es gibt große epidemiologische Studien dazu, vor allem aus Dänemark. Dabei wurde kein gesundheitsgefährdender Effekt gefunden", erklärt Umweltmediziner Hanns Moshammer von der Medizinischen Universität Wien. "Was es gibt, sind Hinweise, dass Leute sich belästigt fühlen. Belästigung ist ein kognitiver Prozess." Störend sei für manche Menschen eine rhythmische Veränderung des Geräusches. Das wird durch das Vorbeiziehen der Rotorblätter an dem Turm verursacht, ist aber mehrere hundert Meter von dem Windrad entfernt nicht mehr wahrnehmbar.

Die Schallnormen für Windräder seien in Österreich sehr streng, erklärt Martin Jaksch-Fliegenschnee vom Verband IG Windkraft. "Bei der Planung werden Messungen bei den am nächsten gelegenen Wohnbauten durchgeführt. Dabei wird die leiseste Viertelstunde der Nacht als Referenzwert herangezogen. Diesen Wert darf das Windrad nur minimal überschreiten." In Österreich werden Windräder vergleichsweise weit von Wohnbauten aufgestellt, Beschwerden über Lärmbelästigung gibt es deshalb kaum.

Infraschall

Neben hörbaren Geräuschen gibt es die Sorge vor Schallwellen unterhalb der Wahrnehmungschwelle. Frequenzen unterhalb von 20 Hertz werden als Infraschall bezeichnet. Sie werden im Alltag von einer Vielzahl an Maschinen und Tätigkeiten erzeugt. Sind sie stark genug, also laut genug, können sie wahrgenommen werden und bei manchen Menschen zu Beeinträchtigungen führen, etwa Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit.

Bei Windrädern liegt der Wert weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Wie eine Studie der Medizin-Uni Charité in Berlin aufzeigt, erzeugen Dinge wie das Öffnen einer Tür, das Hüpfen auf einem Trampolin oder eine Autobahnfahrt im Autoinnenraum wesentlich stärkere Infraschallwellen.

"Die Infraschalldiskussion ist eine Pseudodiskussion", meint Moshammer. "Man kann es nicht wahrnehmen, es klingt gefährlich, das macht Angst." Zahlreiche Untersuchungen hätten gezeigt, dass durch den Infraschall von Windkraftanlagen keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten sind.

Infraschall-Messwerte von Tür, Autobahnfahrt, Trampolin, Windrad

Infraschall-Messwerte im Vergleich: Sinuswelle mit 114 dB, Türöffnung, Autobahnfahrt, Trampolin, Windrad

Schattenwurf

Fällt der Schatten eines Windrades bei niedrigem Sonnenstand auf einen Menschen, kommt es durch das Drehen des Rotors zu so genanntem Schlagschatten. "Das kann belästigend sein, vor allem, wenn ich mich konzentrieren muss", sagt Moshammer. Eine Untersuchung der Universität Kiel habe gezeigt, dass Schlagschatten Stress auslöst, etwa wenn man auf einem Bildschirm Aufgaben lösen muss.

Davon ausgehend wurde die Regel entworfen, dass ein Windrad maximal 30 Minuten am Tag einen Schatten auf nahe Siedlungen werfen darf. "Mit genügend Abstand verdeckt ein Rotorblatt aber nicht einmal mehr die ganze Sonne, außerdem gibt es am Abend viel Streulicht. Also auch hier gibt es kaum eine Beeinträchtigung", erklärt der Umweltmediziner.

Blinklichter

Bei Nacht wird bei Windrädern in Österreich eine Hinderniskennzeichnung aktiviert. Blinkende Lichter sollen Piloten warnen, sorgen aber am Boden auch für Ärger. "Wenn ich bei einem lauen Sommerabend auf der Terrasse entspannen will, dann sind farbige, blinkende Lichter auffallend und vielleicht störend", meint Umweltmediziner Hanns Moshammer. "Eigentlich wäre das technisch lösbar."

In Deutschland und den Niederlanden werden die Blinklichter nur aktiviert, wenn ein Flugzeug mit Transponder in der Nähe herumfliegt. "Das würden wir uns in Österreich auch wünschen", meint Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft. Seit eineinhalb Jahren laufen dazu Verhandlungen mit der Politik. "Die Blinklichter sind nur für kleinmotorige Flugzeuge da. Mit einem bedarfsorientierten System würden sie zu 95 bis 98 Prozent der Zeit nicht blinken."

Lichtverschmutzung

In Deutschland werden die Blinklichter nur aufgedreht, wenn ein Flugzeug in der Nähe ist

Herabfallende Teile

Auf Windrädern kann sich in manchen Regionen Eis bilden und die Gefahr, dass dieses herabfällt, besteht. Windräder weisen üblicherweise Eiserkennungssysteme auf, die die Windräder abschalten und Enteisungssysteme aktivieren oder Wartungstechniker alarmieren. "Hier gibt es sehr hohe Sicherheitsauflagen", meint Jaksch-Fliegenschnee. "Das Risiko, von einem Eisschlag getroffen zu werden, ist äußerst gering."

Pro Jahr und Windrad sind statistisch 7 tote Vögel zu beklagen, die haben aber bisher noch keinen Menschen getroffen. In ganz seltenen Fällen gebe es auch Materialdefekte und ganze Rotorblätter brechen von einem Windrad ab. "Das ist aber eine ganz außergewöhnliche Situation, von denen es in den vergangenen 30 Jahren nur eine Handvoll gab. Glücklicherweise ist niemand dabei zu Schaden gekommen."

Persönliches Empfinden

Der wahrscheinlich stärkste Faktor bei der gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Windräder, ist die persönliche Bewertung und Problembewältigung. "Ärger und Stress machen auf Dauer krank", sagt Moshammer. Bei Windkraftprojekten sei es ratsam, dass die lokale Bevölkerung in den gesamten Planungsprozess einbezogen werde. Betreiber sollten stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Bevölkerung haben.

"Man muss Betroffenen Aktionsmöglichkeiten in die Hand geben. Sie müssen wissen, an wen sie sich mit ihren Sorgen wenden können." Von Windrädern gingen keine signifikanten physikalischen oder chemischen Einwirkungen aus, "aber die Wahrnehmung ist wichtig. Das sind psychokognitive Vorgänge. Der Betreiber kann mitwirken, dass so eine Störung nicht zu einer pathologischen Entwicklung ausartet."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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