Eine Zentralheizung für den Bienenstock
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Im Bienenstock ist es geschäftig. Dort legen die Arbeiterinnen Futtervorräte für den Winter an, pflegen die Brut und bauen Waben. In ihrem Zuhause treiben aber schädliche Eindringlinge ihr Unwesen.
Die sogenannte Varroamilbe zählt zu den größten Feinden der Biene, welche unter anderem die Brut befällt und Viren verbreitet, an denen die Bienen sterben können. „In Europa gibt es rund 12 Millionen Bienenvölker. Bis zu 25 Prozent der Völker fallen dieser Milbe zum Opfer“, sagt der Techniker und Bienenkenner Robert Breinl vom steirischen Unternehmen Youbee.
Bisher werden die Parasiten primär mit chemischen Mitteln wie Ameisensäure bekämpft. „Das sind zwar organische Säuren, trotzdem sind es Gifte, mit denen Bienen behandelt werden“, sagt er. Bei dieser Methode nehmen Imker*innen automatisch in Kauf, dass nicht nur die Milbe, sondern auch ein gewisser Anteil an Bienen stirbt.
Breinl zufolge sei seit den frühen 80er-Jahren aber auch bekannt, dass es eine Temperaturspanne gibt, bei der die Varroamilben sterben, die Bienen aber nicht. Diese beträgt zwischen 39 und 42 Grad. „Bisher hat es kein System gegeben, mit dem diese Hyperthermie umgesetzt werden konnte. Genau da setzen wir an“, sagt er der futurezone.
Druck von Speziallack
Youbee hat ein vollautomatisches Heizsystem für Bienenstöcke entwickelt. Damit wird jede Brutwabe, wo sich auch die Varroa-Nachkommen ansiedeln, individuell auf die gewünschte Temperatur erwärmt. Das System besteht aus einer Heizschicht, worauf ein Speziallack mit sogenanntem positivem Temperaturkoeffizienten (PTC) aufgedruckt wird. Der Lack erwärmt sich bei Stromzufuhr und hat einen „PTC-Effekt“: Der Widerstand im Lack steigt mit zunehmender Temperatur stark an. „Der Lack erwärmt sich und bremst sich dann bei 41 oder 42 Grad selbstständig ein.“
Die Heizschicht wird mit Wachs überzogen. „Am Ende entsteht eine sogenannte Mittelwand, die von außen wie eine herkömmliche Wabe aussieht“. An dieser werden Trägerclips für die Stromübertragung angebracht.
Laut Hannes Scheiber, ebenfalls Techniker bei Youbee, bringe das System 2 Vorteile. Einerseits sterben mit dem Verfahren keine Bienen, andererseits fördere sie ihre Gesundheit sogar. Das begünstigt in weiterer Folge eine deutlich größere Honigernte. Außerdem entstehen im Bienenstock keine Wärme-Hotspots, denn Bereiche mit geringer thermischer Masse werden gleich stark aufgeheizt wie jene mit hoher, etwa Honig oder Brut.
Gearbeitet werde mit Niederspannung, sodass Imker*innen während der Behandlung ihre Kästen kontrollieren und etwa das Wohlergehen der Königin überwachen können. Der Strom kann aus unterschiedlichen Quellen bezogen werden. „Wenn ein Stromnetz in der Nähe ist, kann man das System über einen Transformator in Betrieb nehmen. Wenn keines vorhanden ist, können Batterien eingesetzt werden“, so Breinl. „Wir bieten aber auch die Variante mit Solardach an“.
Mindestens 4 Mal im Jahr
Ein Behandlungszyklus dauert 2 bis 3 Stunden, der Stromverbrauch beträgt dabei 50 Watt. „Pro Behandlungszyklus werden 80 bis 90 Prozent der in der Brut befindlichen Milben abgetötet“, so Breinl. Empfehlenswert sei die Behandlung mindestens 4 Mal im Jahr. „Das kann ein Imker aber je nach Befall selbst bestimmen“, so Breinl. Da eine Brutperiode 2 Wochen dauere und erst in der neuen Brut die nächste Milbe stecke, könne die Behandlung grundsätzlich alle 2 Wochen wiederholt werden.
An dem von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekt wurde mehrere Jahre geforscht – die Entwicklung des Systems wurde 2019 gestartet.
Imker*innen in ganz Europa können die Technologie seit Anfang 2022 nutzen. „Mehrere Tausend Systeme sind bereits im Einsatz“, sagt Scheiber. Eine einzelne Mittelwand ist ab 10 Euro erhältlich, ein System samt Schienen, Transformator und Kabeln ab 70 Euro.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Mit Tanz zu Blüten lenken
Der weltweite Bienenbestand schrumpft zunehmend. Grund dafür sind unter anderem der weitläufige Einsatz von Umweltgiften oder der fortschreitende Klimawandel. Um der schwindenden Insektenpopulation entgegenzuwirken, verfolgen Wissenschafter*innen der Universität Graz die Absicht, das Verhalten der Bienen mit Hilfe von Technologien zu verändern.
Im Fokus ihrer Arbeit stehen Honigbienen, welche aufgrund des zunehmenden Verlustes ihres Lebensraums sowie der Aussetzung an Pestiziden neuartige Erkrankungen aufweisen. Im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten Projekts „Hiveopolis“ wurden etwa mehrere Prototypen neuartiger Bienenstöcke gebaut. Integrierte Sensoren sollen dabei helfen, die Temperatur in den Waben zu regeln, um die Bedingungen für die Nachkommen zu optimieren.
Roboter tanzen
Die Bienenstöcke sollen mit digitalen Landkarten versorgt werden, die Informationen zu Pestiziden in der Nähe erhalten. Das Ziel der Forscher*innen ist, die Honigbienen dann in unbelastete Gebiete zu führen. Dazu sollen kleine, in Graz entwickelte Roboter zur Anwendung gebracht werden.
Diese kleinen Maschinen imitieren den vom Nobelpreisträger Karl von Frisch entschlüsselten Bienentanz und informieren so die Insekten über den richtigen Bestäubungsflug. Registrieren die Sensoren im Bienenstock einen bevorstehenden Wetterumschwung, können mit dem Tanz die Bienen vor dem Ausfliegen gewarnt werden.
Der smarte Bienenstock soll bis 2024 zu einem serienreifen Produkt werden.
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