© Getty Images/Capuski/iStockphoto

Start-ups

Kinder mit Autismus steuern Spielhelden mit dem Gehirn

Kinder mit Autismus weisen je nach Ausprägung spezielle Verhaltensweisen auf. Die äußern sich oft in gleich ablaufenden Bewegungen oder in sprachlichen Besonderheiten, etwa durch das Wiederholen von Worten.

Auch sind manchmal Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion feststellbar. Viele fundamentale Verhaltensweisen des Alltags müssen autistische Kinder erlernen. Dabei helfen in der Regel Verhaltenstherapien. Deren Wirksamkeit kann künftig aber noch gesteigert werden. Und zwar in ihrem vertrauten Zuhause.

Das Neurofeedbackspiel Brain Hero des Wiener Start-ups MyMind hilft Kindern mit Autismus, ihr Gehirn gezielt zu trainieren. Nicht nur lernen sie mit der Trainings-App ihre Konzentrations- und Entspannungsfähigkeit zu erhöhen, auch ihre Lernfähigkeit und soziale Interaktion soll sich dadurch verbessern.

Konzentration und Entspannung

Das Produkt besteht aus einem mobilen EEG-Gerät (Elektroenzephalografie), das mit dem Smartphone oder dem Tablet über Bluetooth verbunden ist, und der Trainings-App. Die Kinder steuern das Training mit ihrer Gehirnaktivität und dem Wechselspiel von Konzentration und Entspannung.

Das mobile EEG misst dabei den Stromlevel an der Oberfläche des Kopfes. „Die Stärke dieser Ströme ist ein Indiz dafür, ob man sich in einem gewissen Bereich im Gehirn anstrengt oder nicht – je nachdem, wo letztlich diese Schwankungen in der elektrischen Aktivität mittels einer Elektrode gemessen werden“, sagt Gründer Christof Götz gegenüber der futurezone.

Auf dem Bildschirm sieht das folgendermaßen aus: Ist das Gehirn konzentriert, fliegt der Brain Hero nach oben – ist es entspannt, fliegt die Spielfigur nach unten.

Götz vergleicht die Aufgabe mit Fahrradfahren: „Wenn man Fahrrad fährt, muss man nicht die ganze Zeit darüber nachdenken, wie man das Gleichgewicht hält. So ist es auch bei Neurofeedback. Wir haben einen visuellen Brain Hero, den man am Bildschirm sieht und mittels der Gehirnsignale steuern kann. Das Gehirn des Kindes weiß mit der Zeit, was zu tun ist, damit der kleine Held nach oben oder nach unten fliegt. Unser Ziel ist es, dass das Gehirn das unbewusst macht“, erklärt der Experte.

Angststörungen ausgleichen

Anhand eines vollständigen EEGs macht MyMind die Analyse der Unterschiede im Gehirn. Dabei würden letztlich die EEG-Werte mit denen neurotypischer Kinder, also Kinder ohne Autismus, aus einer bestehenden Datenbank abgeglichen. Auf Basis dieser Daten kann personalisiertes Neurofeedback entwickelt werden.

"Das macht man heute schon in Neurofeedbackpraxen – wir machen es für Zuhause. So ist es möglich, dass auch schwere und weniger mobile Fälle das Angebot nutzen können", sagt der Experte. Denn das Problem bei einer Praxis sei, dass es zeitlich und logistisch schwer möglich ist, 2-3 Mal die Woche hinzugehen, um einen richtigen Effekt zu erzielen. Mit dieser Methode können die Betroffenen ihr Training so oft wie möglich zuhause durchführen. 

"Wir nutzen die Daten auch zusammen mit den Symptomen, um mehr über Autismus zu verstehen. So kann auch Neurofeedback besser wirken", sagt Götz. Das EEG könnte in Zukunft außerdem als Diagnoseunterstützung dienen – "in diesem Fall sind dann KI-Algorithmen mit im Spiel."

Klinische Studie

Das Produkt wurde auf Basis bestehender Studien entwickelt. In einer eigenen Studie in Zusammenarbeit mit anderen akademischen Einrichtungen sollen bald zusätzliche klare und nachweisliche Wirkungseffekte durch das Training aufgezeigt werden, etwa, dass Angststörungen ausgeglichen werden können. Die Personalisierung des Trainings sei künftig ein weiteres Ziel. 

Für die klinische Studie werden bald Kinder mit einer Autismus-Diagnose im Alter zwischen 6 und 16 Jahren im Großraum Wien gesucht.

MyMind-Gründer Christof Götz

Unterstützt wird das Projekt durch eine Förderung der austria wirtschaftschaftsservice (aws). Aktuell durchläuft das Team die CE-Zertifizierung als Medizinprodukt - das Produkt könnte schätzungsweise im Spätsommer verfügbar sein. 

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und austria wirtschaftsservice (aws).

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

mehr lesen
Andreea Bensa-Cruz

Kommentare