Das große Geschäft mit mobilen Öko-Plumpsklos
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Was macht eine gute Toilette aus? Nikolaos Bogianzidis kann diese Frage beantworten. Mit dem von ihm mitgegründeten Start-up Öklo ist der Mittdreißiger in wenigen Jahren zum europäischen Marktführer bei mobilen Trockentoiletten aufgestiegen. "Hygiene und der Geruch spielt eine große Rolle. Auch, dass man sich nichts holt, wenn man wo anstößt, ist wichtig", sagt Bogianzidis. Vor allem aber müsse man sich wohlfühlen. Schließlich verbringe man umgerechnet auf die Lebenszeit sehr viel Zeit am Klo.
Mit seinen Öklos aus Holz, die weder Wasser noch Strom benötigen, will Bogianzidis diese Ansprüche erfüllen. 800 der rund 250 Kilogramm schweren Plumpsklos wurden bisher gebaut. Sie stehen auf Baustellen, auf öffentlichen Plätzen, sind bei Musikfestivals und anderen Events zu finden oder wurden an Privatpersonen verkauft.
Sie zu mieten, kostet samt Rund-um-Service an die 350 Euro pro Monat. Das ist zwar dreimal so viel wie das Ausleihen mobiler chemischer Toilettenkabinen aus Plastik ausmacht, hält aber Dutzende Kund*innen, darunter die größten Baufirmen des Landes, die Stadt Wien, die ÖBB und die Skiflug-WM in Kulm nicht davon ab, dennoch auf die umweltfreundlichen Aborte zu setzen.
"Weil die Qualität stimmt", sagt Bogianzidis. Die Benutzer*innen würden die mobilen Klos des Start-ups schätzen. "Sie stinken nicht und man kann sich die Hände waschen und auch desinfizieren." Auf Baustellen könnten die Toilettenhäuschen zudem in jedem Stockwerk aufgestellt werden, weil die Exkremente nicht abgesaugt, sondern vom Serviceteam des Start-ups in Fässern weggebracht werden.
Vom Reggae zur mobilen Toilette
Ins Geschäft mit mobilen Klos rutschte Bogianzidis eher zufällig. Mit seinem Soundsystem Shalamanda HiFi tourte der Reggae-Musiker, der hauptberuflich als Systemadministrator in einem Growshop tätig war, durch die Welt und veranstaltete auf der Burgruine Falkenstein mit dem Rise & Shine selbst ein Festival.
Toiletten seien dabei immer Thema gewesen, erzählt er. "Wir haben versucht, so nachhaltig wie möglich zu sein, zur Verpflegung wurden etwa nur Produkte aus der Region angeboten. Aber Plastikklos standen trotzdem herum. Wir wollten etwas anderes probieren."
Die Lösung waren Trockentoiletten, die er auf Festivals in Deutschland und Frankreich in fest verbauter Form zum ersten Mal sah. "Wir haben gesagt, das brauchen wir auch", erinnert sich Bogianzidis.
Einfaches Prinzip
Die Öklos sind nach einem einfachen Prinzip gebaut. Ein Gitter fängt die festeren Ausscheidungen ab und bedeckt sie mit Holzspänen. Der Urin rinnt nach unten ab, wo er separat gesammelt wird.
Die ersten 16 mobilen Toiletten bauten Bogianzidis und sein Team für das eigene Festival selbst. Mundpropaganda der Besucher*innen und Medienberichte führten dazu, dass sich bald auch die ersten Interessent*innen für die mobilen Aborte meldeten.
2017 wurde schließlich das Start-up gegründet. "Keiner von uns hatte davor irgendeine Ahnung von Wasserverschwendung und Fäkalienentsorgung", sagt der Gründer. Ein Auftritt bei der Start-up-Show 2 Minuten 2 Millionen und ein daraus hervorgegangenes Investment des Industriellen Hans Peter Haselsteiner brachten die Sache so richtig in Fluss.
Kein typisches Start-up
Als typisches Start-up sieht man sich dennoch nicht. Ziel sei nicht die Gewinnmaximierung, sagt Bogianzidis. Die mittlerweile 50 Beschäftigten werden laut dem Gründer weit über dem Branchenschnitt entlohnt. "Sie putzen Fäkalien, Blut und Erbrochenes weg. Das ist ein Knochenjob."
Den verbleibenden Gewinn steckt das junge Unternehmen, das neben dem Hauptsitz im niederösterreichischen Wolkersdorf mittlerweile auch Standorte in Graz und Wels unterhält, zum größten Teil in E-Autos, mit denen etwa in Wien die Servicefahrten durchgeführt werden, und in Forschung und Experimente.
Wiederverwertung
Die Hinterlassenschaften der Nutzer*innen will Bogianzidis nämlich nicht wie andere Anbieter über Kläranlagen entsorgen. Er will sie wiederverwerten. Als Holzbeton, Biogas, Heizpellets, Dünger oder Kompost. Sein Unternehmen forscht an tauglichen Möglichkeiten, die jährlich in den Plumpsklos anfallenden bis zu 600 Tonnen Fäkalien und Sägespäne der Kreislaufwirtschaft zuzuführen. Damit stößt er in Österreich aber auf regulatorische Hindernisse.
Bei Holzbeton, Biogas oder Dünger gebe es keine Probleme, sagt Bogianzidis. Struvit-Dünger werde auf ersten Testfeldern auch bereits aufgebracht. Zu Kompost darf er die menschlichen Exkremente aber nicht weiterverarbeiten. Denn das sieht die 2001 erstmals erlassene österreichische Kompostverordnung, die erlaubte Inhaltsstoffe penibel auflistet, nicht vor. Was da nicht draufstehe, dürfe auch nicht hinein, erklärt Bogianzidis.
Unterschiedliche Ansichten
Aus dem zuständigen Umwelt- und Klimaschutzministerium heißt es auf Anfrage der futurezone, dass menschliche Fäkalien aus hygienischen Aspekten in der Verordnung nicht enthalten seien. Stand der Technik sei die Entsorgung über die Kanalisation mit anschließender Abwasserreinigung.
Das Start-up hat die Verwertung menschlicher Exkremente im Kompost mehrfach wissenschaftlich prüfen lassen. Testweise mit menschlichen Fäkalien hergestellter Kompost hat sich dabei als unbedenklich erwiesen. Über die Website des Unternehmens kann ein 19-seitiges Dokument heruntergeladen werden, das "existierende Verfahrenstechniken zur Herstellung von Kompost und Dünger aus anthropogenen Ausscheidungen" detailliert ausführt. Für eine Zulassung der Fäkalien als Inhaltsstoff für Kompost hat das nicht gereicht. Auch in einer bevorstehenden Neufassung der Kompostverordnung werden menschliche Exkremente nicht enthalten sein.
Bogianzidis will die Verwertung der Fäkalien dennoch in Gang bringen und denkt darüber nach, den Geschäftszweig ins europäische Ausland zu verlagern, wo es laut dem Gründer keine Hindernisse gebe. Die Preise für das Mieten der mobilen Aborte könnten dann auf das Niveau der Plastikklo-Konkurrenz fallen, sagt er.
Expansion
Am Plan des Start-ups steht auch die internationale Expansion. Verkauft werden die mobilen Häusln heute schon weltweit. Aufträge von der Fußball-WM in Katar oder eine Teilnahme an der Expo in Dubai sagte man wegen drohender Überlastung sogar ab. Das Mietgeschäft will das Start-up mit einem Franchise-Modell ab 2024 zunächst auch in Deutschland etablieren.
Das nächste Jahr will das Start-up dazu nutzen, seine Position am heimischen Markt auszubauen und die Expansionspläne für das weitere organische Wachstum vorzubereiten. Durch die Corona-Pandemie, die das stark auf Veranstaltungen fußende Geschäft des jungen Unternehmens bremste, sei man in den vergangenen Jahren ohnedies permanent gefordert gewesen.
Toiletten auf Baustellen und Aufträge der öffentlichen Hand trugen dennoch zum Wachstum bei. Auch der Einsatz der Plumpsklos in Schrebergärten, Kellern oder Wohnwägen steuert bereits mehr als 10 Prozent zum Umsatz bei, der zuletzt 2,6 Millionen Euro pro Jahr betrug.
"Emotionales Ding"
Man mache die Öklos auch, um zu zeigen, dass Wiederverwertungsprozesse funktionieren, sagt Bogianzidis. Es gehe dabei nicht nur ums Produkt, sondern auch darum, wie man das Geschäft betreibe. Das sei durchaus auch ein "emotionales Ding", meint der Gründer: "Es ist schön zu sehen, dass wir wirklich etwas verändern können mit Scheiße."
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