Neue Ikea-App: "Nicht nur Ersatz für Katalog"
Nach 70 Jahren war im vergangenen Dezember Schluss. Der schwedische Möbelhändler Ikea verkündete das Aus für seinen legendären Katalog, der es in Spitzenzeiten auf eine weltweite Auflage von 200 Millionen Stück brachte und für viele mehr war, als nur ein Möbelprospekt. "Das Kundenverhalten hat sich geändert", sagt Claudio Winkler, der bei Ikea Österreich für digitale Projekte verantwortlich ist. "Digitale Kanäle werden wichtiger."
Seit Ende Februar ist Ikea mit einer neuen App (für Android und iOS) auf dem Markt. Damit können Kunden nach Möbeln suchen, Merklisten anlegen und teilen und Sofas, Betten und Sessel auch direkt in der App kaufen. Daneben gibt es ebenso wie früher im Katalog Lifestyle-Fotos, in denen das Mobilar im Wohnumfeld präsentiert wird.
Store App ausgemustert
Mit der App wird auch die Ikea Store App ersetzt, mit der Kunden in den Möbelhäusern des schwedischen Herstellers ihre Einkäufe in den Regalen ausfindig machen konnten.
Das Interesse an der neuen Anwendung ist groß. Eine Zeit lang führte die App die Download-Charts von Apple und Google in Österreich sogar an. Weltweit wurde die App, die in Ländern wie Frankreich, den Niederlanden und Spanien bereits davor gestartet war, schon mehr als 14 Millionen Mal heruntergeladen.
Ist die App der neue Ikea-Katalog? "Nicht nur", sagt Winkler. Sie sei ein weiterer Kanal, um mit dem Möbelhaus in Kontakt zu treten. Schon bisher hätten über 80 Prozent vor einem Besuch in der Filiale Möbel online angesehen. Nachdem sie dann im Einrichtungshaus "getestet" wurden, hätten Viele die Möbel auch wieder online bestellt und sich nach Hause liefern lassen. "Man fängt in einem Kanal an und macht in einem anderen weiter", sagt Winkler, der das im Branchenjargon "omnichannel" nennt: "Die Kombination aus on- und offline ist sehr wichtig."
Schub für Online-Handel
Durch die Corona-Pandemie hat der Online-Verkauf wie auch in anderen Branchen auch im Möbelhandel einen kräftigen Schub erfahren. Bei Ikea ging der Online-Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr um 45 Prozent nach oben. "Wir haben unsere ohnehin ambitionierten Ziele in der Pandemie um 50 bis 60 Prozent übertroffen", sagt Winkler. In den großen Stores in Österreich habe man während des dritten Lockdowns jeweils bis zu 1.000 Bestellungen pro Tag abgewickelt.
Ikea in Zahlen
35,2
Milliarden Euro setzte der schwedische Möbelriese weltweit im vergangenen Geschäftsjahr um.
45
Prozent betrug das Wachstum der Online-Umsätze
7
Einrichtungshäuser betreibt der Möbelhändler in Österreich, ein achtes eröffnet Ende August beim Wiener Westbahnhof
3.200
Mitarbeiter arbeiten hierzulande für Ikea
Wie werden wir in Zukunft Möbel kaufen? 3D-Darstellungen und die Virtual-Reality-Thematik seien sicher ein Thema. Der Möbelhändler bietet bereits seit 2017 auch die App Ikea Place an, die auf dem AR-Kit von Apple aufgebaut ist und mit der sich virtuelle Abbildungen von Sofas, Sesseln und Tischen in den eigenen vier Wänden platzieren lassen. Die App werde sehr gut angenommen, erzählt Winkler: "Wir werden sie weiterentwickeln."
Viel passiere aber auch im Hintergrund, sagt der Ikea-Manager. "Wir haben im vergangenen Jahr sehr viel in Backend-Systeme investiert, um die Liefermöglichkeiten zu verbessern." Seit vergangenen Sommer hat der Möbeldiskonter etwa sein "Click & Collect"-Service, bei dem Kunden online bestellte Ware abholen können auch auf Supermarktparkplätze ausgeweitet. Seit kurzem können Ikea-Kunden ihre Einkäufe auch von mehr als 40 Billa- und Merkur-Parkplätzen in ganz Österreich abholen.
Urbaner Einkauf
Der Markt habe sich aber auch schon vor der Pandemie verändert, sagt der Digitalchef von Ikea Österreich. Neben digitalen Kanälen werde aber auch das urbane Einkaufserlebnis wieder wichtiger: "Die Leute wollen nicht an den Stadtrand fahren, sondern im Zentrum einkaufen."
Mit einem City-Ikea, der heuer neben dem Wiener Westbahnhof eröffnet wird, will der schwedische Möbelhändler diesem Trend gerecht werden. Dort soll es laut Winkler auch "digital" einiges geben. Auf das Einkaufserlebnis im Einrichtungshaus würden viele aber nicht verzichten wollen, sagt Winkler: "Online kann man keine Fleischbällchen essen."