Qualcomm gegen Arm: Streit der Chip-Giganten lässt Tech-Branche zittern
Im hawaiianischen Maui stellte der Chiphersteller Qualcomm Anfang der Woche seine neuesten Entwicklungen vor. Schnellere, bessere Prozessoren mit jeder Menge Künstlicher Intelligenz versprach man dort. Die ersten Geräte damit stehen bereits in den Startlöchern.
Doch im tropischen Paradies zogen dunkle Wolken auf und diese waren rechtlicher Natur. Das britische Unternehmen Arm, das mittlerweile der japanischen SoftBank gehört, kündigte Qualcomm am Mittwoch nämlich einen Lizenzentzug an. Die Lizenz erlaubt es dem US-Unternehmen, Arms' Chiparchitektur für ihre neuesten Produkte zu verwenden. Für einen der größten Chiphersteller im Smartphone-Bereich wäre das ein Todesstoß.
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Es geht ums Geld
Das US-Unternehmen teilt sich den Markt mit Smartphone-Prozessoren hauptsächlich mit seinen Konkurrenten Apple und dem taiwanesischen Mediatek auf. Mit seinen Snapdragon-Chips ist es vor allem im Premiumsegment erfolgreich. Sowohl Qualcomm als auch Apple und Mediatek nutzen das Chipdesign des britischen IT-Unternehmens Arm und müssen dafür Lizenzkosten zahlen.
Die Arm-Architektur kommt eigentlich in allen mobilen Geräten zum Einsatz - von Smartphones über Tablets bis hin zu Wearables wie Smartwatches. Sie gilt als besonders energieeffizient, kann kleiner gebaut werden und punktet auch durch niedrigere Kosten.
Die Vorteile des Chipdesigns sind mittlerweile so groß, dass es auch in Laptops und Computern vorkommt. So setzt Apple zum Beispiel bei seinen hauseigenen Chips für MacBook, Mac Mini und iMac ebenso auf die Arm-Architektur. Auch Qualcomm stößt in den Laptop-Markt vor, indem es Chips für Microsofts neue Copilot+ PCs liefert, die als KI-Laptops angepriesen werden.
Arm spricht Ultimatum aus
Und genau hier sieht Arm seine Lizenzvereinbarungen durch Qualcomm gebrochen. Denn der Chipgigant dürfte laut den Briten nur Chips für mobile Geräte produzieren. Qualcomm ist entsprechend anderer Meinung. Das Unternehmen kaufte bereits 2021 das Chip-Start-up Nuvia, das damals über eine günstige Lizenz verfügte, um Arm-Chips für Server zu entwickeln. Mit dem Kauf des Start-ups sei auch dessen Lizenz an Qualcomm übergegangen, so das Unternehmen.
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Seit 2022 stehen Qualcomm und Arm daher in einem Rechtsstreit, bis die Briten nun die Reißleine zogen. Wie Bloomberg berichtet, hat Qualcomm bis kurz vor Weihnachten Zeit, sich mit Arm zu einigen, oder sie müssen ohne die Arm-Technologie auskommen. Dadurch könnte Qualcomm gezwungen werden, den Verkauf seiner neuesten Produkte einzustellen - darunter nicht nur Chips für Laptops, sondern auch für Smartphones, die auf der Nuvia-Technologie aufbauen.
Derzeit betrifft das nur Qualcomms neuesten Super-Chip, den Snapdragon 8 Elite. Dieser soll sogar das iPhone 16 Pro in bestimmten Benchmarktests übertreffen. Damit steht ein beträchtlicher Teil des Jahresumsatzes von 39 Milliarden Dollar auf dem Spiel, den Qualcomm fast ausschließlich mit Chips auf Arm-Basis umsetzt.
Arm könnte sich mit dem Lizenzentzug ins eigene Fleisch schneiden, machen die Einnahmen durch Qualcomm doch 10 Prozent ihres Umsatzes aus. Die Strategie ist klar: Das Unternehmen möchte am Kuchen mitnaschen, an dem sich Qualcomm dank der Chip-Produktion für Microsofts KI-Laptops den Bauch vollschlägt.
Der nächste Gerichtstermin ist für den 16. Dezember angesetzt und soll klären, ob Qualcomm die Nuvia-Technologie nutzen darf oder nicht. Arm zeigt sich siegessicher. Bei Qualcomm gibt man sich indes kampfeslustig und spricht von einem “verzweifelten Manöver” und “weiteren unbegründeten Drohungen, um einen langjährigen Partner unter Druck zu setzen”.
Mehrere Szenarien
Für Qualcomm tun sich bis Ende des Jahres mehrere Szenarien auf. Erstens: Es verliert den Rechtsstreit gegen Arm und die Arm-Lizenz wird entzogen - eine eher unwahrscheinliche Variante. Zweitens: Es gibt eine außergerichtliche Einigung zwischen den Unternehmen - die wahrscheinlichste Variante. Das bedeutet allerdings auch, dass Qualcomm mehr Geld an Arm zahlen muss, um die Chiparchitektur weiterhin verwenden zu dürfen.
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Drittens: Qualcomm lässt es darauf ankommen und gewinnt vor Gericht - auch das gilt eher als unwahrscheinlich. Das Unternehmen konnte allerdings bereits einige Lizenzstreitereien für sich entscheiden, unter anderem gegen Samsung und Apple. Vor Gericht war Qualcomm 2020 sogar gegen die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde der USA erfolgreich, die dem Unternehmen selbst “ausbeuterische Lizensierungspraktiken” vorwarf.
Chance für quelloffene Prozessor-Architektur
Sollte ein Lizenzentzug erfolgen, hätte das weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Tech-Branche. Qualcomm müsste die Vereinbarungen wieder neu aushandeln, was Verzögerungen bei neuen Produkten bedeuten würde. Davon profitiert die Konkurrenz, die durch den fehlenden Mitbewerber mehr Aufträge lukrieren und Preise erhöhen könnte. Gleichzeitig schwingt aber auch immer die Angst mit, zu sehr von Arm abhängig und dem Unternehmen quasi ausgeliefert zu sein.
Langfristig könnte Qualcomm versuchen, sich von Arm zu lösen. Das US-Unternehmen arbeitet bereits - wie auch andere große Chiphersteller - an der Nutzung der quelloffenen Prozessor-Architektur Risc-V. Die ersten kompletten Chips mit dieser Architektur sollen in Smartwatches zum Einsatz kommen, wie im Vorjahr verlautbart wurde. Bei der Produktpräsentation auf Hawaii wurde kein neuer Risc-V-Chip vorgestellt und auf das nächste Jahr vertröstet.