Neue Rakete Akeron MBT 120 startet aus der Kanone von Kampfpanzern
Der europäische Rüstungskonzern MBDA hat eine neue Waffe angekündigt. Mit Akeron MBT 120 bekommen bestehende Kampfpanzer zielsuchende Raketen, ohne dass dafür eigene Startröhren oder umfangreiche Umbauten nötig sind.
Die Rakete wird nämlich aus dem 120mm-Rohr der Kanone verschossen. Daher auch der Name: MBT steht für Main Battle Tank (Kampfpanzer), die 120 für das Kaliber der Kanone.
Rohrraketen gab es schon in den 70er-Jahren
Raketen, die aus Panzerrohren gestartet werden, gibt es schon länger. Die russische 9K112 Kobra wurde etwa von 1975 bis 1984 produziert und vom T-64 und T-80 verschossen. Diese Rohrrakete sollte die Trefferquote auf größere Distanzen erhöhen und damit die effektive Kampfreichweite. Die Kobra hatte eine maximale Reichweite von 4 km, das Nachfolgermodell 9M119 bis zu 5 km.
Bei westlichen Ländern wurden Rohrraketen in Kampfpanzern zwar erprobt, fanden aber so gut wie keine Anwendung. Durch moderne stabilisierte Kanonen, verbesserte Zielsysteme und panzerbrechende Wuchtgeschoße, gelten sie seit spätestens Ende der 90er-Jahre als obsolet.
Akeron sucht sich ihr Ziel selbst
Dennoch glaubt MBDA mit seiner Akeron MBT 120 an ein Revival der Rohrrakete. Der entscheidende Faktor dabei ist das Zielsystem. Die klassischen Rohrraketen benötigen eine direkte Sichtverbindung zum Ziel, bzw. das aktive Anvisieren, etwa durch einen Infrarotlaser. Die Akeron MBT 120 ist aber eine „Fire-and-Forget“-Waffe.
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Die Rakete hat einen passiven, elektro-optischen Infrarotsucher. Das heißt: Sie sieht die Wärmeausstrahlung des Ziels und fliegt darauf zu. Weil das Ziel nicht mit einem Laser aktiv markiert wird, springen nicht die automatischen Abwehrmechanismen an. Abwehrsysteme aktueller Panzer erkennen Infrarot-Laser und lösen automatisch Nebelwerfer aus und richten Infrarotscheinwerfer auf die Bedrohung, um die Suchköpfe der Lenkwaffen zu blenden.
Angriff von oben
Akeron MBT 120 greift ihr Ziel nicht frontal an, sondern von oben (Top-Down-Attack), wie eine moderne Panzerabwehrrakete. Panzer sind an der Oberseite des Turms üblicherweise am schwächsten gepanzert, weshalb meist ein Treffer reicht, um sie unschädlich zu machen.
Durch den passiven Suchkopf und die Attacke von oben, kann ein Panzer mit Akeron MBT 120 das Ziel ohne direkten Sichtkontakt angreifen und nach dem Start der Rakete sofort die Position verändern, wenn es nötig sein sollte.
Der Panzer muss also nur die ungefähre Position des Ziels kennen. Alternativ könnte die Position des feindlichen Panzers mit einer Aufklärungsdrohne festgestellt werden.
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Blind schießen als neue Taktik in der Ukraine
Den Bedarf an einer Waffe wie Akeron MBT 120, will MBDA durch Beobachtungen im Ukrainekrieg erkannt haben. Dort würden sowohl die Ukraine als auch Russland mit ihren Kampfpanzern Angriffe ohne direkten Sichtkontakt improvisieren. Verbündete Drohnen-Piloten geben ihnen die Position des Feindes durch. Die Panzer schießen dann mit Hochexplosiv- und Airburst-Geschoßen „blind“ in die Richtung des Feindes. Die Drohnen-Piloten beobachten die Einschläge und geben Zielkorrekturen an die Panzer weiter.
Warum diese Taktik jetzt aufkommt, liegt laut MBDA an der Topografie und der Komplexität des Geländes. Dazu gehören Hügel, Gräben, Wälder und auch Häuser in besiedelten Gebieten. Deswegen hätten bisher 90 Prozent der Kampfpanzer-Angriffe im Ukrainekrieg auf Distanzen unter 1.500 Meter stattgefunden, weil Panzer eben eine direkte Sichtlinie dafür benötigen.
Diese Distanz liege um mehr als 60 Prozent unter der effektiven Kampfreichweite eines Panzers. Durch die Top-Down-Attacke der Akeron MBT 120 würde man die Reichweite der Panzer deutlich erhöhen und – im Gegensatz zu der improvisierten Taktik – die Trefferquote.
Kosten geringhalten
MBDA ist sich bewusst, dass gerade in der Ukraine die Kosten für Rüstungsgüter ein Thema sind. Die Akeron MBT 120 würde zwar teurer als ein normales 120mm-Geschoß sein, aber es wird versucht, die Kosten durch mehrere Maßnahmen so gering wie möglich zu halten.
Dazu gehört, dass Akeron MBT 120 für einen Lenkflugkörper sehr kompakt ausgefallen ist. Mit unter einem Meter Länge und einer Masse zwischen 20 und 25 kg, misst und wiegt die Mini-Rakete in etwa so viel, wie die übliche 120mm-Munition. Dadurch kann sie problemlos im Turm in den bereits bestehenden Fächern transportiert werden – es ist kein Umbau nötig.
US-Soldaten laden 120mm-Munition in einen M1A1 Abrams
© US Army
Außerdem startet die Rakete mit niedriger Geschwindigkeit aus dem Panzerrohr und beschleunigt erst später auf niedrige Überschallgeschwindigkeit. Dadurch müssen die Komponenten nicht gegen hohe G-Kräfte geschützt werden, was ebenso die Kosten senken soll.
Zu den konkreten Kosten und der maximalen Reichweite hat sich MBDA noch nicht geäußert. Nächstes Jahr sollen erste Tests mit der Akeron MBT 120 stattfinden. Wenn genügend Kundeninteresse besteht, könnte die Rakete schon „spätestens in ein paar Jahren“ einsatzbereit sein, sagt MBDA.