"5G darf kein Randgruppenprogramm für Eliten werden"
Vor 20 Jahren, im Mai 2003, startet Drei als 4. Mobilfunkanbieter in Österreich. In der Zwischenzeit ist viel passiert. 2013 wurde der Mitbewerber Orange (früher One) übernommen. Drei wandelte sich im Laufe der Jahre zum Komplettanbieter und verkauft heute sogar Strom und Gas. Wir haben mit Unternehmenschef Rudolf Schrefl über die Herausforderungen bei 5G, steigende Mobilfunktarife, Servicepauschalen, den Breitbandausbau, Apples Datenbrille Vision Pro und die Mobilfunkbranche im Wandel gesprochen.
futurezone: Sie haben im März eine 5G-Offensive gestartet und den Beginn des 5G Massenmarkts in Österreich ausgerufen. Die Nutzungsrate unter SIM-Karten-Besitzer*innen wird auf knapp 6 Prozent geschätzt. Warum ist sie so gering?
Rudolf Schrefl: Das liegt auch daran, dass 4G-Kund*innen in Österreich hervorragende Netzabdeckung und hervorragende Netzqualität haben. Der Impuls etwas zu ändern, ist meist nur dann da, wenn etwas mit dem Bestehenden nicht gut funktioniert, qualitativ oder preislich. Der Antrieb, den Technologiesprung zu machen und sich vielleicht auch ein neues Endgerät zu kaufen, ist in einem wirtschaftlichen Zeitraum, wie wir ihn jetzt haben, auch nicht so stark ausgeprägt, wie wir es uns wünschen würden.
Eine Untersuchung des Branchenverbands Forum Mobilkommunikation hat ergeben, dass Nutzer*innen in Österreich ihr Smartphone vor allem für WhatsApp, Fotografieren, Online-Banking, Wetter und SMS nutzen. Für nichts davon braucht man 5G.
Natürlich gibt es unterschiedliche Bedürfnisse und es gibt heute genügend Kund*innen in Österreich, die definitiv keinen Bedarf an 5G haben, weil sie das Nutzungsverhalten noch gar nicht haben. Aber wenn sie sehr viel mit Video zu tun haben, sehr viel mit Uploads und Downloads und kurze Roundtrip-Zeiten haben wollen, dann ist 5G durchaus ein taugliches Instrument.
Warum sollen sie dafür das Doppelte bezahlen wie für herkömmliche Tarife?
Wir wollen gar nicht, dass sie das Doppelte bezahlen. Wir wollen für alle Kund*innen in allen Preisbereichen Angebote haben. 5G darf kein Randgruppenprogramm für Eliten werden, die sich 3.000-Euro-Geräte und 60-bis-80-Euro-Tarife leisten können. Wir werden die Leute nicht überzeugen, weil da ein 5er draufsteht. Wir müssen sie mitnehmen und sie schrittweise mit neuen Technologien vertraut und Vorteile besser sichtbar machen. 5G Standalone - unser "5G Plus"-Angebot - positionieren wir zum Beispiel relativ klar für Haushalte, die heute schlechte Internetverbindungen haben, obwohl sie vielleicht mitten in der Stadt leben.
Mehrere Länder haben 5G-Netztechnik chinesischer Hersteller aus Sicherheitsgründen aus ihren Märkten ausgeschlossen. Auch die EU erwägt Maßnahmen. Sie arbeiten beim 5G-Ausbau mit dem chinesischen Anbieter ZTE zusammen. Teilen Sie die Sicherheitsbedenken?
Da muss man sehr genau hinhören. Die EU will Länder, die die 5G-Toolbox (Anm.: die Empfehlungen der EU-Kommission zur Netzwerksicherheit) nicht implementiert haben, dazu bringen, sie einzuführen. Österreich hat das bereits gemacht. Wir sehen uns auch sehr genau an, ob die Komponenten diese Anforderungen erfüllen. Es gibt von unserer Seite keine Bedenken, dass Sicherheitsverletzungen vorliegen könnten. Wenn Europa sich heute dazu entscheiden würde, keine chinesischen Netzausrüster zu wollen, wären wir technologisch sehr gefordert, den Standard, den wir heute haben, zu halten.
➤ Mehr lesen: "Wir nutzen noch nicht mal die vollen Fähigkeiten von 5G"
Im April sind die Handytarife wegen der Wertsicherungs- oder Indexanpassungsklauseln um bis zu 11,5 Prozent gestiegen. Die hohe Inflation wird auf absehbare Zeit nicht verschwinden. Wie wird es mit den Mobilfunkpreisen weitergehen?
Heute gibt es in fast jedem Vertrag, egal ob Miete oder Versicherung, die Wertanpassungsklauseln. Die Erhöhung zwischen 8 und 11,5 Prozent bei unseren Tarifen hat damit zu tun, dass wir nicht jedes Jahr, sondern erst beim Erreichen gewisser Schwellenwerte die Preise anpassen. Wir haben 1.600 Beschäftigte, die auch ein Recht auf Gehaltsanpassung haben, wenn die Inflation steigt. Wir sind auch stark von den steigenden Preisen bei Energie und Mieten betroffen und wir geben ohnehin nur die Hälfte davon weiter. Das ist ein ganz normaler Prozess, den es in allen Industrien gibt. Komischerweise ist es aber bei der Telekommunikation jedes Mal ein Riesenthema, wenn es eine Wertanpassung gibt. Dabei sind wir eine der wenigen Industrien, die im Verbraucherpreisindex dafür sorgt, dass die Inflation nicht so stark steigt, wie sie könnte.
Ärger könnten Sie mit der Servicepauschale bekommen. Nach einem OGH-Urteil gegen ein Fitnessstudio, das ebenfalls eine Servicepauschale verlangt hat, wurde sie auch bei Mobilfunkern infrage gestellt. Auch eine Sammelklage steht im Raum.
Es gibt keine Sammelklage. Es gibt eine Klagsandrohung. Wir sind im intensiven Austausch mit den Interessensvertreter*innen. Wir schauen, ob wir das Thema konsensuell lösen können. Die Servicepauschale, die ein Fitnesscenter-Betreiber in seine AGB geschmuggelt hat, hat aber nichts mit der Servicepauschale zu tun, die wir seit über 10 Jahren in Österreich als Teil der Tarife verrechnen. Wir sind extrem stark reguliert. Alle Tarife sind vom Regulierer freigegeben.
Was kommt da im schlimmsten Fall auf Sie zu?
Für die gesamte Branche wären das sicherlich Hunderte Millionen Euro. Für eine Industrie, die gerade Milliardenbeträge in den Netzausbau investiert, wäre das ein desaströses Investitionsumfeld.
Die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen zu einem Digitalisierungsschub geführt. Kleine und mittlere Unternehmen hat das laut einer von Ihnen in Auftrag gegebenen Untersuchung nur bedingt erreicht. Woran liegt das?
Am wichtigsten ist es, ihnen Zugang zu Hochleistungsnetzen zu ermöglichen. Wir arbeiten daran in 2 Richtungen. Zum einen mit dem landesweiten Roll-out von 5G, bei dem wir auch sehr stark in ländliche Gemeinden hineingehen. Auf der anderen Seite haben wir eine intensive Diskussion mit der Politik. Da geht es darum, von der Förderung des Ausbaus von Glasfasernetzen in die Nachfrageförderung zu gehen. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass es auch gekauft wird.
➤ Mehr lesen: Voucher-Modell: 800-Euro-Gutschein für Glasfaseranschluss
Im vergangenen Jahr haben Sie bei Glasfasernetzen eine Partnerschaft mit A1 geschlossen.
Wir sind sehr partnerorientiert unterwegs und haben Verträge abgeschlossen, wo wir Reseller sind und die Glasfaser auch vermarkten.
Beim Internet für zu Hause setzen Sie noch stark auf 4G, 5G und Hybridlösungen. Wird das für die Zukunft genug sein?
5G und Glasfaser komplementieren sich. Ich kenne derzeit keinen Anwendungsfall in einem Haushalt, für den man Glasfaser brauchen würde. Aber irgendwann wird die Nachfrage in den Haushalten so groß werden, dass man 5G für die Mobilität verwendet und zu Hause den Glasfaseranschluss. Mit den hohen Frequenzen können wir aber auch im 5G-Netz Gigabit-fähige Lösungen für spezielle Bereiche herstellen. Das wird der nächste Schritt sein.
Sie sind vor 20 Jahren in Österreich gestartet und haben sich vom Mobilfunkanbieter zum Komplettanbieter entwickelt. Mittlerweile verkaufen sie sogar Strom, Gas und Versicherungen. Warum?
Das macht für uns Sinn, weil wir mit den Schnittstellen zu unseren Kunden die Möglichkeit haben, sie von neuen Technologien profitieren zu lassen. Wir können ihnen durch unsere hohe Einkaufskraft günstige Konditionen zur Verfügung stellen und wir können ihnen auch zeigen, wo sie Strom sparen können. Unsere Reiseversicherung zahlen unsere Kunden nur, wenn sie im Ausland sind uns sich ins Roaming einwählen. Wir können einen Mehrwert leisten und den wollen wir auch erlebbar machen.
Was kommt als Nächstes?
Wir wollen neue Wertschöpfungsmöglichkeiten mit 5G und im Bereich der Konnektivität erschließen. Mit 4G können Sie heute auf einem Quadratkilometer rund 100.000 Geräte verbinden. Mit 5G und 5G Plus sind es bis zu einer Million. Daraus lassen sich viele Lösungen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Wir sehen etwa viel Potenzial im Zusammenhang mit Drohnen. Wir experimentieren bereits sehr intensiv mit einer Firma, um autonome Drohnen für verschiedene Anwendungsfälle im 5G-Netz zu steuern. Etwa um Arzneimittel so schnell wie möglich vom Hersteller ins Spital zu bringen. Auch aus den Daten, die wir in den Mobilfunknetzen sehen, wollen wir neue Geschäftsfelder entwickeln.
Apple hat vor kurzem die Datenbrille Vision Pro vorgestellt. Hat sich da so etwas wie ein iPhone-Moment angedeutet, der neue Nutzungsweisen von Technologien ermöglicht, oder wird das überschätzt?
Das iPhone hat unsere Branche revolutioniert. Ich tue mir schwer, einen qualifizierten Kommentar zur Vision Pro abzugeben. Sie ist mit einem Preis von 3.500 US-Dollar definitiv noch nicht massentauglich. Der Preis ist nur von einer ganz kleinen Zielgruppe leistbar. Im professionellen Bereich gibt es ausreichend Anwendungen für solche Brillen. Ich bin sehr gespannt, was die Software-Entwickler*innen liefern, damit auch für Privatkunden ein Mehrwert entsteht. In dem Bereich wird es sicher noch einige Jahre dauern, bis das Produkt Verbreitung findet.
Welche Rolle wird künstliche Intelligenz für Telekomunternehmen wie Drei spielen?
Wir müssen uns mit dem Thema auf verschiedenen Ebenen beschäftigen. KI ist hervorragend geeignet, um repetitive, einfache Arbeiten zu erledigen. Auch im Zusammenhang mit der Netzplanung - wann, wie viel Kapazität warum gebraucht wird - kann sie nützlich sein. In der Rechtsabteilung oder bei der Übersetzung komplexer Informationen für bestimmte Zielgruppen kann sie ebenso zum Einsatz kommen, wie im Bereich des Kundendienstes. Sie kann unseren Mitarbeitern mehr Zeit für die Bearbeitung schwieriger Themen verschaffen. KI wird sehr viele Prozesse effizienter machen, sodass wir mehr Ressourcen auf innovative und spannende Themen lenken können. Das gilt nicht nur für die Telekommunikationsbranche. Gefordert ist auch die Politik. Wir brauchen eine Regulierung, die die technischen Möglichkeiten nicht groß einschränkt, aber das Risiko für die Gesellschaft reduziert.
Sehen Sie auch auf der Produktseite Möglichkeiten?
Noch sehe ich auf unserer Roadmap kein Produkt, das darauf aufbaut. Aber wir sehen heute Anwendungsfälle von KI, über die man vor 3 Jahren auch noch nicht nachgedacht hätte.