
Neue F-35 soll zum halben Preis dasselbe können wie der Superflieger F-47
Kürzlich haben die USA die F-47 enthüllt. Der Kampfjet der 6. Generation wird von Boeing gebaut und von US-Präsident Trump als bestes Flugzeug der Welt und Superflieger gelobt. Jetzt wurde bekannt, dass Lockheed Martin, das sich ebenfalls für den Auftrag beworben hatte, keinen Einspruch gegen die Vergabe an Boeing erheben wird.
Das ist überraschend, da solche milliardenschweren Rüstungsaufträge so gut wie immer von der Verliererpartei beklagt werden. Dass das jetzt nicht so ist, dürfte daran liegen, dass Lockheed Martin bereits einen neuen Plan hat.
Demnach soll die F-35 ein umfangreiches Upgrade bekommen, bei dem auch der Rahmen verändert wird. Der Stealth-Fighter soll damit viele Fähigkeiten der F-47 bekommen, aber zu einem deutlich günstigeren Preis, berichtet twz.
80 Prozent der Fähigkeiten, 50 Prozent des Preises
Die Aussagen stammen von Jim Taiclet, CEO von Lockheed Martin. Er hat im Rahmen des Quartalsberichts mit Investoren gesprochen. „Wir arbeiten daran die NGAD-Technologien in unsere bewährten Produkte zu integrieren. Die F-35 soll damit zu einem Generation 5+ Kampfjet werden. Ich habe das Aeronautics-Team herausgefordert, 80 Prozent der Fähigkeiten eines Generation-6-Kampfjets für 50 Prozent der Kosten abzuliefern. Und sie hätten die Herausforderung nicht angenommen, wenn sie nicht glauben würden, dass dieses Ziel erreicht werden kann.“
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80 Prozent der F-47-Fähigkeiten zur Hälfte des Preises: Das klingt kühn, lässt sich aber begründen. Das NGAD-Projekt, aus dem die F-47 entstanden ist, war zu großen Teil von der US-Regierung finanziert. Ebenso hat die US-Regierung die Entwicklung, den Bau und die Weiterentwicklung der F-35 bezahlt, die von Lockheed Martin gebaut wird. Das heißt: Ein Teil der Technologien, die eine Anforderung für den NGAD-Kampfjet waren, wurden bereits entwickelt und die F-35 ist eine einigermaßen ausgereifte Plattform. Lockheed muss also nur noch die Komponenten zusammenführen.
F-35A
© US Air Force
Nascar-Upgrade für die F-35
Weil die Kosten für die Entwicklung bereits bezahlt wurden, soll dieses Zusammenführen nicht mehr allzu teuer sein – obwohl es grundlegende Änderungen an der F-35 bedeuten könnte. Taiclet nennt das ein Nascar-Upgrade, als Anspielung daran, dass in dieser Rennkategorie früher Serienfahrzeuge lediglich Tourenwagen-ähnliche Chassis, als eine Art Renn-Karosserie, bekommen haben. „Wir nehmen im Grunde das Chassis der F-35 und machen es zu einem Ferrari. Es ist wie ein Nascar-Upgrade, das Technologien der NGAD- und F-35-Programme vereint“, sagt Taiclet.
Konkrete Beispiele für die Technologien will Taiclet nicht geben, weil ein paar davon als geheim eingestuft seien. Prinzipiell gehe es darum, nicht mehr Dogfights, also den Nahkampf in der Luft, zu gewinnen, sondern den Gegner frühzeitig zu besiegen. Das heißt: Ihn auf einer Distanz aufspüren und bekämpfen, in der man selbst sicher, und idealerweise dank Stealth unentdeckt ist.
Infrarotsensoren ergänzen Radar
Hier nennt er etwa Infrarotsensoren mit hoher Reichweite, die das klassische Radar ergänzen sollen. Infrarotsensoren funktionieren passiv. Sie nehmen die Wärme von Objekten im relativen Unterschied zur Umgebungswärme wahr. Durch neue Sensoren und entsprechende Bilderkennungsalgorithmen, könnte man so feindliche Flugzeuge, Schiffe und Fahrzeuge aus großer Entfernung erfassen.
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Wird für diese Aufgabe das Radar genutzt, ist das aktiv. Das Radar schickt Funkwellen aus, die von Objekten reflektiert und wieder vom Radar aufgefangen werden. Diese Funkwellen können aber von passiven Radaranlagen erkannt werden. Sieht man so Radarstrahlen von einem Ort ausgehen, an dem scheinbar kein Flugzeug ist, könnte man davon ausgehen, dass sich dort ein Stealth-Fighter befindet, der aufgrund seiner Bauweise unsichtbar für das Radar ist. Das Tarnkappenflugzeug würde also durch das eigene Radar seine ungefähre Position preisgeben.
Was bedeutet Kampfjet der 6. Generation?
Kampfjets werden in Generationen eingeteilt. Die aktuellste, die im Einsatz ist, ist die 5. Generation, die sich durch vor allem durch Tarnkappeneigenschaften auszeichnet. Dazu gehören etwa die F-22, F-35, Su-57, J-20 und J-35.
Zu den derzeit noch lose definierten Fähigkeiten eines Kampfjets der 6. Generation gehören:
- Tarnkappeneigenschaften und interner Waffenschacht
- Für Luftkämpfe und Bodenangriffe geeignet
- Geeignet für elektronische Kriegsführung
- Erweiterte Datenübertragungsfähigkeiten für das vernetzte Schlachtfeld und Datenübertragung direkt zu Satelliten
- Kann optional ferngesteuert und mindestens teilautonom mittels KI agieren
- Helm-Display ist mit Außenkameras verbunden, damit der Pilot „durch das Flugzeug“ durchschauen kann und so eine 360-Grad-Rundumsicht hat
- Adaptives Triebwerk
- Erweiterte Gegenmaßnahmen, wie Jammer, Infrarot-Blender und optional Energiewaffen – etwa um anfliegende Raketen per Laser zu zerstören
Waffen mit mehr Reichweite
Damit die Infrarotsensoren in die F-35 eingebaut werden können, ohne die Stealth-Eigenschaften des Rumpfes zu komprimieren, braucht es wohl das von Taiclet angesprochene neue Chassis. Die zweite Komponente bei der Strategie, Feinde auf größtmögliche Entfernung zu bekämpfen, sei laut Taiclet, dass man ein Zielerfassungssystem und eine Waffe hat, mit der dann das feindliche Flugzeug abgeschossen werden kann, bevor man selbst in dessen Waffenreichweite kommt.
Dies könnte darauf hindeuten, dass das Nascar-Upgrade den internen Waffenschacht der F-35 vergrößert, was aber mit einem Chassis, statt eines neuen Rumpfes, sehr herausfordernd wäre. Möglicherweise könnte das Chassis aber eintreffende Radarstrahlen so zerstreuen, dass Raketen mit größerer Reichweite, die an den Hardpoints unter den Flügeln montiert sind (weil sie nicht in den Waffenschacht passen) den Radarquerschnitt nur minimal erhöhen. Der Stealth-Jet würde so seine Tarnkappeneigenschaften behalten, trotz zusätzlicher Bewaffnung.
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Eine israelische F-35 im "Beast Mode": Zusätzliche Waffen sind an den Hardpoints unter den Flügen montiert
© Israeli Air Force
Bessere Stealth-Beschichtung
Taiclet bleibt auch vage, was weitere Technologien angeht: „Es gibt einige Techniken, die wir für NGAD verwendet haben, die für die F-35 genutzt werden können: Seien es Materialien, Geometrie oder Gegenmaßnahmen für Stealth.“ Spannend ist, dass er Materialien erwähnt. Denn eine Stärke der F-35 ist gleichzeitig eine Schwäche.
Sie hat eine spezielle Beschichtung (RAM – Radar Absorbing Material), die Radarstrahlen zerstreut. Diese löst sich durch die Flugbelastungen mit der Zeit aber. Da das Ausbessern der RAM sehr wartungsintensiv ist, ist sie ein Mitgrund dafür, dass viele F-35 lange am Boden bleiben müssen, was die „Readiness“ senkt – also den Wert in Prozent, den ein Kampfjet einsatzbereit ist. 2024 lag die Readiness der F-35A bei 51,5 Prozent. Von den etwa 400 aktiven F-35A, die die US Air Force derzeit betreibt, war nur rund die Hälfte einsatzbereit.
Ein Techniker der Air Force bessert die RAM auf einer F-35A aus
© US Air Force
Eine neue RAM könnte nicht nur die Stealth-Eigenschaften der F-35 erhöhen, sondern auch die Readiness. Denkbar wäre RAM auf der Basis von Keramik, statt wie bisher Metallpartikel. Das würde auch der Haltbarkeit der F-35C der US Navy zugutekommen.
Weil diese auf Flugzeugträgern stationiert ist und dort am Flugdeck mit Salzwasserspritzern in Berührung kommt, korrodiert die Beschichtung, was die Stealth-Eigenschaften reduziert. Auf Fotos sieht es dann so aus, als ob die F-35C Flugrost hätte.
Nascar-F-35 könnte bald einsatzbereit sein
Lockheed will dieses Upgrade „schon sehr rasch“ dem US-Verteidigungsministerium anbieten. Ob das Upgrade nur direkt beim Bau von neuen F-35s berücksichtigt werden kann, oder ob auch bereits ausgelieferte F-35 aufgerüstet werden können, ist aktuell nicht bekannt. Da die Air Force aber ohnehin noch eine Bestellung für über 1.300 F-35As offen hat, könnte vermutlich ein Großteil davon die „Nascar-F-35“ werden.
Die F-35 mit dem Upgrade wird vermutlich teurer als die normale F-35A sein. Offiziell wurde kein Preis für die F-47 genannt, sie soll aber mindestens doppelt so teuer wie eine F-35 sein. Sollte die F-47 also z. B. 2,3-mal so teuer wie eine normale F-35 sein, wäre die Nascar-F-35, die die Hälfte der F-47 kosten soll, etwas teurer als die reguläre F-35.
Das Enthüllungsbild der F-47
© US Air Force
Dass die Air Force das Angebot der Nascar-F-35 annimmt, dürfte dennoch sehr wahrscheinlich sein. Kaum jemand glaubt, dass die F-47 in ausreichender Stückzahl vor 2040 in Dienst gestellt wird. Das könnte zu spät sein, falls es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit China kommt. Die Nascar-F-35 könnte womöglich schon vor 2030 einsatzbereit sein.
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Nascar-F-35 für andere Länder
Allerdings hat Lockheed keinen guten Track-Record, was bisherige F-35-Upgrades angeht. Die großen Updates, genannt Blocks, sind fast alle mit großen Verzögerungen gekommen. Aktuell steht Block 4 an, an dem seit 2019 gearbeitet wird. Aufgrund etlicher Verzögerungen wird die Indienststellung von F-35s mit Block 4 erst in den späten 2020er-Jahren, bis in die frühen 2030er-Jahren erwartet. Wenn Lockheed jetzt auch noch das Nascar-Upgrade einschiebt, könnte sich Block 4 weiter verschieben – was auch für internationale Kunden ärgerlich ist, die Block 4 F-35s bestellt haben.
Ob die Nascar-F-35 für internationale Kunden eine Option wird, ist noch nicht bekannt. Sollten die für NGAD entwickelten Technologien wirklich geheim sein, könnte die US-Regierung ein Veto einlegen, falls die Technologien zu ähnlich derer sind, die Boeing für die F-47 entwickelt hat. Vermutlich erhofft sich Lockheed hier das Wohlwollen der US-Regierung, weil eben kein Protest bezüglich der F-47-Vergabe eingelegt wurde, nach dem Motto: „Wir halten die Füße still, wenn ihr uns nachher erlaubt, dass wir die für NGAD entwickelten Technologien weiterverkaufen.“
Die Zukunft ist unbemannt
Ebenso unbekannt ist, ob mit der Nascar-F-35 ein anderes Thema vom Tisch ist: ein günstiger Stealth-Jet für die Air Force. Ein Konzeptbild davon hat die US-Luftwaffe kommentarlos im August 2024 gezeigt.
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So scheint sich die US Air Force einen leichten Kampfjet vorzustellen.
© Screenshot
Damals verlief das NGAD-Programm nicht wie geplant, vor allem die hohen Kosten ließen die Air Force daran zweifeln. Der günstige Stealth-Jet wurde als Zeichen gesehen, dass die Air Force womöglich NGAD aufgibt. Stattdessen könnte so ein Flieger als Brückenlösung genommen werden, bis unbemannte Kampfflugzeuge reif für das Schlachtfeld sind.
Die F-47 ist vermutlich ebenso eine Übergangslösung. Die US Navy, die mit F/A-XX ein eigenes NGAD-Programm für einen Flugzeugträger-basierten Kampfjet der 6. Generation hat, sagte kürzlich: „Die F/A-XX könnte unser letztes bemanntes Kampfflugzeug sein, das wir bei der Navy betreiben.“
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F/A-XX-Konzeptgrafik von Boeing
© Boeing
Die F/A-XX soll demnach die Brücke hin zu hybriden Luftgeschwadern schlagen - also die Kombination aus bemannten und unbemannten Plattformen. Die Piloten werden dabei zu „Quarterbacks“, die ihr Drohnen-Team zum Einsatzgebiet bringen, die Angriffsbefehle geben, aber sich selbst so weit wie möglich zurückhalten, um nicht abgeschossen zu werden. Mit dem Fortschritt von KI und dem Erlernen der menschlichen Taktiken soll dann künftig nur noch unbemannte Flieger unterwegs sein.