Großbritannien baut erstes Mini-Atomkraftwerk
Der Norden von Wales soll ein Leuchtturm im goldenen Nuklearzeitalter werden. Mit diesen Worten kündigte die britische Regierung am heutigen Donnerstag den Bau des ersten Mini-Atomkraftwerks (small modular reactor, SMR) im Land an.
Als Bauträger fungiert die staatliche Energie-Investitionsgesellschaft Great British Energy-Nuclear. Eine SMR-Tochtergesellschaft des Autobauers Rolls-Royce, die auch für die Antriebe britischer Atom-U-Boote verantwortlich ist, soll die Anlage entwerfen und bauen.
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Walisische Insel mit Atom-Vergangenheit
Auf der Insel Anglesey, die auf walisisch als Ynys Môn bekannt ist, gibt es bereits ein Atomkraftwerk. Der Wylfa-Reaktor wurde in den 1960er Jahren errichtet und 2015 endgültig außer Betrieb genommen.
Nun sollen dort 3 SMRs mit jeweils 470 Megawatt Leistung entstehen. Gemeinsam sollen sie genug Strom erzeugen, um etwa 3 Millionen Haushalte zu versorgen.
Jeder Reaktor soll etwa so groß sein wie 2 Fußballfelder. Komponenten des Druckwasserreaktors sollen in einer Fabrik gebaut werden, sodass die Installation vor Ort schnell und günstig vonstattengehen kann, wie es bei Rolls-Royce SMR heißt.
Tatsächlicher Nutzen noch umstritten
Wie der Guardian berichtet, handelt es sich bei SMRs um eine noch nicht getestete Technologie. Der Thinktank Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) etwa sieht diese Reaktorart sehr kritisch. SMRs seien zu teuer, zu langsam zu bauen und zu risikobehaftet, um in den kommenden Jahren eine tragende Rolle bei der Energiewende zu spielen.
Laut der internationalen Atombehörde IAEA sind weltweit über 80 Konzepte für SMRs in Entwicklung. In Argentinien, Russland und China werden schon einzelne Anlagen gebaut. Im chinesischen SMR auf der Insel Hainan wurden im Oktober bereits erste Tests durchgeführt, wie World Nuclear News berichtet.
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2,5 Milliarden Pfund Investment
Die britische Regierung unter dem umstrittenen Premier Keir Starmer will 2,5 Milliarden Pfund (rund 2,8 Milliarden Euro) in das Projekt investieren. Hintergrund ist die „clean energy superpower mission“, die das Land in Energie-Unabhängigkeit führen soll.
Die Regierung verspricht 3000 „neue, gute Jobs“ für die Region durch den Bau. Gefragt seien vor allem Klempner, Elektriker und Schweißer.
US-Regierung verärgert
Auch ein US-amerikanisches Unternehmen, die Westinghouse Electric Company, hatte sich um die Umsetzung eines Nuklearreaktors in Großbritannien bemüht. Dass nun mit Rolls-Royce ein britischer Anbieter den Zuschlag bekommen hat, ärgert die US-Regierung. Sie hatte sich für den US-Anbieter eingesetzt und außerdem gefordert, dass Großbritannien mehr Öl aus der Nordsee fördern solle statt Windfarmen zu nutzen, wie Reuters meldet.
Botschafter Warren Stephens zeigte sich auf X schon vor der offiziellen Ankündigung der britischen Regierung enttäuscht. Reuters beschrieb diese Kritik als ungewöhnlich heftig.