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Mysteriöses chinesisches Schiff ist halb U-Boot halb Trimaran

Ende Oktober wurde auf Satellitenbildern ein ungewöhnliches Boot gesichtet. In einer chinesischen Werft war ein teilweise mit Planen verdecktes Schiff zu sehen. Die Form davon warf viele Fragen auf.

Jetzt ist erstmals ein Foto des Schiffs aufgetaucht, das es von der Seite zeigt. Das liefert neue Hinweise darauf, was dieses Gefährt überhaupt ist.

Das Schiff im Hafen. Der Bug zeigt nach links

Ähnlichkeiten mit einem U-Boot

Das Schiff ist derzeit geheim. Es gibt keine offiziellen Informationen dazu, nicht mal einen Namen. Auf dem Foto befindet es sich vor einem anderen Schiff, der Bug schaut nach links.

Die sichtbare Form erinnert an ein U-Boot. Auch der Turm schaut wie von einem U-Boot aus, befindet sich aber am hinteren Teil des Bootes. Üblicherweise sind die Türme, manchmal auch Segel genannt, bei U-Booten eher im vorderen oder dem mittleren Bereich.

Unter dem Turm sind 2 kleinere Rümpfe, einer links und einer rechts. Auf dem Foto sind diese kaum zu sehen. Es hilft, wenn man sich dazu die Grafik des Marineexperten H I Sutton anschaut, die er auf Basis der Satellitenfotos angefertigt hat.

Trimaran mit Tauch-Modus

Dass das Schiff wie eine Mischung aus Trimaran und U-Boot aussieht, dürfte kein Zufall sein. An mehreren Stellen des Rumpfes und am Turm befinden sich weiße Markierungen. Solche werden bei Schiffen und U-Booten üblicherweise genutzt, um zu sehen, wie tief der Rumpf im Wasser ist.

Die weißen Tiefenmarkierungen am Rumpf des US-Boots Ohio

Bei dem Schiff reichen die Tiefenmarkierungen am Turm bis ganz nach oben. Nur eine Antenne und ein Mast befinden sich noch darüber. Das ist ein ziemlich eindeutiger Hinweis darauf, dass das Schiff ein sogenanntes Semi-Submersible ist – ein Halbtaucher.

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Bei solchen Schiffen und Booten befindet sich der Großteil des Rumpfes unter der Wasseroberfläche, nicht aber das komplette Schiff. Die Idee ist, dass das Boot so im Wasser weniger sichtbar und schlechter für Radar erfassbar ist. Gleichzeitig ist es weniger teuer und kompliziert als ein echtes U-Boot. Solche Designs werden häufig von Kartellen genutzt, um Drogen zu schmuggeln. Die Konstrukte sind als Narco-Subs bekannt.

Möglicherweise Düsenringpropeller

Beim chinesischen Schiff sieht es am Heck so aus, als könnte ein Düsenringpropeller genutzt werden. Dieser kommt bei modernen U-Booten und Torpedos zum Einsatz. Charakteristisch dafür ist der hinten enger werdende Düsenring.

Britische Astute-Klasse: Auch mit der Verhüllung, die das Design geheim halten soll, ist die Form des Düsenringpropellers gut zu erkennen.

Bei hohen Geschwindigkeiten entsteht bei Düsenringpropellern weniger verräterische Kavitation als bei herkömmlichen Propellern. Das ist der Effekt, bei dem Bläschen im Wasser entstehen und sich auflösen. Das ist relativ „laut“, weshalb sich Kavitation gut mit Sonar und Unterwassersensoren erfassen lässt, auch auf weite Distanzen.

Das chinesische Boot könnte also dafür ausgelegt sein, um akustisch wenig auffällig zum Zielgebiet zu sprinten, um dann dort abzutauchen. Die kleinen Rümpfe erhöhen die Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten an der Wasseroberfläche. Außerdem heben sie den Hauptrumpf mehr aus dem Wasser, was den Wasserwiderstand reduziert.

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Autonomes Arsenal-Schiff

Diese denkbare Taktik spricht für eine frühere Theorie, laut der das Boot ein „Arsenal-Schiff“ sein könnte. Die einzige Aufgabe davon wäre, ins Zielgebiet zu kommen und dort eine große Zahl an Raketen zu starten. Wie das aussehen könnte, zeigen Renderbilder chinesischer User:

Auch H I Sutton hat damals vermutet, dass das Schiff Vertikalstarter (VLS) haben könnte, um zB. Antischiffsraketen abzufeuern. Auf dem neuen Foto sind keine Hinweise auf VLS zu sehen. Das heißt aber nicht, dass es wirklich nicht da ist oder nicht in Zukunft installiert werden könnte.

Eine weitere Option wäre, dass nicht klassische Raketen, sondern ein Schwarm Kamikazedrohnen zum Einsatz kommt. Je nach Bau- und Antriebsart könnten die durch andere Vorrichtungen, als VLS gestartet werden.

Sollte das Boot wirklich ein Arsenal-Schiff sein, kann man davon ausgehen, dass es unbemannt ist. Dadurch ist mehr Platz für die Bewaffnung an Bord und ein Verlust des Schiffs im Gefecht weniger tragisch. Wenn es unbemannt ist, könnte es sich etwa in einem bestimmten Gebiet abgetaucht auf die Lauer legen. Wird ein Feind erkannt, könnte es auftauchen und autonom, bzw. auf Befehl aus der Ferne, angreifen.

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Transporter für Spezialtruppen

Theoretisch könnte es bemannt oder optional bemannt sein, falls man glaubt, am Turm einen Schnorchel zu erkennen, der beim Tauchen die Luftversorgung ermöglicht. Dies würde die Option offenlassen, dass das Schiff ein Transporter für Soldaten ist. Spezialtruppen könnten damit etwa schnell zu Inseln im Chinesischen Meer kommen und für die finale Annäherung abtauchen, um nicht entdeckt zu werden. Ein ähnliches Konzept ist etwa das SDV der US Navy Seals:

Die langweiligste Möglichkeit, was das Schiff ist, ist derzeit die Wahrscheinlichste: ein Testbett. Die chinesische Marine könnte das Design einfach mal ausprobieren, um zu sehen, für welche Anwendungen es sich eignet oder um neue Technologien zu erproben.

Auch das würde nicht zwangsläufig bedeuten, dass das Schiff niemals einen Einsatz sehen wird. Denn China ist sehr an jeglicher Art von Drohnen und unbemannten Gefährten interessiert, auch für die Seestreitkräfte. Im November 2024 wurde mit Jari-USV-A „Orca“ etwa ein unbemanntes Kriegsschiff präsentiert. Es ist ein Trimaran und unter anderem mit einem VLS bewaffnet.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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