Nordkorea kopiert US-Raketenartillerie HIMARS und gibt ihr Atomraketen
Nordkorea hat am 11. Oktober eine Militärparade abgehalten. Mit dabei war die amerikanische Raketenartillerie HIMARS – könnte man zumindest auf dem ersten Blick glauben.
Von vorne sieht das Gefährt HIMARS sehr ähnlich, etwa wenn man sich die Form des Fahrerhauses ansieht. Zudem ist der Mehrfachraketenwerfer ebenfalls ein 3-Achser. Der große Unterschied wird auf der Ladefläche sichtbar.
Doppel-Pods in verschiedenen Kalibern
Während HIMARS nur Platz für einen Pod hat, hat Nordkoreas Variante 2 Pods. Wie beim US-Gegenstück scheint das Pod-System modular sein. Dadurch kann die Raketenartillerie Munition in verschiedenen Kalibern abfeuern.
Ein Raketen-Pod eines HIMARS wird ausgetauscht
© US MArines
Auf der Parade waren 3 Größen zu sehen. Ein Pod hatte 20 Röhren. Dabei dürfte es sich um Raketen im Kaliber 122 mm handeln. Die passenden Raketen stammen noch aus Sowjetzeiten und wurden für das BM-21 entwickelt.
Die Raketen in den Arsenalbeständen sind meistens ungelenkt und haben eine Reichweite von 20 bis 40 km. Das ist eher wenig für eine moderne Raketenartillerie, allerdings sind die Raketen billig und mit 2 Pods könnte das nordkoreanische HIMARS mit 40 Raketen eine große Fläche abdecken.
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Der zweite gesichtete Pods hat 9 Röhren mit einem größeren Durchmesser. Vermutlich haben diese das Kaliber 240 mm. Dieses Kaliber nutzt Nordkorea seit Anfang der 1990er-Jahre, ebenfalls für Raketenartillerie-Fahrzeuge mit 3 Achsen. Laut Nordkorea gibt es gelenkte und ungelenkte 240-mm-Raketen, die Reichweite der neuesten Varianten betrage bis zu 80 km.
Nordkoreanische Raketenartillerie im Kaliber 240 mm
© KCNA
Ballistische Rakete für taktische Nuklearwaffe
Der dritte und größte Pod bietet Platz für eine Hwasong-11-Rakete, vermutlich in der Variante 11D. Diese ballistische Kurzstreckenrakete soll eine Reichweite bis zu 300 km haben. Der Gefechtskopf kann bis zu 500 kg wiegen.
Laut Nordkorea kann die Hwasong-11D konventionell oder mit dem nuklearen Gefechtskopf Hwasan-31 bestückt werden. Dabei handelt es sich um eine taktische Nuklearwaffe. Solche haben weniger Zerstörungskraft und werden üblicherweise gegen militärische Ziele gerichtet, während strategische Nuklearwaffen gegen Ballungszentren eingesetzt werden. Hwasan-31 soll eine Zerstörungskraft von bis zu 10 kT haben. Zum Vergleich: Die Hiroshima-Bombe hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen.
Test einer Hwasong-11D
© KCNA
Mix-and-Match mit Raketen
Das Pod-System hat gegenüber klassischen Systemen Vorteile. Weil die Pods genormt sind, können sie zukünftig für andere Fahrzeuge, semi-stationäre Raketenwerfer oder sogar für Schiffsbewaffnung eingesetzt werden. Möglich ist etwa auch, solche Pod-Starter in Containern zu verstecken.
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Durch das genormte Format ist zudem ein Mix-and-Match beim nordkoreanischen HIMARS möglich. Wie bei der Parade zu sehen war, kann zB. ein 240-mm-Pod und einer für die Hwasong-11D-Rakete kombiniert werden.
Möglich wäre auch, Pods im selben Kaliber mit verschiedenen Raketentypen zu nutzen – zB. einer mit Hochexplosiv- und einer Brand-Sprengköpfen. Durch dieses Mix-and-Match kann schneller auf dynamische Situationen am Schlachtfeld reagiert werden, ohne erst zeitaufwändig die passende Munition umladen zu müssen.
Nordkoreas HIMARS
© KCNA
3-Achser mit 2 Pods sind eine Seltenheit
Dass Nordkorea das HIMARS-Fahrgestell mit einem Doppel-Pod kombiniert, ist eher ungewöhnlich. HIMARS wurde als leichte Version von MLRS konzipiert, das einen Kettenabtrieb hat. Gegenüber MLRS ist HIMARS schneller (95 km/h statt 65 km/h) und leichter (13,5 Tonnen statt 21 Tonnen). Die gesteigerte Mobilität geht auf Kosten der Kapazität: Eben nur ein Pod statt 2.
MLRS der US-Armee
© US Army
Seit Kurzem versuchen mehrere Anbieter einen Mittelweg zu finden – also 2 Pods auf Rädern statt mit Kettenantrieb. Dabei setzt etwa Rheinmetall mit GMARS auf 4 Achsen, um die Last besser zu tragen.
Das Puls-System von Elbit gibt es für 3- und für 4-Achser. Die Doppel-Pod-Konfiguration für Pods mit mehr Startröhren ist für die 4-Achser gedacht. Auf 3-Achsern werden leichtere Raketen oder Pods mit weniger Startern genutzt.
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Russland setzt bei seiner Raketenartillerie 9A53 Tornado ebenfalls auf einen 4-Achser.
Womöglich hat Nordkorea nicht vor, seine HIMARS-Kopien für schnelle Verlegungen zu nutzen, sondern eher als semi-stationäre Abschussvorrichtungen gegen Südkorea. Dann wäre es nicht so wichtig, dass das Fahrzeug eine hohe Geschwindigkeit auf der Straße und im Gelände erreicht, um möglichst schnell in Position zu gehen, zu schießen und wieder abzuhauen (Shoot-and-Scoot).
Ursprünge der modernen Raketenartillerie im Zweiten Weltkrieg
Die Grundidee der Raketenartillerie ist, in kurzer Zeit viele Geschosse abzufeuern. Bei normaler Artillerie muss nach jedem Schuss nachgeladen werden, Raketen können aber im Sekundentakt abgefeuert werden. Zudem ist mit Raketen eine höhere Reichweite als mit regulärer Artillerie möglich.
Der Beginn der modernen Raketenartillerie liegt im Zweiten Weltkrieg. Deutschland setzte hier auf seine Nebelwerfer, die trotz des Namens Raketen abfeuerten.
Die USA montierten Raketenwerfer auf Sherman-Kampfpanzer, wie etwa den T34 Calliope.
Am bekanntesten ist die sowjetische Katjuscha. Aufgrund des pfeifenden Geräuschs, das die Raketen verursachten, bekam sie von den deutschen Truppen den Spitznamen Stalinorgel.
Kalter Krieg: Sowjetunion setzt weiter auf Raketenartillerie
Die Sowjetunion setzte die Entwicklung der Raketenartillerie konstant fort. Eines der bekanntesten Systeme ist das BM-21 Grad, das auch heute noch von Russland eingesetzt wird.
Die aktuelle Version, die Russland nutzt, ist das 9A53 Tornado. Dieses System auf einem Lkw-Fahrgestell gibt mit den 122mm-Raketen des Grad, 220mm-Raketen und 300mm-Raketen. Es wurde 2014 in Dienst gestellt und gilt als die russische Antwort auf HIMARS.
MLRS: Die USA sind Nachzügler
In den 70er-Jahren erkannten die USA, dass weder sie noch andere NATO-Länder mit der sowjetischen Raketenartillerie mithalten konnten. Um für das Nachzügeln wettzumachen, entschloss man sich die sowjetische Raketenartillerie mit weniger Raketen, aber mehr Reichweite zu schlagen. Dazu wurde das Multiple Launch Rocket System (MLRS) mit 227mm-Raketen entworfen.
Das MLRS kam in den USA unter den Namen M270 im Golfkrieg und in Afghanistan zum Einsatz. Israel hat damit 2023 Ziele im Gazastreifen beschossen. Neben HIMARS hat die Ukraine auch MLRS geliefert bekommen. Diese kamen aber nicht von den USA, sondern von Großbritannien und Deutschland.
Die neueste Version des MLRS ist das M270A2 der US-Armee. 2019 wurden ältere MLRS mit einem neuen Zielsystem aufgerüstet, um die PrSM abfeuern zu können. Außerdem wurden Motor und Getriebe verbessert, sowie die Panzerung der Kabine.