Russlands nuklearer Schlachtkreuzer sticht nach 28 Jahren wieder in See
1997 war das letzte Mal, dass sich die Admiral Nachimow aus eigener Kraft im Meer bewegt hat. Jetzt sticht der atombetriebene Kreuzer wieder in See.
Aktuelle Fotos und Videos zeigen die Nachimow im Weißem Meer. Laut der russischen Nachrichtenagentur TASS ist das die erste Phase der Testfahrten, bevor sie nach fast 30 Jahren wieder einsatzbereit sein soll.
Extrem langer Umbau
Das ist auch das erste Mal seit fast 30 Jahren, dass der Zeitplan bei der Nachimow eingehalten wird. Im Februar, als die Reaktoren des Atomkreuzers wieder angeworfen wurden, wurden nämlich erste Testfahrten für Sommer 2025 angekündigt.
Dem ging eine lange Serie von Verschiebungen voraus. 1986 fand der Stapellauf statt, damals noch unter dem Namen Kalinin. Die Umbenennung zur Admiral Nachimow erfolgte 1992. Nach der letzten Fahrt 1997 wurde sie 1999 zu Wartung und Reparaturen in die Werft geschleppt.
Ein Bild der Nachimow aus dem Jahr 1991, als sie noch Kalinin hieß.
© US Navy
Dort passierte aber erstmal nichts. Nachdem die Nachimow eine Weile herumstand, wurde 2006 der Beschluss gefasst, sie umfangreich zu modernisieren. 2008 begannen die Arbeiten laut der russischen Marine, 2012 sollte der Kreuzer wieder einsatzbereit sein. Die Arbeiten dürften nicht mal richtig in Schwung gekommen sein: Im Dezember 2011 hieß es, sie wurden unterbrochen. Eine Fortsetzung sei sinnlos, bevor man sich nicht auf die genauen Arten der Modernisierung einigen könne.
Das war dann 2014 so weit. 2018 sollte das Kriegsschiff wieder Teil der aktiven Flotte werden. 2018 hieß es, dass die Umbauten bis 2021 dauern. 2019 wurde „Ende 2022“ daraus. 2 Jahre später sollte die Nachimow 2023 wieder in See stechen und 2022 wurde das auf 2024 verschoben. Im Juni 2024 kam zum ersten Mal die vorsichtige Ankündigung, dass Testfahrten im Sommer 2025 beginnen werden – was jetzt auch tatsächlich eingetreten ist. Die nächste und vielleicht finale Prognose: 2026 soll die Nachimow der russischen Marine übergeben werden, die sie dann wieder für Einsätze nutzt.
EIn Google-Earth-Bild vom 20. Juli 2024 zeigt die Arbeiten an der Nachimow
© Google Earth
Neue Kanone und Flugabwehrgeschütze
Das tatsächliche Ausmaß der Umbauarbeiten ist aktuell nicht bekannt. Anhand der Fotos sieht man aber etwa, dass das 130mm-Bordgeschütz des Typs AK-130 durch die modernere Variante AK-192M ausgetauscht wurde.
Ebenfalls sind auf den Fotos 6 Pantsir-M Flugabwehrsysteme für den Nahbereich zu sehen. Ursprünglich hieß es, dass die Nachimow 8 Stück bekommen soll. Jedes Pantsir-M kombiniert 2 6-läufige Maschinenkanonen AO-18KD im Kaliber 30mm mit 8 Luftabwehrraketen, einem Radar und elektro-optischer Zielerfassung.
Jedes Pantsir-M erkennt und bekämpft automatisch anfliegende Raketen und Drohnen. Die Raketen haben bis zu 20 km Reichweite, die Maschinenkanonen 5 km und eine kombinierte Feuerrate von bis zu 10.000 Schuss pro Minute. Ein Pantsir-M kann alleine bis zu 4 Ziele gleichzeitig bekämpfen. Mehrere Systeme können zu einer Batterie verbunden werden, die sich Ziele dann untereinander aufteilen.
Mehr Raketen als jedes andere Schiff
Das Kernstück der Modernisierung ist das Installieren vertikaler Startröhren (VLS). Ursprünglich war geplant, dass die Nachimow 174 VLS-Zellen bekommen soll. Ob das Upgrade wirklich so umgesetzt wurde, kann anhand der neuen Fotos nicht belegt werden. Falls es so ist, hätte der Atomkreuzer mehr Raketen an Bord als jedes andere Kriegsschiff der Welt.
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Zum Vergleich: Die Ticonderoga-Klasse, das sind Kreuzer der USA, die bald ausgemustert werden sollen, hat 122 Zellen. Die aktuellen Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, die das Rückgrat der US Navy bilden, haben 96 Zellen. Chinas Type 55 Zerstörer hat 112 Zellen.
Den meisten Platz werden die VLS-Zellen im Rumpf dort bekommen, wo zuvor 20 schräge Abschussvorrichtungen für die P700 Granit waren. Diese Antischiffsraketen wurden zwischen 1985 und 1992 hergestellt. Die maximale Reichweite wurde, je nach Version, auf bis zu 625 km geschätzt.
Sie konnte entweder mit einem 750 kg Hochexplosiv-Gefechtskopf bestückt werden oder mit einem Atomsprengkopf mit 500 kt Zerstörungskraft. Da die Raketen auch von U-Booten gestartet und nicht nur gegen Schiffe, sondern auch gegen Landziele eingesetzt werden konnten, waren sie Teil der sowjetischen Nuklearstrategie.
Hyperschallraketen und Luftabwehrraketen
78 der geplanten 174 Zellen sollen für moderne Marschflugkörper genutzt werden. Dazu gehören die Kalibr, Oniks und auch die Hyperschallrakete Zirkon.
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Die Nachimow hätte eigentlich das erste Schiff sein sollen, dass die Zirkon erhält. Aufgrund der zahlreichen Verzögerungen wurde die Rakete aber in der Zwischenzeit auf zumindest einer Fregatte der Admiral-Gorschkow-Klasse stationiert. Die Reichweite der Rakete, die gegen Schiffe und Landziele eingesetzt werden kann, wird auf über 1.000 km geschätzt, die maximale Geschwindigkeit auf Mach 9 (11.000 km/h).
Die übrigen 96 Zellen sollen für weitreichende Luftabwehrraketen genutzt werden. Am wahrscheinlichsten wird hier das System S-300FM eingesetzt, dessen Raketen eine Reichweite von 150 km haben. Dabei handelt es sich um die Schiffvariante des Luftabwehrsystems S-300.
Gerüchten zufolge könnte auch eine Schiffsvariante des leistungsstärkeren Systems S-400 genutzt werden. Die übliche Landversion verschießt Raketen mit einer Reichweite von bis zu 400 km. Dies würde der Nachimow höhere Chancen geben, ballistische Raketen abzuwehren.
140.000 PS
Ob auch das Antriebssystem der Nachimow überarbeitet wurde, ist nicht bekannt. Der Kreuzer nutzt ein kombiniertes System, bei dem die 2 Dampfturbinen jeweils mit einem Reaktor und mit einem Öl-Heizkessel verbunden sind. Dadurch kann der Kreuzer, trotz seiner Länge von 251 Metern, 59 km/h schnell fahren.
Um die dafür nötigen 140.000 PS nur mit Kernenergie zu produzieren, wären 4 oder 6 Reaktoren nötig gewesen. Diese Möglichkeit wurde bei der Designphase des Schlachtkreuzers überlegt, aber wegen Sicherheitsbedenken verworfen.
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Größtes Schlachtschiff der Welt
Mit einer Verdrängung von 28.000 Tonnen ist die Nachimow das aktuell größte aktive Schlachtschiff der Welt. Das liegt auch daran, dass Kreuzer, die von der Größenordnung nur hinter Flugzeugträgern und amphibischen Landungsschiffen liegen, aus der Mode gefallen sind. Mit dem Aufkommen von VLS und leistungsstärkeren Marschflugkörpern waren die riesigen Schlachtkreuzer nicht mehr nötig und wurden in fast allen Flotten der Welt durch Zerstörer ersetzt.
Auch nukleare Antriebssysteme für Schlachtschiffe haben sich nicht durchgesetzt. Neben der Nachimow gibt es nur noch ein weiteres Schiff weltweit, das in diese Kategorie fällt: die Pjotr Weliki.
Die Pjotr Weliki wird im Ärmelkanal von der britischen HMS Dragon (Hintergrund) verfolgt.
© Royal Navi
Sie gehört, genau wie die Nachimow, zur Kirow-Klasse. Die anderen 2 Schiffe der Kirow-Klasse sind inaktiv. Rüstungsexperten gehen davon aus, dass die Weliki außer Dienst gestellt wird, sobald die Nachimow wieder einsatzbereit ist. Die US Navy hat ihre Kreuzer mit Atomantrieb in den 90er-Jahren außer Dienst gestellt.
Atomreaktoren findet man stattdessen derzeit auf Flugzeugträgern, U-Booten und Eisbrechern. Die russische Sevmorput ist zudem das letzte aktive Frachtschiff mit nuklearem Antrieb.
Frachtschiff Sevmorput
© APA/AFP/Russia's state nuclear agency Ro/ATOMFLOT / ATOMFLOT