Wie Software Seheingeschränkten im Arbeitsalltag hilft
Für viele Menschen sind Videokonferenzen in den vergangenen Jahren zum Alltag geworden. Besprechungen, Präsentationen, Seminare oder einfach kurze Gespräche mit Kolleg*innen oder Bekannt*en werden über Programme wie Zoom, Teams oder Skype abgehalten. Dabei wird oft vorausgesetzt, dass alle Menschen die Technologie gleich gut nutzen können.
Vergessen wird dabei, dass es Personen gibt, deren Seheinschränkungen sie an der aktiven Teilnahme an solchen Videocalls hindern können. „Einige Menschen mit Sehbehinderung können Gesichter nicht immer scharf sehen und haben deshalb Probleme dabei, Mimik zu erkennen. Das ist im persönlichen Gespräch immer einfacher als auf einem flachen Bildschirm. Es ist aber wichtig, dass man auf sein Gegenüber eingehen kann“, erklärt Christian Vogelauer von Projektleiter bei der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs.
Hilfsmittel VEDTool
Zusammen mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) und mit der Förderung aus dem Digifonds der Arbeiterkammer haben sie deshalb das VEDTool (Visually Enhanced Digital Workplace Tools) entwickelt. Die Software bietet seheingeschränkten Menschen einfache, aber mächtige Hilfsmittel an die Hand, um die Arbeit mit dem Computer einfacher zu gestalten.
Das Tool bedient sich bei bekannten Algorithmen zur Bildbearbeitung. „Macht man Kontrastadaptionen oder verstärkt Kanten in unterschiedlicher Intensität, können Menschen mit Seheinschränkungen davon profitieren, weil sie mehr Details erkennen und Gesichter oder Text besser sehen“, erklärt Andreas Sackl, der am Center for Technology Experience des AIT an benutzerfreundlichen Technologien arbeitet.
Einfache Bedienung und Integration
Die Software kann recht simpel, wie ein Plug-in, auf Firmencomputern oder für Privatanwender*innen in ein bestehendes Betriebssystem oder eine bestehende Software integriert werden. Es ist damit für alle Arbeitsbereiche anwendbar und nicht exklusiv auf ein bestimmtes Programm zugeschnitten. Das erweitert die Anwendungsgebiete über Videokonferenzen hinaus.
Die Bedienung soll intuitiv und benutzer*innenfreundlich gehalten werden. So kann man mit der Maus oder Tastatur Helligkeit, Graustufen oder Sättigung ganz individuell einstellen, oder das Bild Invertieren, also Farben umzukehren. Das hilft oft, um Text besser lesen zu können. Auch ein eigenes Kontrollpanel mit Tasten und Drehreglern kann dafür verwendet werden.
„Es ist wichtig, dass die Filter sich individuell einstellen lassen, weil sich Situationen ja auch im Laufe der Zeit ändern und alle Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben“, erklärt Sackl. Auch die örtlichen Gegebenheiten – etwa ob der Raum, in dem man gerade arbeitet, besonders hell oder dunkel ist – verlangen solche Adaptionsmöglichkeiten.
Inklusiveres Arbeiten
„Wir haben bei unseren Tests gesehen, dass die Wahrnehmung der Gesichtsausdrücke und Emotionen sich verbessert hat. Die Menschen haben sich dadurch auch deutlich wohler gefühlt“, sagt Vogelauer. Auch bei der Arbeit mit digitalen Whiteboards, die häufig bei Besprechungen und für Präsentationen eingesetzt werden, kann so für ein inklusiveres Setting gesorgt werden. „Das bedeutet für Menschen mit Beeinträchtigungen, dass gewisse Jobs und Partizipation erst möglich werden“, so Vogelauer.
Die soziale Komponente und dass man sich mit dem Umgang mit Menschen mit Behinderungen auseinandersetzt, ersetzten solche digitalen Hilfsmittel und Werkzeuge aber nicht, erklärt er. Führungskräfte und Mitarbeiter*innen müssten in andere Lebenswelten eintauchen und eine Sensibilisierung für die andere Lebenssituation aufbauen. „Österreich ist hier in einer sehr positiven Lage, weil man in diesem Umfeld sehr aktiv ist. Mit solchen Tools schafft man Möglichkeiten, einen Talentpool anzusprechen und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsprozess zu bringen. Das ist international nicht Standard und damit kann man qualifizierte Fachkräfte bekommen.“
Die Entwicklung des VEDTools wurde Ende 2021 abgeschlossen und ein erprobter Prototyp soll jetzt zum Einsatz kommen. Dafür werden bereits Gespräche mit interessierten Unternehmen geführt.
Disclaimer: Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen der AK Wien und der futurezone.