
Roboterarme statt Muskelkraft für Riesen-Solarfarmen
Weltweit wurden im Jahr 2023 nach Angaben der International Renewable Energy Agency (IRENA) neue Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 350 Gigawatt gebaut, alle Anlagen zusammen erzeugten etwa 1.600 Terrawattstunden Strom. Das entspricht aber laut Internationaler Energieagentur (IEA) lediglich 5,4 Prozent im weltweiten Gesamt-Strommix. Zum Vergleich: Österreich verbraucht gut 60 Terrawattstunden Strom im Jahr.
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Damit die internationalen Klimaziele bis 2030 erreicht werden, muss der jährliche Solarausbau noch drastisch gesteigert werden. Das US-amerikanische Start-up Charge Robotics will das mit einer neuen Installationsmethode wesentlich vorantreiben. Das Unternehmen entwickelt unter dem Titel Sunrise Fahrzeuge, die das Aufstellen von großen Solarfarmen größtenteils automatisieren und beschleunigen sollen.
Roboterarme statt Muskelkraft
Statt Bauteile mit viel Personal händisch zusammenzusetzen, übernimmt das die „Mini-Fabrik“ – direkt an Ort und Stelle der zukünftigen PV-Anlage. Lediglich die Metallpfähle und Fundamente müssen schon vorhanden sein, da Sunrise diese nicht in den Boden treiben kann.
Die Fertigungsanlage auf Rädern enthält Roboterarme, die die Solarpaneele zusammenschließen, sowie Stahlschienen und Befestigungselemente anbringen. Jedes so zusammengesetzte Modul misst etwa 12 Meter und wiegt gut 360 Kilogramm.
Ein autonomes Fahrzeug bringt die fertigen Module an ihren endgültigen Standort, sodass sie unter menschlicher Aufsicht montiert werden können. Das System funktioniert laut Charge Robotics mit den in den USA gängigen Bauteilen und Paneel-Größen.
Idee aus der Medizintechnik
Die Charge Robotics-Gründer Banks Hunter und Max Justicz haben beide am renommierten MIT Maschinenbau studiert. Hunter hatte 5 Jahre lang für ein Medizintechnik-Start-up gearbeitet, bevor er sich 2021 mit seinem ehemaligen Studienkollegen selbstständig gemacht hat.
„Wir schätzen den Klimawandel als das größte Problem ein, das die meisten Menschen auf der Welt betrifft. Wir dachten uns, wenn wir alles bauen können, dann sollten wir schon etwas bauen, das wirklich wichtig ist“, erzählt Hunter gegenüber MIT News. Weil Solarenergie aktuell schneller günstiger wird als jede andere Energieproduktionsform jemals zu vor, beschlossen die beiden, sich darauf zu konzentrieren.
Fachkräftemangel in der US-Solarbranche
In den USA werden laut offiziellen Zahlen von 2023 knapp 4 Prozent des gesamten Stroms von großen Solar-Farmen erzeugt, zum Beispiel in der Wüste von Nevada, Kalifornien oder Texas. Die Bedingungen für Monteure dort sind hart: sengende Hitze, Staub und schwere, repetitive körperliche Arbeit. Der Einsatz von Sunrise, zu dem auch ein autonomer Gabelstapler gehört, könnte ihren Alltag deutlich vereinfachen.
Die Mini-Fabriken könnten auch den Fachkräftemangel in der US-Solarbranche entschärfen, glaubt Hunter: „Wir können mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern viel größere Anlagen viel schneller bauen, indem wir einfach mehrere unserer Fabriken ausliefern.“
PV-Anlagen in Österreich viel kleinteiliger
„Wir haben keine so großen Solarparks wie in den USA, ich glaube nicht, dass solche Roboter bei uns helfen würden“, meint Vera Immitzer. Sie ist Geschäftsführerin von Photovoltaic Austria, der Interessenvertretung der heimischen Branche.
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Tatsächlich befinden sich laut neuesten Zahlen von 2023 86 Prozent aller PV-Anlagen in Österreich auf Dächern. Um diese zu errichten, sei viel händische Arbeit von verschiedenen Handwerkern, etwa Elektrotechnikern und Dachdeckern, notwendig, erklärt Immitzer.
In Österreich befindet sich der Großteil der Solaranlagen auf Dächern.
© APA/ROBERT JAEGER
In Zukunft mehr Solarfarmen auf freier Fläche
2023 wurden in Österreich neue PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von gut 2,6 Gigawatt gebaut, so konnten im selben Jahr insgesamt 6.395 Gigawattstunden Solarstrom erzeugt werden. Weil nicht alle Gebäude in Österreich für Dach-Solaranlagen genutzt werden können, müsse man im weiteren Ausbau auch zunehmend Richtung Freifläche gehen, heißt es seitens Photovoltaic Austria. Das Klimaschutzministerium erklärt, dass dabei Doppelnutzung, zum Beispiel Agri-PV oder Solaranlagen auf Supermarktparkplätzen, künftig eine bedeutende Rolle spielen wird.
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Die Interessenvertretung geht davon aus, dass in Zukunft die Hälfte des Solarstroms hierzulande von Anlagen in der Freifläche kommen muss, um die Klimaziele zu erreichen. Die politischen Rahmenbedingungen spielen dabei eine entscheidende Rolle: „Die Bundesländer müssen ernsthafte Energieraumplanung betreiben“, fordert Immitzer. Der derzeitigen und zukünftigen Nachfrage nach PV-Anlagen könne die Branche jedenfalls gut bewältigen, auch ohne Roboter-Unterstützung.