Was Verbote von Kurzstreckenflügen wirklich bringen
Die EU-Kommission hat Frankreich grünes Licht für eine Klimaschutzmaßnahme gegeben, die schon Anfang 2021 angekündigt wurde. Flüge auf Kurzstrecken, die auch von Zügen in weniger als 2,5 Stunden zurückgelegt werden können, sind künftig verboten. In anderen Ländern gibt es ähnliche Bemühungen, auch in Österreich. Doch welchen Nutzen für den Klimaschutz haben Kurzstreckenflugverbote wirklich?
12 Prozent weniger Inlandsflüge
In Frankreich wird erwartet, dass 12 Prozent aller Inlandsflüge unter das neue Verbot fallen. Von Paris kann man künftig u.a. nicht mehr nach Bordeaux, Lyon oder Nantes fliegen. An die Cote d'Azur wird man von Paris dagegen weiterhin mit dem Flugzeug reisen können. "Das ist ein riesiger Schritt für die Reduktion von Treibhausgasemissionen", lobt Verkehrsminister Clement Beaune die Maßnahme. Die EU-Kommission hat ihre Zustimmung dazu auf 3 Jahre befristet und wird 2025 evaluieren, ob sie beibehalten werden darf.
Salzburg - Wien nur noch per Zug
In Österreich gibt es ein ähnliches Verbot bereits seit 2020. Damals wurde die Austrian Airlines mit einem 600 Millionen Euro schweren Rettungspaket vor der Pleite bewahrt. Im Gegenzug zur Finanzspritze wurde die Auflage erteilt, Kurzstreckenflüge auf die Bahn zu verlagern, wenn die selbe Strecke in weniger als 3 Stunden bewältigt werden kann. Daraufhin strich Austrian die Verbindung Wien - Salzburg.
Die Strecke zwischen Wien und Graz, die man per Zug mehrmals pro Tag in 2:35 Stunden bewältigen könnte, wird allerdings weiterhin von Austrian angeboten. Laut Auskunft der Austrian Airlines müsse man hierbei auf die Verbindungszeit zwischen dem Flughafen Wien und Flughafen Graz achten. Die liege bei über 3 Stunden.
Außerdem könnten mit vorhandenen Zugverbindungen zwischen den Flughäfen keine Anschlussflüge zu den täglichen Stoßzeiten in der Früh und am Abend erreicht werden. Laut Austrian nützen über 99 Prozent der Passagier*innen von Graz nach Wien Anschlussflüge. Deshalb wurde die Einigung getroffen, dass die Flugverbindung erst 2028, nach der Fertigstellung der Eisenbahntunnel unter Semmering und Koralm, gestrichen wird. Genauso wird es dann keine Flüge mehr zwischen Wien und Klagenfurt geben.
Umsteigen stattdessen in München
Ein generelles Kurzstreckenflugverbot ist in Österreich nicht in Sicht. Allerdings seien die Strecken innerhalb Österreichs für Konkurrenten der Austrian Airlines nicht attraktiv, sagt Luftfahrtexperte Kurt Hofmann zur futurezone. "Die einzige Strecke, mit der man Geld verdienen könnte, ist Wien - Innsbruck. Niki hat die Strecke bedient, aber nicht lange. Ryanair hat sich das überlegt, hatte aber dann doch kein Interesse."
Wie groß die Emissionseinsparungen durch den Wegfall der Flüge zwischen Wien und Salzburg sind, lässt sich nicht genau sagen. Laut Hofmann wählen viele Passagier*innen den Zug, wenn es ihnen um eine direkte Verbindung gehe. Ein anderes Thema sei der Umsteigeverkehr. Wer früher von Salzburg nach Wien geflogen ist, um dort auf einen internationalen Anschlussflug umzusteigen, der wähle heute meistens Flüge von Salzburg nach München oder Frankfurt, um selbiges zu tun. Nur rund 20 Prozent der Fluggäste, die früher von Salzburg nach Wien geflogen sind, seien zu regelmäßigen Zugfahrer*innen geworden.
EU-weites Verbot gefordert
In Deutschland sind unterdessen viele Kurzstreckenverbindungen auf Druck von Politik und Gesellschaft ohne gesetzliches Verbot von Fluglinien aus dem Programm genommen worden. Europa sei laut dem Luftfahrtexperten eigentlich in der glücklichen Lage, über hervorragend ausgebaute Eisenbahnnetze zu verfügen. Trotz der Existenz guter Alternativen gebe es in vielen Ländern stark frequentierte Inlandsrouten.
Ein Beispiel sei etwa die Verbindung Madrid - Barcelona. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug benötige man nur 3 Stunden zwischen den Städten. Fliege man, komme man inklusive den Wegen auf den Flughäfen ähnlich lange. Dennoch wird viel geflogen. "Ein paar strategische Inlandsflüge braucht man, um ein Flughafen-Drehkreuz zu bedienen."
Umweltschutzorganisationen ist das ein großer Dorn im Auge. Greenpeace hat die EU im Vorjahr dazu aufgerufen, sämtliche Kurzstreckenflüge innerhalb Europas, für die es alternative Zugverbindungen von unter 6 Stunden gebe, zu verbieten. "Dass die EU-Kommission das französische Verbot genehmigt hat, ist erfreulich, aber unsere Forderung geht wesentlich weiter", sagt Herwig Schuster von Greenpeace Österreich. "Es ist klar, dass man die Passagier*innen mancher Flugstrecken nicht von heute auf morgen in den Zug setzen kann, aber schrittweise müssen Kurzstreckenflüge verschwinden."
Bessere Verknüpfung notwendig
Ausschlaggebend für das Funktionieren eines Umstiegs sei die bessere Verknüpfung von Flug- und Eisenbahnverkehr. Das sieht auch Hofmann so: "In Wien funktioniert das nicht so schlecht, aber es gibt noch Verbesserungsmöglichkeiten." Auf vielen schweizerischen Bahnhöfen gebe es etwa Check-In-Schalter, wo Flugpassagier*innen schon vor einer Zugfahrt zu einem Bahnhof ihr Gepäck abgeben könnten - ähnlich wie beim City Airport Train (CAT) zwischen Wien Mitte und Flughafen.
Geringer Anteil am Treibstoffverbrauch
Wieviel ein Wegfall von Kurzstreckenflügen dem Klima bringen würde, dazu gibt es konkrete Zahlen. Ein 3-köpfiges europäisches Forscher*innenteam hat im Oktober 2022 eine Studie über die Auswirkungen von Verboten solcher Flüge im Fachmedium Journal of Transport Geography veröffentlicht. Flüge bis zu 500 Kilometer machen 28 Prozent der Flüge in Europa aus, allerdings verbrennen sie nur 5,9 Prozent des Treibstoffs. Im Gegenzug dazu machen Langstreckenflüge über mehr als 4.000 Kilometer nur 6,2 Prozent aller Flüge aus, verbrennen aber 47 Prozent des Treibstoffs. Die Ergebnisse decken sich mit jenen anderer Untersuchungen, etwa von Eurocontrol.
Laut den Forscher*innen sei das Verbieten von Kurzstreckenflügen ein sinnvoller und logischer erster Schritt, um Klimaziele zu erreichen. Die Reduktion der Emissionen werde dabei aber übertrieben. Eine deutlich größere Klimaschutzwirkung könne man erzielen, wenn man Langstreckenflüge behandle, entweder indem man Reisen auf andere Verkehrsträger verlagere, sie überhaupt vermeide oder Technologien dafür verbessere.
Laut Herwig Schuster seien solche Zahlen mit Vorsicht zu genießen: "Wenn es darum geht, wieviel CO2-Emissionen pro Passagierkilometer verbraucht werden, sind Kurzstreckenflüge ganz oben." Gerade beim Start von Flugzeugen werde viel Treibstoff verbrannt. Starts zu vermeiden, bringe also eine größere Reduktion, als es der gesamte Treibstoffverbrauch während des Fluges suggeriere.
Elektrisch fliegen möglich, aber kein Geld
Bei den neuen Technologien, die Luftfahrtemissionen reduzieren sollen, stehen in der Branche nachhaltige Flugtreibstoffe (sustainable air fuels, SAFs) auf Platz eins. Pläne, die Luftfahrt mit SAFs sauberer zu machen, gebe es laut Hofmann weltweit. "Aber noch gibt es zu wenig davon und sie sind sehr teuer. Da muss sich noch einiges verändern." Gerade für Kurzstreckenflüge seien Flugzeuge mit Elektroantrieb eine aussichtsreiche Option. "Fluglinien in Norwegen werden die ersten sein, die elektrisch fliegen. Die Distanzen dort sind nicht so groß", prophezeit Hofmann.
Flugverbindungen mit Elektrofliegern seien auch in Österreich denkbar. "Man könnte das zwischen Wien und Graz oder Wien und Innsbruck machen." Konkrete derartige Pläne gebe es aber seines Wissens noch nicht - und Geld dafür sei wahrscheinlich auch keines vorhanden. Laut Austrian Airlines sehe man alternative Antriebe sehr wohl als Option, die man sich "anschaue". Zunächst einmal habe man sich darauf festgelegt, den Umstieg von Flugzeug auf Bahn zu fördern. Für Kurzstreckenverbindungen seien Technologien wie Elektroantrieb, Wasserstoff und vor allem SAFs aber sehr interessant.