Wie Wasserstoff die Luftfahrt sauberer machen könnte
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An mehreren Orten weltweit wird intensiv an der Entwicklung von Flugzeugen gearbeitet, die Wasserstoff als Treibstoff verwenden. Während Wasserstoff im Energiesektor große Chancen prophezeit werden, sind viele Experten skeptisch, ob das leichteste Element für die Luftfahrt wirklich sinnvoll ist. Zu dieser Ansicht bewegt sie vor allem das Problem der Energiedichte (siehe unten). Unternehmen wie H2FLY oder ZeroAvia lassen sich davon nicht beirren und treiben ihre Vision von Wasserstoffflugzeugen voran.
Kein Kohlendioxid
„Das Fliegen bedeutet eine unglaublich wichtige Chance für die Menschheit – heute leider auf Kosten unseres Planeten. Die Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie bietet uns die Möglichkeit, dass Regionalflüge vollständig CO2- und Stickoxid-frei werden. Diese Technologie ist bereits heute verfügbar“, sagt Josef Kallo, CEO von H2FLY. Das deutsche Unternehmen hat bereits einige Erfahrung auf dem Gebiet.
2016 startete das viersitzige Testflugzeug HY4 zum ersten Mal. Es besitzt zwei große Wasserstoffdrucktanks, die Brennstoffzellen versorgen. Darin reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff, wobei Strom entsteht, der in einen Elektromotor für einen Propeller fließt. Statt Abgasen tropft reines Wasser aus dem Motor. Weder Kohlendioxid noch sonstige Schadstoffe werden im Betrieb erzeugt. Wird der Wasserstoff auch noch aus erneuerbaren Quellen gewonnen, etwa durch Elektrolyse von Wasser mittels Solarkraft oder Gezeitenkraft, kann dies einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Luftfahrt leisten.
Sichere Bauweise
Mit HY4 wurden bislang über 70 Testflüge durchgeführt. Das Flugzeug wurde währenddessen ständig verbessert, erzählt Kallo der futurezone. „Wir haben nun 30 Prozent mehr Leistung an Bord, aber was viel wichtiger ist: Wir haben das gesamte Antriebssystem redundant ausgelegt.“ Das Flugzeug sei somit besonders gut gegen Ausfälle geschützt. Von Kritikern oft vorgebracht wird der Sicherheitsaspekt, schließlich könne ein undicht gewordener Tank zur Bombe werden. „Solange man sich an die Wartungsintervalle hält, ist das überhaupt kein Problem“, sagt Kallo. „Ein Kerosintank muss auch gewartet werden.“
Anfang Juli gab H2FLY bekannt, gemeinsam mit dem Flugzeughersteller Deutsche Aircraft ein 40-sitziges Flugzeug vom Typ D328 eco mit einem Wasserstoffantrieb ausstatten zu wollen. 2025 soll der Regionalflieger erstmals mit flüssigem Wasserstoff an Bord abheben. Der Umbau des bereits vorhandenen Flugzeugtyps wäre der nächste große Entwicklungsschritt. Ähnlich will es auch das kalifornische Start-up ZeroAvia angehen. 2023 will es ein Wasserstoffflugzeug mit 20 Sitzen starten.
Kabine im Flügel
Danach soll es noch revolutionärer werden: „Wir müssen uns über die Platzierung von Tanks neue Gedanken machen. Die Konzeption eines Flugzeugs muss dafür komplett anders aussehen. Ich denke da etwa an einen ,Blended Wing Body’.“ Genauso sieht das auch Airbus. Der große Flugzeughersteller bastelt an Wasserstoffflugzeugen namens ZEROe. Auch seine langfristige Vision ist ein Flugzeug, bei dem Passagierkabine und Flügel miteinander verschmelzen.
Wasserstoffflugzeuge scheinen also selbst für Industriegrößen eine sinnvolle Option zu sein. Unterdessen gibt es aber starke Tendenzen, Kerosin künftig durch sogenannte „Sustainable Aviation Fuels“ (SAF) zu ersetzen. Zu diesen zählen etwa Biotreibstoffe oder E-Fuels. Der Vorteil, den sie bieten: Vorhandene Flugzeugtriebwerke können sie ohne größere Anpassungen verwenden. Man ersetzt also nur den Treibstoff, nicht das ganze Flugzeug.
Knackpunkt Energiedichte
Wasserstoff enthält eigentlich mehr Energie pro Masseneinheit als Kerosin. Das Problem ist, dass Wasserstoff bei normaler Lufttemperatur viel Platz benötigt. Die Energiedichte ist deshalb um einiges geringer. Kurz gesagt: Sind die Tanks gleich groß, kommt man mit Kerosin weiter als mit Wasserstoff. Das leichteste Element der Erde ist extrem flüchtig und muss entweder in Gasform in speziellen Drucktanks hochgradig komprimiert werden, oder es wird auf -253 Grad Celsius abgekühlt und in flüssiger Form gespeichert.
Flüssig sinnvoller
H2FLY erachtet Letzteres langfristig als sinnvoller. Die Energiedichte soll dadurch 70 Prozent von jener von Kerosin erreichen. Drucktanks für gasförmigen Wasserstoff sind relativ klobig und schwer. Mit der Verflüssigung soll man auch hier Verbesserungen erzielen. „Das Gewicht von Wasserstoff plus Tank ist dann ungefähr fünf Mal leichter“, sagt H2FLY-CEO Josef Kallo. Die Kühltechnik ist offenbar leicht genug, um wesentlich dünnere Tankwände zu ermöglichen. Bevor der Wasserstoff in die Brennstoffzelle geleitet wird, wird er bei normaler Lufttemperatur verdampft. „Wir verdampfen exakt die Menge, die der Antrieb benötigt.“
Werden Wasserstoffflugzeuge tatsächlich für Passagierflüge eingesetzt, bedarf es einer gänzlich neuen Infrastruktur auf Flughäfen. Kallo: „Wir brauchen definitiv Flüssig- wasserstofftanks. Für die Nutzung müssen ganz genaue Umgangsregeln definiert werden.“
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