Starökonom Piketty: KI basiert auf Diebstahl geistigen Eigentums
Der französische Ökonom Thomas Piketty ortet massive Versäumnisse der Politik im Umgang mit Künstlicher Intelligenz. "Das große Problem ist derzeit, dass Künstliche Intelligenz auf einem gigantischen Diebstahl geistigen Eigentums beruht", sagte Piketty im Gespräch mit der APA. Er kritisiert die Konzentration der Kontrollrechte bei wenigen privaten Unternehmen, fordert die vollständige Offenlegung von Computercode und Quellen und plädiert für mehr demokratische Handhabe.
Ignorieren von Quellen "völlig verrückt"
"Im Grunde genommen verwendet man alles, was Menschen in Büchern und im Internet geschrieben haben. Man macht daraus eine Synthese, indem man seinen Algorithmus bittet, die einzelnen Teile zusammenzufügen", erklärte der Ökonom. "Und man muss nicht öffentlich sagen, welche Quellen man benutzt hat. Das ist reiner Diebstahl."
Auch bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz müsse man das geistige Eigentum anderer respektieren und sich an die Gesetze halten, die es schützen, findet Piketty. "Man kann nicht so tun, als hätte man einen ganzen Diskurs erfunden, nur weil man einen Algorithmus erfunden hat, der alles zusammenfügt." Das sei "völlig verrückt".
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Regierungen werden Zustand nicht mehr dulden
"Ich bin kein großer Fan des ewigen Urheberrechts", ergänzte Piketty. "Aber es (der Umgang mit Künstlicher Intelligenz, Anm.) muss in demokratischen Versammlungen gemeinsam entschieden werden und wir sollten eine offene demokratische Debatte führen." Das sei derzeit schlicht unmöglich, weil alles geheim sei - vom Code über die Quellen bis hin zu den Eigentums- und Kontrollrechten.
Dass die Regierungen diesen Zustand dulden, werde sich aber bald ändern, ist sich Piketty sicher. "Aber allein die Tatsache, dass wir das in den letzten Jahren zugelassen haben, ist ein unglaubliches Zeugnis dafür, dass wir in einer Zeit leben, in der wir eine Art Sakralisierung des kapitalistischen Privateigentums haben, die jenseits aller Vorstellungskraft liegt", sagte der Ökonom, der 2014 mit seinem 800-Seiten starken Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" einen Weltbestseller landete.
Open Source hilft Innovation
Piketty fordert eine rasche Offenlegung der Algorithmen und der Computercodes, auf denen die Anwendungen der Künstlichen Intelligenz basieren. Wenn der Code offen liegt, also von Menschen verändert und weitergegeben werden kann ("Open Source"), würde die Gesellschaft nicht nur von mehr demokratischer Kontrolle, sondern auch von mehr Innovation profitieren, sagt Piketty, der am Mittwoch in Wien mit der Oskar-Morgenstern-Medaille ausgezeichnet wurde.
"Es gibt viele Menschen auf der Welt, die sich ein Wirtschaftssystem wünschen, das auf Open Source und Innovation basiert und in dem es nicht nur darum geht, Eigentumsrechte an den Erfindungen anderer zu erwerben. Ihr Ziel ist es, wirklich zu erfinden und nicht die Erfindungen anderer zu stehlen."
Einblick in die Entstehung einer KI
Die Europäische Union arbeitet seit mehr als zwei Jahren an einer Regulierung für Künstliche Intelligenz. Es ist der weltweit erste umfassende Regulierungsversuch dieser Art und soll noch in diesem Jahr endgültig verabschiedet werden. Geht es nach Piketty, sollten nationale Regierungen nicht darauf warten, dass die EU das Problem löst.
Die Regierungen sollten sich schon jetzt dafür einsetzen, dass "der Algorithmus und die Quellen der Rohdaten, die in den Algorithmus einfließen, vollständig offengelegt werden, damit wir uns ein unabhängiges Urteil über die Zuverlässigkeit des Algorithmus bilden und gegebenenfalls Urheberrechte geltend machen können."