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HP Omen Citadel im Test: Gaming Chair als günstiger Bürostuhl

Für manche ist das Homeoffice schwer zu ertragen. Für andere ist es ein wahrer Segen: Kein tägliches Pendeln, keine „Kollegen“, die trotz Rauchverbaut im Haus qualmen und der Kaffee ist aus der eigenen Maschine auch besser.

Doch selbst wenn der Kaffee genießbar und der eigene Rechner schneller als im Büro ist: Irgendwas passt am Ende des Heim-Arbeitstages nicht. Es beginnt mit einem leichten Ziehen und geht hin bis zu einem stechenden Schmerz: Der Rücken ist beleidigt.

Teure Bürostühle

Der Schuldige ist ein oft übersehenes Detail im Homeoffice: der Bürostuhl. Während gute Arbeitgeber bemüht sind, alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten, hat man zuhause wenig Anreiz Geld in teure Büromöbel zu stecken – bis man 8 bis 10 Stunden am Stück von zuhause aus arbeitet.

Die Kosten für gute Bürostühle beginnen bei 500 Euro und pendeln sich meist zwischen 800 und 1.000 Euro ein. Sie zeichnen sich durch verstellbare Höhe, verstellbare Rückenlehne, höhen- und seitenverstellbare Armstützen, verstellbare Kopf- und Wirbelsäulenstütze, verstellbare Rückenlehne und eine Wippmechanik mit Sperre und Einstellung für den Widerstand aus.

Alternative: Gaming Chair

8 Hersteller, ein Gaming Chair. Immerhin haben ein paar davon ein Beinstützen-Upgrade

Wer keine 800 Euro für ein Arbeits-Möbelstück für das Homeoffice ausgeben will, aber trotzdem bequemer sitzen möchte, kann sich bei Gaming Chairs umsehen. Diese Spielesessel gibt es bereits ab 100 Euro – obwohl sie nahezu eine identische Ausstattung zu teuren Bürostühlen haben.

Der günstige Preis wird erreicht, indem beim Material und den Verstell-Mechanismen gespart wird. Außerdem wird man beim Online-Shopping schnell feststellen, dass fast alle Gaming-Sessel gleich aussehen. Es handelt sich dabei um ein OEM-Produkt, das für die jeweiligen Marken angepasst wird. Das spart wiederum Design- und Entwicklungskosten.

Auch der HP Omen Citadel Spielestuhl ist einer davon. Mit 349 Euro gehört er schon zur Luxusvariante dieser Stühle. Andere Vertreter dieses Sessels findet man auf Amazon, etwa als:

Und dann gibt es noch die Gimmick-Ableger davon, wie eine Version mit „Kühlkissen“ um 220 Euro, eine mit eingebauten Lautsprechern um 180 Euro oder eine mit LED-Lichtern um 230 Euro.

Fast dezent

Der HP Citadel verzichtet auf solche Gimmicks. Ein weiterer Verzicht ist sogar als Vorteil zu sehen. Das Design ist, im Gegensatz zu den Spielesesseln der anderen Anbieter, fast schon dezent. Die rote Zierfarbe wird angenehm sparsam eingesetzt. Lediglich der große, knallrote gestickte „OMEN“-Schriftzug am Nackenkissen ist ein bisschen zu auffällig.

Der eigentliche Grund, warum der HP-Stuhl teurer ist: Material und Polsterung. Der Citadel ist mit Kunstleder bezogen. Der Rückenpolster ist größer und ergonomisch sinnvoller geformt als bei anderen Gaming-Stühlen – und das ist schon sehr viel wert. Eine kleine Detailänderung ist noch die Form der Armlehnen. Diese sind weniger stark gebogen als bei den üblichen Spielesesseln, was für mich ebenfalls angenehmer ist.

Hier wurde gespart

Das macht den Citadel zwar besser als die anderen Stühle, die Grundfunktionen sind aber gleich. Und damit auch die Schwächen gegenüber einem 800 Euro teuren Bürostuhl.

Die großzügige Rückenstütze wird mit Gummibändern angeschnallt. So kann man sie rauf- und runterschieben. Das funktioniert, wirkt aber nicht so hochwertig wie bei einem Bürostuhl, der eine Schiebemechanismus dafür an der Rückseite verbaut hat. Ein weiter hineinschieben geht bei der HP-Rückenstütze natürlich nicht. Man kann sie nur ganz entfernen. Da man sie dann aber wieder einfädeln muss, ist ein schneller Wechsel zwischen Rückenstütze und keiner Rückenstütze nicht möglich.

Die Nackenstütze ist ebenfalls mit einen Gummiband gesichert. Wenn man sie montiert wie vorgesehen, ist sie für mich zu weit unten und drückt unangenehm in die Schultern. Man kann sie aber weiter oben um das Kopfteil schnallen. Sieht zwar nicht so hübsch aus, funktioniert aber.

Die Armlehnen sind in 4 Richtungen verstellbar, aber nur 2 davon sind mit Knöpfen gesichert. Das Verstellen nach vorne und hinten, sowie das Verdrehen zur Seite, ist ungesichert. Setzt man sich hin oder steht auf und gibt dabei die Hände an die Armlehnen, können die sich schnell und ungewollt verstellen.

Will man sich mit dem Kippmechanismus langsam nach hinten lehnen und hält sich dabei an den Armlehnen fest, können diese ruckartig nach hinten rutschen, wodurch man ebenfalls ruckartig nach hinten kippt. Das sorgt für einen Schreckeffekt. Glücklicherweise ist aber der Stuhl gut genug ausbalanciert, dass man nicht tatsächlich nach hinten überkippt – auch, wenn es sich kurz so anfühlt.

Der Hebel zum Verstellen der Rückenlehne geht streng und knackt sehr laut beim Einrasten. Die ersten paar Male hatte ich die Befürchtung, dass jetzt etwas kaputt ist. Nach 3 Wochen im Test funktioniert aber noch alles so, wie es sollte.

Zusammenbau

Bevor man all das erfahren kann, muss man den Stuhl erst zusammenbauen. Laut HP hält der Citadel bis zu 135kg aus. Mit fast 30kg ist er dann aber auch entsprechend schwer. Deshalb sollte man den Stuhl zu zweit zusammenbauen. Alleine geht es zwar auch, da aber schwere Teile gehalten werden müssen, empfiehlt sich Teamwork.

In gut 20 Minuten ist das erledigt. Es würde schneller gehen, wenn die beiliegende Beschreibung besser wäre. So kommen in der Beschreibung etwa die Beilagscheiben überhaupt nicht vor. Außerdem merkt man hier wieder, dass es ein OEM-Produkt ist. Die Bohrungen in den Metallbauteilen sind sehr großzügig ausgelegt, damit bei der potenziell ungenaueren Herstellung Spielraum für die Schrauben bleiben. Dennoch hat eine der 4 Schrauben für die Rückenlehne nicht gegriffen. Die Lösung war einen vernünftigen Schraubenzieher zu verwenden, statt dem mitgelieferten Tool, und reichlich Kraftaufwand.

Sitzhöhe

Man sitzt sehr hoch im Citadel. Grund dafür ist die dicke Polsterung. Mit meinem 1,85 Meter Körpergröße muss ich deutlich niedriger sitzen als bei anderen Bürostühlen, um die von Arbeitsplatz-Orthopäden empfohlene Ausrichtung der Oberschenkel (waagrecht oder nur leicht abfallend) einzuhalten.

Personen mit kürzeren Beinen, die ich testsitzen ließ, erreichten selbst in der niedrigsten Höhe nicht mehr den Boden mit den kompletten Fußsohlen. Eine Fußstütze oder ein Fußableger (wahlweise auch improvisiert, durch Bücher, dickes Kissen, etc) macht beim Citadel Sinn.

Vor dem Kauf sollte man den Schreibtisch ausmessen. In der niedrigsten Höhe des Stuhls und der Armlehnen braucht der Citadel 67 Zentimeter, um noch unter den Schreibtisch zu passen.

Sitz-Komfort

Die dicke Polsterung und der gut geformte Rückenpolster machen den Citadel sehr angenehm zum Sitzen. Die Gummibänder der Polster sitzen gut stramm, sodass sie in der Position bleiben, die man sich zurechtgerichtet hat.

Ein möglicher Nachteil dieses Typs von Gaming Chairs sind die Rennsessel-ähnlichen Flügel an den Seiten. Beim Gaming mit Maus und Tastatur macht das Sinn: Man will nicht herumwetzen, sondern in der Optimalposition verweilen. Beim Einsatz als Bürostuhl schränkt das aber die Bewegung nach links und rechts ein. Wer ein Sesselwetzer ist, wird keine Freude haben.

Außerdem muss man sich relativ präzise in den Stuhl setzen, um nicht mit Schultern oder Schenkeln anzuecken. Ein ermattetes Hineinfallenlassen ist nicht empfohlen. Und Manspreading spielt es aufgrund der seitlichen Stützen auch nicht. Wer gerne breitbeinig da sitzt (ob aus Überzeugung oder anatomisch bedingten Komfortgründen), sollte diese Art von Gaming-Sessel nicht kaufen.

Mit Wippfunktion und ganz zurückgestellter Lehne gehen sich zwar keine 180 Grad aus, man könnte aber dennoch eine Runde am Homeoffice-Arbeitsplatz dösen. Die Rückenstütze stört dabei überhaupt nicht und die Nackenstütze macht die Chill-Position angenehm. Auch in diesem Modus macht eine Fußstütze das Ganze noch bequemer. Dasselbe gilt auch, wenn man den Citadel als Couch-Ersatz nutzen will. Tief stellen, Lehne zurück, Fußstütze und vor dem TV abhängen.

Will man den Gaming Chair mit einem Konsolen-Controller nutzen, muss man etwas improvisieren. Die Seitenverstellung der Armlehnen geht nämlich nicht weit genug nach innen, um die Arme der vollen Länge nach aufzustützen, wenn man einen Controller hält. Man kann aber die Lehnen nach außen drehen. Dadurch ragt das hintere Ende mehr zum Körper. So kann man die Ellbogen relativ gut abstützen.

Fazit

Rein von der Ergonomie her kann ein Gaming Chair einen vollverstellbaren Bürostuhl ersetzen. Da aber fast alle Spielestühle im Preissegment unter 400 Euro dieselbe Grundform haben, muss einem diese Grundform liegen. Insbesondere die seitlichen Stützen, die ein wenig „Schalensitz light“ sind, dürfen einem nichts ausmachen. Mit einer Fußstütze kann ich mich sehr gut damit arrangieren. Ich hatte sogar das Gefühl es hilft mir, nicht zu sehr in eine ungewollte Lunger-Position zu verfallen.

Bleibt die Frage, ob der 349 Euro teure Citadel dem Preis gerecht wird, gegenüber Gaming Chairs, die das Gleiche können und die gleiche Form haben, aber 100 bis 200 Euro günstiger sind. Der geformte Rückenteil ist definitiv ein Plus: Als Rückenschmerz-geplagter Büromensch war es für mich sogar bequemer als ein teurer Bürostuhl mit verstellbarer Wirbelsäulenstütze. Auch das Kunstleder ist für mich ein Plus. Ein UVP von 299 Euro wäre meiner Meinung nach aber angemessener, als 349 Euro.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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