Artemis I: Das Nervensystem des Raumschiffs kommt aus Österreich
Der erfolgreiche Start der Mondmission Artemis I ist für die Amerikaner ein historisch bedeutender Moment. Doch wie fast alle Raumfahrtmissionen ist auch das ein Gemeinschaftsprojekt, das sich auf internationale Zusammenarbeit stützt. Beim Space Launch System (SLS), dem Orion-Raumschiff und der Bodenstation haben auch Firmen aus Österreich ihren Beitrag geleistet.
Leitungen aus Graz bringen den Treibstoff
Magna Steyr Aerospace fertigte am Standort in Graz Hochdruckleitungen für das Space Launch System. Diese wurden von Boeing in der 64,6 Meter großen und 8,4 Meter breiten Hauptstufe der Rakete verbaut. Hier befinden sich der flüssige Treibstoff aus Wasserstoff und Sauerstoff sowie die 4 RS-25-Antriebe, die damit versorgt werden.
2 Millionen Liter Wasserstoff und knapp 742.000 Liter Sauerstoff müssen durch Magnas Druckleitungen gepumpt werden, damit die insgesamt 2.600 Tonnen schwere Rakete abheben kann.
"Die Spannung vor so einem Event ist natürlich groß, schließlich stecken in so einem Projekt viele Jahre Arbeit und große Anstrengungen. Umso schöner ist es, wenn alles wunderbar funktioniert und die Mühen mit einem reibungslosen Start belohnt werden", beschreibt Armin Scheinost, General Manager Aerospace bei Magna Steyr, der futurezone das Gefühl nach dem gelungenen Start.
Sichere Datenübertragung
Auf der Spitze der Hauptstufe sitzt das Herzstück der Artemis-1-Mission: das Raumschiff Orion. Alle Komponenten der Raumkapsel sind mit einem Netzwerk verbunden. Die Technologie dazu kommt von der Wiener Firma TTTech Aerospace. Sie arbeitet bereits seit 2006 mit der NASA zusammen und liefert hier die Hardware für das „zentrale Nervensystem“ des Raumschiffs.
Die Anforderungen an die verbauten Komponenten sind dabei extrem hoch, teilt TTTech der futurezone mit. Sie müssen Temperaturen zwischen -40 und 80 Grad Celsius und hoher Strahlung standhalten, aber trotzdem platzsparend designt werden, um die Reise zum Mond und zurück zu überstehen.
Ein Netzwerk aus Wien für die Zukunft der Raumfahrt
Entstanden ist dabei die Netzwerktechnologie „TTEthernet“. Diese wurde 2019 zusammen mit der NASA für das SLS geschaffen, etabliert aber gleichzeitig einen neuen Standard für die Kommunikation in der Raumfahrt: der International Avionics System Interoperability Standard (IASIS).
Das ist ein einheitliches System, das auch für die geplante Mondstation „Lunar Gateway“ und die neue europäische Schwerlastrakete Ariane 6 zum Einsatz kommen wird. Der Standard ist verpflichtend für alle Raumfahrzeuge, die in Zukunft an der Mondmission beteiligt sind. So wird garantiert, dass alle Komponenten problemlos miteinander kommunizieren können, etwa wenn das Raumschiff an die Raumstation Gateway andockt.
Analysedaten ebenen Weg für bemannte Raumfahrt
Gebraucht wird die Wiener Netzwerktechnik aber schon jetzt. Denn während des Testflugs um den Mond analysieren die Wissenschaftler*innen am Boden permanent den Zustand des Raumschiffs und des European Service Module (ESM). Es treibt Orion an, steuert dessen Flug über seine 33 Triebwerke und reguliert die Temperatur.
Zukünftig versorgt es die Astronautinnen und Astronauten an Bord auch mit Wasser und Sauerstoff. Beigesteuert wurde das ESM von der Europäischen Weltraumagentur ESA. Über das TTTech-Netzwerk arbeiten ESM und Orion zusammen und senden Daten zur Erde.
Orion an Erde
Auch dort verhelfen Österreicher*innen der Artemis-Mission zum Erfolg. Die Expert*innen des Digital-Instituts der Johanneum Research haben einen Receiver entwickelt, mit dem eine riesige Antenne auf der Erde die Daten empfängt, die Orion sendet.
Der Empfänger aus Graz kommt bei der Bodenstation Goonhilly im Südwesten von England zum Einsatz. In der dienstältesten Erdfunk-Station der Welt verfolgt die 32-Meter große Deep-Space-Antenne GHY-6 mit dem Spitznamen „Merlin“ die Reise des Raumschiffs. In den nächsten Wochen werden dessen Signale Strecken von bis zu 448.000 Kilometern zurücklegen. Der Empfänger sorgt dafür, dass sie auch gehört werden.