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CO2 filtern und speichern: "Sehr energieaufwändig, wenig Akzeptanz"

Noch nie haben Energiewirtschaft und Industrie so viel CO2 ausgestoßen wie im vergangenen Jahr. Mehr als 36 Gigatonnen, also 36 Milliarden Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid, landeten 2021 in der Atmosphäre. Diese Mengen müssen sich drastisch verringern, um die 2015 festgelegten Pariser Klimaziele zu erreichen.

Eine Stellschraube wäre Carbon Capture und Storage (Kohlenstoffabscheidung und Speicherung, CCS). Anstatt CO2 in die Luft zu blasen, wird es aus den Abgasen von Industrie- und Energieanlagen herausgefiltert - Expert*innen sprechen von CO2-Abscheidung - und möglichst langfristig gelagert. Tobias Pröll, Professor für Verfahrens- und Energietechnik an der Universität für Bodenkultur, hat mit der futurezone über das Potential von CCS gesprochen.

futurezone: CO2-Speicherung in Norwegen ist gerade in aller Munde. Der Ministerpräsident hat angeboten, künftig das gesamte abgeschiedene CO2 Europas unter dem Meer zu speichern.
Tobias Pröll: Die CO2-Speicherung in der Utsira-Formation vor der norwegischen Küste wird schon seit mindestens 15 Jahren diskutiert und es gibt dort auch schon sehr lange ein Demoprojekt. Neu ist lediglich, dass der Premierminister nun die Aufmerksamkeit darauf gelenkt hat.

Dahinter steht die CCS-Technologie, die unter anderem als eine Lösung für den Umgang mit dem Klimawandel gesehen wird. Worum geht es dabei?
Im Prinzip ist die Idee beim CCS sehr einfach. Wir kennen das von anderen Luftschadstoffen, wie beispielsweise Schwefeldioxid. Das war in den 1980er-Jahren die Ursache für das Waldsterben. Das hat dann dazu geführt, dass die Politik verlangt hat, dass alle Anlagen, die Kohle verbrennen, Entschwefelungsanlagen installieren, damit es eben nicht in die Atmosphäre gelangt. 

Beim CCS wird in ähnlicher Weise gedacht: CO2 verursacht den Klimawandel, deshalb müssen wir es am Schornstein herausholen. Nur beim CO2 ist dieses Problem aus mehreren Gründen komplizierter. 

Und die wären?
Es geht hier um viel, viel größere Mengen. Das Schwefeldioxid aus den 80er-Jahren wird in Form von Gips abgelagert und mit den Mengen kann man umgehen. Aber beim CO2 sind das riesige Mengen. Hier bietet sich an, es in geologischen Formationen - ähnlich wie Erdgasfelder oder Erdölfelder - dauerhaft einzulagern. Dann sind wir beim Carbon Capture und Storage angelangt.

Wie weit verbreitet ist die Methode bereits?
In dieser Form gibt es CCS noch gar nicht. Es gib verschiedene Demonstrationsprojekte, die größten davon in Kanada und den USA. Dort wird zwar CO2 aus Abgas abgetrennt, das Kohlendioxid wird dann aber wieder zur Ölförderung verwendet. Es wird in Ölfelder eingebracht, um so mehr Öl zu fördern.

Wir blasen so viel CO2 in die Atmosphäre wie nie zuvor. Wieso ist CCS nicht viel weiter verbreitet?
Der Grund ist, dass CO2-Abscheidung sehr energieaufwändig ist. Anlagen, die Energie aus fossilen Energieträgern erzeugen, brauchen dadurch etwa 25 Prozent mehr Brennstoff, um damit die Abscheidung zu betreiben. Das geht natürlich für viele in die falsche Richtung.

Eine zweite Achillesferse sind die Speicherstätten. Nicht etwa wegen der Kosten, aber wegen der öffentlichen Akzeptanz. In Österreich ist es zum Beispiel ganz verboten und in Deutschland ist es Ländersache, aber faktisch auch verboten.

BECCS, also Bio Energy with Carbon Capture and Storage, verfeuert Biomasse für Strom und Fernwärme und fängt dabei das CO2 auf. Könnte das zumindest das Kostenproblem lösen?
Das sollte dann schon eine nachhaltig erzeugte Biomasse sein und nicht aus einer intensivlandwirtschaftlichen Kultur kommen. Wenn das aber Reststoffe sind oder Biomasse aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern, dann ist das ein Ansatz. Das wird in Schweden sehr viel diskutiert. Schweden hat sehr viel Biomassenenergie, speziell bei Strom und Fernwärme. Dort gibt es bereits Projekte, wo das CO2 abgeschieden wird und dann nach Norwegen gebracht und gelagert wird. Damit ist man CO2-negativ.

Das Verbrennen von Biomasse an sich ist ja CO2-neutral.
Die Biomasse nimmt CO2 aus der Atmosphäre auf und bei der Verbrennung würde das wieder in die Atmosphäre freigesetzt werden. Das wäre CO2-neutral, könnte man großzügig sagen. Trenne ich den Großteil des CO2 jetzt ab - 90 Prozent ist ein machbarer Wert - und lagere es permanent, ist es natürlich aus diesem Kreislauf draußen.

Wo liegt das Potenzial, das mit BECCS erreicht werden kann?
Insgesamt ist das weltweite Potenzial derzeit so, dass die nachhaltig verfügbare Biomasseenergie irgendwo bei 20 Prozent des gesamten Energieverbrauchs liegt. Global nutzen wir derzeit etwa 10 Prozent. Biomasse ist also nur ein Instrument im Orchester, aber man kann den Beitrag von BECCS auch nicht absprechen.

Was momentan stark gefördert wird, ist Direct Air Capture (DAC), also eine Technik, bei der man CO2 direkt aus der Luft abscheidet. 
Das ist immer noch zu teuer. Es gibt den Vergleich, dass die Preise von DAC ähnlich wie bei Photovoltaik fallen würden. Ich wäre mit solchen Vergleichen allerdings vorsichtig.

Wieso?
Der Grund ist, dass man bei DAC mindestens 3-mal soviel Energie benötigt als bei der Abscheidung aus dem Schonstein. In der Praxis ist es wahrscheinlich sogar das 10-fache. DAC zahlt sich nur dort aus, wo erneuerbare Energie fast gratis zur Verfügung steht. In Island gibt es sehr billige thermische Energie, da gibt es ein solches Projekt. Überall anders wäre es widersinnig. 

Dennoch wird DAC im IPCC-Bericht als mögliche Maßnahme gegen den Klimawandel erwähnt.
Wenn ich davon ausgehe, dass ich die Pariser Klimaziele bis 2050 erreichen muss, lebe ich in einer imaginären Welt, in der die Tonne ausgestoßenes CO2 300 oder 400 Euro kostet, in der wir unsere Volkswirtschaften weitestgehend schon dekarbonisiert haben. In einer derartigen Welt kann man darüber sprechen, ob wir nicht vielleicht auch DAC machen sollten. Aber in der Welt leben wir noch nicht. 

Auch in der Politik und Wirtschaft wird oft auf DAC verwiesen.
Das heute vorzuschlagen, das mag für Politiker attraktiv sein. Die sagen: “Das ist super, da holt jemand das CO2 aus der Atmosphäre und darum müssen wir jetzt nicht mehr tun.” Aber das wird es nicht spielen.

Die Firmen, die jetzt in DAC investieren und ihre CO2-Emissionen dadurch abschreiben, wissen, dass das gegen die Klimakrise vergleichsweise wenig bringt. Aber da ist wohl auch Marketing dabei in der Gesamtüberlegung.

Ist das also nur eine Ausrede für große CO2-Emittenten, um weiter CO2 auszustoßen?
Da darf man CCS und DAC nicht durcheinanderbringen. Wir haben Industriezweige, die sehr schwer dekarbonisierbar sein werden -  die Zementindustrie zum Beispiel. Dort bleibt uns fast nur CCS als Ausweg. Kompensation durch DAC ist für die wirklich großen Emittenten schlicht zu teuer, die werden wohl andere Maßnahmen vorziehen.

Von welchen Zeiträumen sprechen wir da? Bis 2050, wo wir unseren CO2-Ausstoß auf Null gebracht haben sollen, ist es nicht mehr lang.
Wenn wir es wirklich ernst meinen mit den Klimazielen, dann werden wir jetzt die Energieeffizienz steigern, erneuerbare Energien massiv ausbauen und in Stromspeichertechnologien investieren. Wenn wir dann Stromüberschüsse über längere Zeit produzieren, können wir auch über Wasserstoff und synthetisches Erdgas nachdenken. Aber das sehe ich noch nicht unmittelbar auf der Tagesordnung. Ziel ist zunächst, pro investiertem Euro so viel Klimawandellinderung wie möglich zu erzielen.

Und wo steht CCS?
Auf dieser Skala kommt dann nicht allzu spät CCS ins Spiel. Ab 100 bis 120 Euro Emissionspreis pro Tonne CO2 rechnet sich CCS betriebswirtschaftlich für die Firmen. Jetzt sind wir bei circa 90 Euro, also das kommt sehr bald. In anderen Ländern gibt es da außerdem schon wesentlich mehr Bewusstsein, bei uns in Österreich ist es aber in einem Dornröschenschlaf.

CO2-Speicherung ist in Österreich sogar verboten.
Ich denke nicht, dass jedes kleine Land auf der Welt seinen eigenen CO2-Speicher braucht. Es kommt ja auch das Erdöl nicht unbedingt aus Österreich. Auch der Transport wäre unproblematisch und relativ kostengünstig, verdichtet lässt sich CO2 wie Öl mit Schiffen und durch Pipelines transportieren.

Um Carbon Capture umzusetzen - wie damals bei den Maßnahmen gegen den sauren Regen - bräuchte es aber politische Vorgaben.
Die Umsetzung der Schwefeldioxidgrenzwerte war eine vergleichsweise einfache Übung. Die Energiewende, die es braucht, um kein CO2 mehr auszustoßen, hat eine ganz andere Dimension. Das gefährdet den Wohlstand ganzer Volkswirtschaften. Dazu braucht es schon wirtschaftspolitische Wunder. Aber realistischer ist leider, dass wir die Ziele nicht erreichen.

Was muss man tun, um die Ziele zu erreichen?
Wir brauchen Steuerungselemente, die wirksam sind. Die technologischen Lösungen liegen am Tisch. Was fehlt, ist das wirtschaftspolitische Motivationsgerüst. Da muss man die Bevölkerung auch mitnehmen. Wichtig wäre jetzt, dass wir die Maßnahmen nach Kosteneffizienz reihen: Energieeffizienz, Ausbau der erneuerbaren Energien - das sind “low hanging fruits”. 

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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