72 Millionen Euro für Forschung aus Österreich
Österreich gilt als Ski- und Kulturnation, auch beim Tourismus glänzt das Land in der Fremd- und Eigenwahrnehmung. Dabei haben sich international längst heimische Firmen und Forschungseinrichtungen einen Namen gemacht, die weniger mit Nostalgie, als mit technologischem Fortschritt und Erfindertum punkten können.
Elektrischer Schiffsmotor und Ohrimplantat
Eines dieser Forschungszentren, das erneut mit Fördermitteln aus dem COMET-Programm bedacht wurde, ist das Linz Center of Mechatronics (LCM). Es hat sich auf die digitale Produktentwicklung im Bereich Mechatronik und Automation spezialisiert. Als Erfolgsprojekte gelten etwa ein elektrischer Schiffsantrieb, der mit dem deutschen Technologiekonzern Voith entwickelt wurde, sowie ein Hörimplantat, das Menschen mit beschädigtem Außen- oder Mittelohr zu neuem Hörvermögen verhilft.
„Wenn man einen Schiffsmotor mit 3 Metern Durchmesser und 1,85 Megawatt bzw. 2.516 PS Leistung baut, kann man bei der Produktion nicht herumexperimentieren. Baupläne und Design müssen bereits beim ersten Mal perfekt passen“, erklärt Johann Hoffelner, wissenschaftlicher Geschäftsführer des LCM, im futurezone-Interview. In aufwendigen Computermodellen wird folglich vorab simuliert, wie die Einzelteile des komplexen Antriebs zusammenspielen.
Auch an Parametern wie Effizienz, Leistung und Produktionskosten könne auf diese Weise digital geschraubt werden. „Oft erreichen an den Unis erzielte Forschungsergebnisse nicht die Industrie. Wir übernehmen sozusagen die Brückenfunktion und stellen sicher, dass das Know-how anwendungsorientiert von der Industrie verwendet werden kann“, sagt Hoffelner.
Fahrzeugsimulator und Flüsterschiene
Ähnlich viel internationales Renommee wie LCM genießt das Grazer Forschungsunternehmen Virtual Vehicle, das sich auf die Virtualisierung von Fahrzeugen in der Automobil- und Bahnindustrie spezialisiert hat und mittlerweile auf 300 Personen gewachsen ist. Damit selbstfahrende Autos Realität werden können, testet Virtual Vehicle in einem Fahrzeugsimulator wie die Interaktion von Mensch und Fahrzeug ablaufen muss, damit die Insassen und andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden.
In einem anderen Projekt wird mit der Vorarlberger Materialfirma Getzner, ÖBB, SBB und Voestalpine an einer lärm- und erschütterungsarmen Weiche für den Bahnverkehr getüftelt. Zu Forschungspartnern zählen neben österreichischen Universitäten mittlerweile auch amerikanische Top-Unis, wie Stanford, Berkley oder das MIT.
So funktioniert das COMET-Programm
Im Krisenjahr 2020 wurden in Österreich erneut über 12 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Als Anreiz und Investitionssicherung für Unternehmen dienen dabei Forschungsinitiativen wie das COMET-Programm. Die Zentren werden von Klimaschutzministerium (BMK) und Wirtschaftsministerium (BMDW), Bundesländern, beteiligten Firmen sowie Forschungsorganisationen finanziert. Das Programm-Management erfolgt durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG.
Nach einer Zwischenevaluierung wurden drei Kompetenzzentren mit insgesamt 72 Millionen Euro Fördervolumen für die kommenden fünf Jahre bestätigt. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck lobte die Zentren als „Sprungbrett für Ideen“, deren Kompetenzen dem Wirtschaftsstandort Österreich zugute kommen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler wiederum bezeichnete Investitionen in Forschung und Innovation als beste Zukunftsversicherung für Arbeitsplätze und die Zentren als Vorreiter auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Wirtschaft.
Industrie und Forschung
Im COMET-Programm liegt der Fokus auf eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Industrie. Noch bis 16. November läuft die bereits 6. Ausschreibung für neue COMET-Zentren, für die Bundesmittel von über 54 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Sowohl existierende Zentren, als auch kleinere bestehende COMET-Projekte können sich dafür bewerben. Entschieden wird in einem Wettbewerbsverfahren.
Beim gerade erfolgreich evaluierten Kompetenzzentrum der Grazer Firma Virtual Vehicle lobt man die Möglichkeit, größere Themenrahmen abstecken zu können. „Anders als bei anderen Programmen ist die Vorlaufzeit für konkrete Projekte, die man mit Firmen und Forschungseinrichtungen entwickelt, kurz. Man kommt folglich schnell zu konkreten Ergebnissen“, sagt Virtual-Vehicle-Geschäftsführer Jost Bernasch im Gespräch mit der futurezone.
Dass Österreich bei vielen Technologien auch international ganz vorne mitspiele, stehe völlig außer Frage. So würden mittlerweile längst auch US-Forschungseinrichtungen anklopfen und den Austausch mit heimischen Experten suchen. Verbesserungspotenzial ortet Bernasch hingegen noch, wenn es darum geht, die eigenen Erfolge auch entsprechend öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen: „Die Amerikaner sind nach wie vor ungeschlagene Weltmeister im Marketing. Da können wir definitiv noch einiges von ihnen lernen.“
Hebelwirkung durch Förderungen
„Das Spannende am COMET-Programm ist, dass es sich dabei um kooperative Forschung handelt. Die Industrie übernimmt die Hälfte der Finanzierung und ist dafür aber auch von Anfang an konkret in die Projekte eingebunden. Da neben Forschungseinrichtungen auch viele kleinere Unternehmen und Start-ups bei der Entwicklung und Umsetzung direkt involviert sind, wird eine Hebelwirkung erzielt. Jeder Euro aus dem COMET-Programm generiert 4 bis 5 Euro an Forschungsleistung“, sagt Virtual-Vehicle-Geschäftsführer Jost Bernasch zur futurezone.
Auch Virtual Vehicle punktet mit Systemsimulationen. „Viele Produkte, darunter auch Autos oder Züge, werden immer komplexer. Viele ihrer Funktionalitäten ergeben sich wie bei einem Smartphone erst über die Software. Diese Elektronikarchitektur gut zu beherrschen und den Einsatz in unterschiedlichsten Situationen zu simulieren und optimieren, das ist unsere Stärke“, erklärt Bernasch.
Das dritte Zentrum, dessen Fördervolumen bestätigt wurde, ist das Materials Center Leoben Forschung (MCL). Es arbeitet daran, die Lebensdauer von Materialien zu verlängern und so nicht nur Kosten in der Produktion zu sparen, sondern diese auch umweltschonender und nachhaltiger zu gestalten. Im Rahmen des COMET-Programms wurde zuletzt ein innovatives Modell zur Zinkbeschichtung entwickelt, um Bauteile vor Korrosion zu schützen.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).