Wie Community Nurses ein gesundes Leben im eigenen Zuhause fördern
Community Nursing ist ein Konzept, mit dem andere Länder schon seit Jahrzehnten gute Erfahrungen machen. Ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, die Menschen daheim besuchen und beraten, können einen entscheidenden Beitrag leisten, um Erkrankungen zu vermeiden und ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause zu ermöglichen. Österreich sammelt gerade erste Erfahrungen damit. Seit 2022 gibt es ein von der EU finanziertes Pilotprojekt. Die FH Campus Wien hat in einem Forschungsprojekt die Effekte untersucht, die Community Nurses in mehreren Regionen des Landes erzielen konnten.
Vorbeugung ist effizienter und günstiger
Beauftragt wurde die FH Campus Wien vom Evangelischen Diakoniewerk Gallneukirchen, dem größten Anbieter von Community Nursing in Österreich. "Community Nurses sollen in Europa künftig die Primärversorgung unterstützen", sagt Projektleiterin Cornelia Feichtinger, Leiterin des Zentrums für Angewandte Pflegeforschung. "Vorbeugung ist effizienter und günstiger als das, was wir in Österreich derzeit haben, ein kuratives System."
Alleine in Österreich gibt es durch das EU-Pilotprojekt 116 Regionen, in denen Community Nursing nun angeboten wird. Die wichtigsten Akteur*innen dabei sind Gesundheits- und Krankenpfleger*innen, die mindestens 2 Jahre Berufserfahrung mitbringen müssen. "Die meisten haben viel mehr Praxiserfahrung, greifen auf Praxis aus 5 Jahren bis hin zu mehreren Jahrzehnten zurück", sagt Feichtinger. Zur Fachkompetenz zählen für Community Nurses auch persönliche Skills wie großes Selbstbewusstsein und Organisationsfähigkeit als unumgänglich.
Kontakte knüpfen beim Feuerwehrfest
"Beim Community Nursing sind Gesundheits- und Krankenpfleger*innen anders eingesetzt als im Krankenhaus. Sie haben nicht jederzeit ein Team hinter sich, sondern gehen alleine auf Hausbesuch", sagt Feichtinger. "Sie versorgen auch sehr komplexe Fälle, etwa Personen, die viele verschiedene Erkrankungen, einen schwachen sozialen Status, keine finanziellen Mittel oder Migrationshintergrund haben. Es braucht verschiedenste Interventionen, um so einen Fall zu versorgen."
Oft erscheint es nicht offensichtlich, welche Menschen einen dringenden Bedarf an Hilfestellungen daheim haben, diese müssen erst einmal gefunden werden. In ihren Einsatzbereichen versuchen Community Nurses auf unterschiedliche Weise, Kontakte zu knüpfen. "Viele stellen sich überall vor, wo Menschen zusammenkommen, etwa in der Bank, beim Lebensmittelgeschäft oder auf dem Feuerwehrfest. Auch durch Anzeigen in Gemeindezeitungen, Plakate oder Infostände wird das Angebot beworben, um bei jenen Menschen anzukommen, für die es gedacht ist.“
Keine Kosten und viel Zeit
Im Fokus steht die Altersgruppe 75 plus. Durch die EU-Förderung kann das Angebot momentan kostenlos genutzt werden. "Dass keine Kosten anfallen, ist ein riesiger Vorteil. Das nimmt die Barriere, ein Angebot anzunehmen, das man noch nicht kennt", ist Feichtinger überzeugt. "Ebenso positive Auswirkung bringt die Tatsache, dass keine strengen Zeitvorgaben den Besuch verkürzen oder einschränken. Community Nurses können sich Zeit nehmen, um Vertrauen zu ihren Klient*innen aufzubauen." Wie lange Fälle betreut werden, ist individuell unterschiedlich. "Manchmal ist es nur ein kurzer Kontakt, sehr oft handelt es sich jedoch um eine Begleitung über Monate hinweg. Das Wichtigste ist die aktive Fallverfolgung."
Unterstützung bei gesellschaftlicher Teilhabe
Ein weiteres Aufgabengebiet von Community Nurses ist Informationsweitergabe mit dem Ziel, die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung zu stärken. Bei größeren Veranstaltungen halten sie etwa Vorträge zu verschiedenen Pflegephänomenen oder geben Schulungen, um älteren Menschen zu erklären, wie das Gesundheitssystem und seine digitalen Schnittstellen funktionieren. Besonders am Community Nursing ist auch, dass es nicht nur um die körperliche Gesundheit geht, sondern auch um gesellschaftliche Teilhabe.
"In Österreich gibt es sehr viele Angebote, aber Personen wissen oft nichts davon. Wenn jemand daheim einsam ist, aber eigentlich gerne tanzt, kann eine Community Nurse aufzeigen, wo sie Gelegenheit dazu findet", sagt Feichtinger. Manchmal werden mit Gruppen von älteren Menschen auch gemeinsame Aktivitäten organisiert. "Da werden etwa bei Kaffee und Kuchen historische Fotos vom eigenen Ort angeschaut. Es wird darüber gesprochen, wie es früher hier ausgesehen hat, wie das Leben damals war, welche Musik die Menschen gehört haben. So kommen Leute ins Gespräch."
Empfehlungen bei technischen Hilfsmitteln
In vielen Fällen können Community Nurses auch technische Hilfsmittel für daheim empfehlen, etwa Notfallarmbänder oder smarte Rauchmelder. Bei anderen Technologien, wie sprachgesteuerten, smarten Lautsprechern, Videotelefonielösungen oder Apps herrsche aber üblicherweise wenig Offenheit. "Community Nurses können Erwartungen nicht zu hoch ansetzen und es bereits als Erfolg verbuchen, wenn Klient*innen beispielsweise zulassen, dass das eigene Bad umgebaut wird. Für weitergehende Veränderung fehlt aus alter Gewohnheit oft der Wille. Von technischen Hilfsmitteln wie Kameras oder Sturzsensoren ist man da weit entfernt."
Weiterbestand hängt von Ländern und Gemeinden ab
Das EU-Pilotprojekt zu Community Nursing läuft noch bis Ende 2024. Aber schon zum jetzigen Zeitpunkt ist klar, dass das Konzept weiter bestehen soll und in Österreich gilt auch schon die Finanzierung als gesichert. Es obliegt allerdings Bundesländern und Gemeinden, Community Nursing anzubieten. Eine flächendeckende Versorgung gibt es nicht zwingend. Die Untersuchung der FH Campus Wien solle laut Feichtinger dazu beitragen, die Sinnhaftigkeit derartiger Präventionsmaßnahmen zu verdeutlichen.
Langfristig wünschenswert wäre es laut der Forscherin auch, wenn man Community Nursing auf alle Altersgruppen ausdehne. "Man spricht dann etwa von Familiy Health Nurses, die auch für die Gesundheit von Jugendlichen da sind."
Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen FH Campus Wien und der futurezone entstanden.