Leiser Überschallknall soll Concorde-Nachfolger ermöglichen
Die raketenbetriebenen X-Flugzeuge der NASA und US Air Force ebneten den Weg für das US-Raumfahrtprogramm. Nun sollen die geheimnisumwobenen Experimentalflugzeuge den Überschallknall eliminieren. Damit könnte sich die kommerzielle Luftfahrt drastisch ändern.
Die Bell X-1, das erste X-Flugzeug der USA, konnte im Jahr 1947 als erstes bemanntes Flugzeug die Schallmauer durchbrechen. Die X-15 erreichte in den 60er-Jahren mit Mach 6,72 sogar Hyperschallgeschwindigkeit. Von Hyperschallgeschwindigkeit spricht man ab einer Geschwindigkeit von Mach 5, also der 5-fachen Schallgeschwindigkeit oder 6.175 km/h. Die gesammelten Daten wurden etwa als Basis des Apollo-Raumfahrprogramms verwendet.
Überschallflüge über Land verboten
Jegliche Hochgeschwindigkeitsluftfahrt hat jedoch mit einem Problem zu kämpfen: dem Überschallknall. Im Jahr 1973 hat die US-Regierung kommerzielle Überschallflüge über Land etwa verboten - um die Auswirkungen des Überschallknalls von bewohnten Gebieten fernzuhalten. Überschallpassagierflugzeuge wie die Concorde konnten ihre volle Geschwindigkeit daher nur über den Ozeanen ausnutzen.
Mit dem jüngsten X-Flugzeug, der X-59 Quiet SuperSonic Technology (QueSST), will man dieses Problem jedoch endlich lösen. Die ganze Flugzeugbranche schaut gespannt auf das Experiment. Denn trotz der Fortschritte bei der Computermodellierung und der Windkanaltechnik ist es ein teures Risiko, ein Überschall-Passagierflugzeug zu bauen, ohne dass klar ist, dass die Technologie in der Praxis funktioniert.
Tür für die Industrie öffnen
"Ich denke, die X-59 könnte bedeutsam sein", sagt Luftfahrtingenieur Christopher Combs von der University of Texas gegenüber der BBC. "Wenn man mit einem realen Flugzeug zeigen kann, dass ein leiser Überschallknall möglich ist, kann das die Tür für die Industrie öffnen, um mit dem Bau solcher Flugzeuge zu beginnen."
Ein Überschallknall entsteht daher, weil die Luft vor einem Flugzeug mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter komprimiert wird. Diese lokale Druckwelle versucht sich jedoch auszugleichen und bewegt sich mit der Schallgeschwindigkeit (343 Meter/Sekunde) fort. Wird diese Geschwindigkeit vom Flugzeug überschritten, kann sich die Welle nicht mehr schnell genug ausgleichen. Plötzlich steigt die Dichte der Luft um das Objekt herum an. Diese Verdichtung (Schallmauer) ist als lauter Knall zu hören.
Cockpit ohne Frontfenster
Beim Design der X-59 ist alles darauf ausgerichtet, den Überschallknall möglichst zu verringern. Sie soll mit Mach 1,4 in etwa 17 Kilometern Höhe fliegen - einer Höhe, in der auch kommerzielle Flugzeuge unterwegs sind. Ihr Ziel ist, die Anzahl der vom Flugzeug ausgehenden Schockwellen zu minimieren und über das gesamte Flugzeug zu verteilen, damit sie sich nicht zu einem lauten Knall aufschaukeln.
Die lange Nase des Flugzeugs ist darauf ausgerichtet, die Druckwellen von der Nase von jenen von den Flügeln zu teilen. Durch die lange Nase sind Frontfenster im Cockpit nicht möglich. Stattdessen müssen sich die Pilot*innen in der X-59 auf Kameras an der Nasenspitze verlassen. Die Triebwerke befinden sich oberhalb des Rumpfes - so breitet sich der Schall nicht nach unten, sondern nach oben aus.
Weg für kommerzielle Hyperschallflüge ebnen
"Der Überschallknall wird leise genug sein, damit ihn Personen am Boden nicht wahrnehmen", sagt Projektmanagerin Catherine Bahm. "Er wird wie entfernter Donner sein, oder wenn der Nachbar seine Autotür zuschlägt". Sollten die Tests erfolgreich sein, kann man darüber nachdenken, die Regeln für kommerzielle Überschallflüge zu ändern.
Die Entwicklung der X-59 ist jedoch erst der Anfang des kommerziellen Hyperschallfluges. "Die X-59 ist von den Ausmaßen eine Art Kampfjet", sagt Combs. "Die nächste Frage ist, ob man ein größeres Flugzeug in der Größe einer Boeing 737 bauen kann?"