Corona-Krise: Testphase für den Klimaschutz
Die Corona-Krise hat weltweite Veränderungen mit sich gebracht, die von Menschen beruflich und privat ein hohes Maß an Anpassung abverlangen: Homeoffice, Telefon- oder Videokonferenzen und Online-Handel sind jetzt die Lösung.
Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Menschen, sondern auch auf die Umwelt. Die Flugradar-Plattform Flightradar24 hat seit dem 9. März einen rasanten Rückgang kommerzieller Flüge um 71 Prozent gemessen. Dass das, so traurig der Anlass ist, das Klima schont, steht außer Frage. Dass die derzeitige Situation eine Ausnahme ist, allerdings ebenso.
Doch was können wir daraus für die Zukunft lernen? „Wir haben die Resilienz des Wirtschaftens aus dem Blick verloren“, sagt Sigrid Stagl, Ökonomin am Institute for Ecological Economics an der WU Wien im Gespräch mit der futurezone. Gemeint ist, dass ein System nach einem Schock – wie der Corona-Krise – angepasst werden muss, um bei der nächsten Krise besser reagieren zu können. Das sei ein Lernprozess, in dem sich jetzt die ganze Welt befinde.
Soziale Normen ändern
Nach Angaben des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) machten die Österreicher im vergangenen Jahr rund 3,2 Millionen Geschäftsreisen, die Hälfte davon mit dem Flugzeug. Während der Krise geht das nicht mehr. Sigrid Stagl ist optimistisch, dass das auch danach so bleibt: „Es ist günstiger, spart Zeit und ist inklusiver. So können auch Menschen an Meetings teilnehmen, die nicht so viel reisen können. Die technischen Mittel dafür gibt es ja schon lange.“
Geschäftsreisen würden auch bedeuten, dass persönlichen Begegnungen mehr Gewicht gegeben werde, als beispielsweise einer Videokonferenz. „Man signalisiert, dass ein Kunde wichtig ist, weil man sich die Mühe macht, in ein Flugzeug zu steigen und Zeit vergeudet“, sagt Stagl: „Wir müssen aber unsere sozialen Normen ändern und das passiert gerade.“ Doch auch die Politik müsse dabei regulierend eingreifen. Eine Möglichkeit wäre es, Firmen ein CO2-Budget zuzuteilen, um Geschäftsreisen teurer zu machen.
Falsches Tauschgeschäft
Aber ist das jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, mitten in der Krise? „Die Gefahr besteht, dass es zu einem Tauschgeschäft kommt. Entweder die Wirtschaft hochfahren, oder sich Umweltschutz leisten. Das ist falsch. Wirtschaft muss nachhaltig und widerstandsfähig sein. Es wäre fahrlässig, in die gleiche Richtung zu gehen, aus der wir kommen und den Klimaschutz hintanzustellen“, erklärt Stagl.
Eine Möglichkeit, die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz zu schaffen, zeigen derzeit lokale Unternehmen und Geschäfte. Bauern und kleinere Läden steigen auf den Online-Handel um. In österreichischen Firmen werden plötzlich Schutzmasken genäht, um die Nachfrage zu decken.
Der längst vergessene Begriff der Versorgungssicherheit sei wieder aktuell, sagt Stagl. Daher sei eine diverse Wirtschaftsstruktur mit kürzeren Lieferketten und Materialkreisläufen wichtig. Nur lokal beschränkt dürfe das aber nicht sein, denn ein regionaler Ernteausfall könnte dann fatale Folgen haben. Man solle durchlässig sein, aber lieber für
Tschechien und Spanien als für Neuseeland. „Ich glaube, dass es die Globalisierung, wie wir sie gekannt haben, in dieser Form nicht mehr geben kann.“