Das können die neuen Corona-Impfstoffe
Ein Jahr seit Ausbruch der Corona-Pandemie verzeichnet die Weltgesundheitsorganisation WHO aktuell weltweit mehr als 220 Impfstoffprojekte gegen das SARS-CoV-2-Virus. Etwa 50 Impfstoffkandidaten befinden sich aktuell in der klinischen Phase – 8 davon in der letzten Phase III. Manche wurden in bestimmten Ländern bereits genehmigt.
Damit erlebt die Welt eine äußerst schnelle Entwicklung, die nur aufgrund neuer Technologien und vorgehender Impfstoffprojekte gegen verwandte Viren überhaupt möglich ist. Da es vor COVID-19 etwa schon SARS-1 gegeben hat, wurden bereits vorhandene, sogenannte Impfstoff-Plattformen verwendet und angepasst. Doch auch neue Plattformen gelten als erfolgversprechend. Wie sie funktionieren und was sie können.
Sputnik V
Der erste Impfstoff wurde in Russland umstrittenerweise frühzeitig schon nach Phase II zugelassen: Gam-Covid-Vac – in Anlehnung an den Satelliten, der 1957 von der Sowjetunion als erster ins Weltall geschickt wurde, auch „Sputnik V“ genannt. Er basiert auf menschliche Adenoviren Typ 5 (Ad5). Dabei handelt es sich um sogenannte virale Vektoren, in die das Hauptantigen von SARS-CoV-2 – also das Spike-Protein – eingebaut wird. Vektorviren können sich in Menschen vermehren, ohne eine Erkrankung auszulösen.
In diesem Fall erzeugen die infizierten Zellen nach der Impfung das Spike-Protein, das Immunsystem reagiert mit der Bildung von Antikörpern und Immunzellen, die das Virus attackieren und die infizierte Zellen zerstören. Nach etwa 42 Tagen soll der Körper nach einer Sputnik-V-Impfung eine Immunität aufbauen. Laut einer Pressemitteilung des staatlichen Direktinvestmentfonds RDIF liegt dabei eine Wirksamkeit von über 95 Prozent vor. Auch gegen die in Europa neu entdeckte Virus-Variante soll das Vakzin wirksam sein.
Laut russischen Gesundheitsbehörden sei der Impfstoff nicht für Menschen über 60 Jahren geeignet - ein adäquater Impfstoff für diese Altersgruppe soll aber bald verfügbar sein. Auch eine "Light Version" soll entwickelt werden. Diese Impfung soll kürzer schützen, dafür aber schneller wirken.
Laut der russischen Aufsichtsbehörde für Konsumentenschutz und Gesundheitsschutz sei Alkohol in den beiden auf die Sputnik-V-Impfung folgenden Monaten tabu, zumal Alkohol die Fähigkeit des Körpers reduziere, eine Immunität gegen COVID-19 aufzubauen. Die Entwickler des Impfstoffs finden einen moderaten Alkoholkonsum hingegen unbedenklich.
AstraZeneca/ Oxford University
Ebenfalls auf Adenoviren basiert der Impfstoffkandidat des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca, der gemeinsam mit der britischen Oxford University entwickelt wurde. Verwendet werden hierfür aber nicht menschliche Adenoviren, sondern jene von Schimpansen (ChAdOx1) - die Funktionsweise ist aber gleich. Der Impfstoff wird aktuell von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geprüft. Wie lange das Verfahren dauern wird, ist unklar.
Die Studienergebnisse und das -design haben allerdings Zweifel hervorgerufen: Den Entwicklern zufolge kann der Impfstoff AZD1222 eine Wirksamkeit von rund 90 Prozent gegen COVID-19 erreichen, ohne ernste Nebenwirkungen. Werden die Werte von Phase I und II mit jenen aus Phase III, die unterschiedliche Dosierungsschemata aufwiesen, addiert, ergibt sich im Schnitt eine Wirksamkeit von 70 Prozent. Die britische Regierung beauftragte Ende November eine Prüfung. Die Begutachtung erfolgt durch die britische unabhängige Aufsichtsbehörde für Arzneimittel.
Erst kürzlich gab die Pharmafirma zudem bekannt, gemeinsam mit den Entwicklern von Sputnik V (Gamaleya Research Institute) bald auch einen kombinierten Impfstoff erforschen zu wollen.
Janssen
Auf Adenoviren basiert auch der Kandidat der belgischen Firma Janssen (Johnson & Johnson), der ebenfalls von der EMA geprüft wird. Laut Janssen habe der Impfstoff Ad26.COV2-S (auch: JNJ-78436735) schon bei einer Einmalgabe eine „robuste Immunantwort“ gezeigt - anders als andere Impfstoffe bietet bei diesem also eine einzige Dosis ausreichend Schutz. Eine Zulassung in den USA und in der EU ist 2021 zu erwarten.
Biontech/ Pfizer
Noch vor AstraZeneca und Oxford reichte das Entwicklerduo Pfizer und sein deutscher Partner Biontech sowie das US-Unternehmen Moderna die ersten Anträge für eine Impfstoff-Zulassung ein. In den USA und Großbritannien wurde dem Impfstoff eine Notfallgenehmigung und in der Schweiz die weltweit erste Zulassung in einem ordentlichen Verfahren erteilt. Nun hat ihn die europäische Arzneimittelagentur EMA auch für eine Freigabe in der EU empfohlen. Die darauffolgende Zustimmung der EU-Kommission gilt somit als sicher und soll am 23. Dezember ausgesprochen werden.
In Österreich sollen danach mit 27. Dezember die Bundesländer Wien und Niederösterreich impfen. Alle anderen Bundesländer sollen Mitte Januar mit den Impfungen starten. Laut dem Gesundheitsministerium gehen die ersten Dosen an Alten- und Pflegeheime. Etwa die Hälfte der Österreicher würde sich laut einer Online-Umfrage von Gfk impfen lassen.
Die Phase-III-Studie des Impfstoffs zeigte über alle Alters- und Geschlechtsgruppen eine 95-prozentige Wirksamkeit bei der Prävention einer COVID-19-Erkrankung. Nach der Impfung sei grundsätzlich mit "üblichen" Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Kopfweh und Schmerzen an der Einstichstelle zu rechnen.
Kurz nach Beginn der Impfkampagne in Großbritannien hat die britische Arzneimittelaufsicht allerdings dazu geraten, vorerst niemandem mit einer "signifikanten" Allergiegeschichte den Biontech-Pfizer-Impfstoff zu spritzen. Der Grund: Zwei Mitarbeiter des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS mit einer entsprechenden Vorgeschichte wiesen eine allergische Reaktion auf und mussten behandelt werden. Die futurezone hat berichtet.
Moderna
In den USA steht der Impfstoff von Moderna kurz vor einer Notfallzulassung. Auf Basis der bisher verfügbaren Informationen seien die Vorteile im Einsatz bei Menschen ab 18 Jahren größer als die Risiken, befanden 20 FDA-Fachleute. Die Phase-III-Studie des Moderna-Impfstoffs zeigte eine Wirksamkeit von 94,1 Prozent hinsichtlich der Verhinderung einer COVID-19-Erkrankung. Nach dem Vakzin von Pfizer und Biontech wäre es der zweite in den USA zugelassene Corona-Impfstoff und die weltweit erste Genehmigung des Moderna-Präparats.
Der Impfstoff von Moderna soll der FDA zufolge eine gute Wirkung und hohe Sicherheit aufweisen. Fast 92 Prozent der Probanden hatten nach der Impfung lediglich Schmerzen an der Einstichstelle, andere klagten über Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen. Die FDA hat zudem festgestellt, dass bereits nach der ersten Dosis die asymptomatischen Infektionen zurückgegangen sind.
Die EMA hält eine Entscheidung über den Moderna-Impfstoff am 6. Januar 2021 für möglich.
RNA-Impfstoffe
Bei den Präparaten von Pfizer/ Biontech und Moderna handelt es sich um einen RNA-Impfstoff. Dabei wird genetisches Material von Oberflächenmolekülen der Coronaviren dem Menschen eingeimpft. Die menschlichen Zellen produzieren folglich das Coronavirus-Antigen, gegen das unser Immunsystem eine Immunantwort aufbaut. Bis jetzt beruht kein einziger zugelassener Impfstoff auf dieser Technologie, die Kandidaten sind dennoch erfolgversprechend. Der Vorteil solcher genbasierten Impfstoffe ist, dass innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl an Impf-Dosen produziert werden kann.
Curevac
Unlängst hat auch das deutsche Biotechunternehmen Curevac die klinische Phase-III-Studie zu seinem RNA-Impfstoff gestartet, in der Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Impfstoffs belegt werden soll. Die Untersuchung soll voraussichtlich mehr als 35.000 Probanden an Standorten in Europa und Lateinamerika beinhalten.
Impfstoffe aus China
Neben diesen westlichen Kandidaten befinden sich auch mehrere chinesische Impfstoffe in der klinischen Prüfungsphase III. Der Impfstoff von Sinopharm und dem Institut für Virologie Wuhan der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, jener von Sinovac Biotech und von Sinopharm und seinem Partner Beijing Institute of Biological Products, basieren auf inaktivierte Viren, auch Totimpfstoffe genannt. Mit dieser Technologie gibt es bereits jahrzehntelange Erfahrung. Unter anderem wird sie für Vakzine gegen Kinderlähmung, Grippe oder Hepatitis B genutzt.
Anders als Lebendimpfstoffe können sich tote Krankheitserreger im menschlichen Körper nicht vermehren. Der Körper erkennt sie als fremd und regt das Immunsystem an, Antikörper zu bilden, ohne dass die jeweilige Krankheit ausbricht. Da es in China allerdings kaum noch Corona-Fälle gibt, werden die klinischen Studien in Länder wie Brasilien oder Bahrain geführt.
Die Studienresultate sind hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit grundsätzlich positiv. Ein Zulassungsantrag bei der EMA liegt nicht vor. Grund dafür ist, dass Hersteller für eine europaweite Zulassung auch einen Firmensitz in Europa haben müssen.