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Wie Forscher im All und tief im Berg Dunkle Materie suchen

Dunkle Materie ist überall um uns herum. Wir können ihre Auswirkungen sehen und messen. Trotzdem bleibt sie eines der großen Mysterien unserer Zeit. Was die unsichtbare kosmische Komponente ist, die 80 Prozent der gesamten Materie in unserem Weltraum ausmacht, versuchen Wissenschaftler*innen auf der ganzen Welt herauszufinden.

Das neue Weltraumteleskop Euclid der europäischen Weltraumagentur ESA wird dabei ein neues Kapitel aufschlagen. Es wird in den kommenden 6 Jahren die bisher detaillierteste dreidimensionale Karte des Universums erstellen. "Wir bekommen die Aufnahme eines Drittels des gesamten Himmels mit einer sehr hohen Auflösung," erklärt der Astrophysiker Tim Schrabback vom Institut für Astro- und Teilchenphysik an der Uni Innsbruck.

Größte 3D-Karte des Universums

Schrabback leitet den österreichischen Beitrag für das Euclid-Konsortium. Ungefähr 2.000 internationale Wissenschaftler*innen haben am Teleskop mitgearbeitet. Das ist auch für internationale Großprojekte eine stattliche Zahl, so Schrabback. Sie bauten die beiden Instrumente (siehe Infobox), entwickelten die Analyse-Software und sind für die wissenschaftliche Auswertung der Daten verantwortlich.

Anders als die Weltraumteleskope Hubble oder Webb arbeitet Euclid mit einer geringeren Auflösung, kann dabei aber einen deutlich größeren Teil des Himmels auf einmal erfassen. Dieses Gesichtsfeld ist 180-fach größer als das von Hubble. Statt einzelne Objekte im Detail zu untersuchen, soll ein Drittel des gesamten Himmels aufgenommen werden. Darin werden voraussichtlich 1,5 Milliarden Galaxien zu sehen sein, deren Licht teils bis zu 10 Milliarden Jahre zu uns unterwegs war.

Euclid arbeitet mit 2 Instrumenten

Euclid ist ein Korsch-Teleskop mit 1,2 m Primärspiegel und 24,5 m Fokallänge

Visual Imager (VIS)

  • optische Mosaik-Kamera erstellt 2D-Aufnahme des Himmels
  • 36 kleinere Chips (CCD) werden zu einem großen Sensorchip kombiniert
  • Auflösung je CCD von 4.000 x 4.000 Pixel (entspricht 600 MP)

Nahinfrarot Spektrometer und Photometer (NISP)

  • Infrarot-Instrument liefert die Daten, um aus der 2D-Aufnahme von VIS eine 3D-Karte zu machen
  • 16 Infrarotdetektoren
  • Auflösung je Detektor von 2.000 x 2.000 Pixel
  • misst u.a. Helligkeit von Galaxien
  • Wellenlängen von 900 - 2.000 nm, womit die Rotverschiebung (Abstand) von Galaxien berechnet wird

Insgesamt werden 48.000 wissenschaftliche Beobachtungen durchgeführt. Dafür wird der Himmel in Bereiche unterteilt, die mehrfach aufgenommen werden. Während jeder Beobachtung nehmen VIS und NISP mehrere Bilder mit bis zu 10 Minuten Belichtungszeit auf. Insgesamt wird die Karte dann wie ein Mosaik aus über einer Million Bilder zusammengefasst.

"Normale" Materie ist nur die Spitze des Eisbergs

Alle Materie, die wir sehen können (Planeten, Galaxien und Gas) macht nur 5 Prozent des Kosmos aus. 25 Prozent besteht aus Dunkler Materie, 70 Prozent aus Dunkler Energie. Das wurde durch jahrzehntelange Forschungsarbeit bereits gezeigt. Doch bisher weiß niemand, worum es sich bei diesen beiden unbekannten kosmischen Komponenten genau handelt.

Um die Verteilung und die Eigenschaften Dunkler Materie zu erfassen, nutzt Euclid den Gravitationslinseneffekt. Das funktioniert wie optische Linsen, etwa eine Lupe. Das Phänomen tritt auf, wenn zwischen dem Sichtfeld von Euclid und beispielsweise einer Galaxie ein sehr massereiches Objekt wie ein Galaxienhaufen liegt. Galaxienhaufen enthalten nach aktuellem Verständnis sehr viel Dunkle Materie.

➤ Mehr lesen: Was wissen wir über Dunkle Materie?

Das Licht, das von der Galaxie im Hintergrund ausgeht, wird durch die enorme Masse verzerrt und vergrößert. Im Extremfall des sogenannten starken Gravitationslinseneffekts kann die selbe Hintergrundquelle sogar mehrfach am Himmel zu sehen sein.

3D-Karte soll die Verteilung Dunkler Materie darstellen

Euclid misst aber vor allem schwächere Gravitationslinseneffekte, die Galaxien nach einem bestimmten Muster verzerrt oder gestreckt wirken lassen. Bei einem Galaxienhaufen verrät das mehr über die dort herrschenden Gravitationskräfte. "Das hilft uns, die Masse des Haufens und der darin enthaltenen Galaxien zu bestimmen. Sie sind viel schwerer als die Sterne, Planeten und das Gas, das man dort sieht. So kann man Rückschlüsse ziehen, wie viel Dunkle Materie da ist“, erklärt Schrabback. 

Simulation einer 3D-Karte von Dunkler Materie mithilfe des Plack-Teleskops. Die kleinen Lichtpunkte stellen dabei Galaxien dar, die Masse um sie herum die Dunkle Materie. 

Zusammengefasst kann Euclid mit seinen beiden Instrumenten erfassen, wo sich Galaxien im Weltraum befinden und wie die Gesamtmasse im Vordergrund verteilt ist. Da letztere von der Dunklen Materie dominiert wird, entspricht die resultierende Karte ziemlich genau der Verteilung der Dunklen Materie.

Was treibt das Universum auseinander?

Doch Euclid widmet sich auch der zweiten großen Unbekannten, der Dunklen Energie. Dafür analysiert es die Ausdehnung des Universums und das Anwachsen von Strukturen im Laufe der Zeit. Beides hängt von den Eigenschaften der Dunklen Energie ab. "Wir können uns beispielsweise anschauen, wie sich Populationen von Galaxienhaufen vom frühen Universum bis heute verändert haben", beschreibt Schrabback die geplante Beobachtung.

Wonach die Forschenden suchen ist die Beschleunigung dieser Expansion. Nach den bekannten physikalischen Gesetzen sollte die Ausbreitung des Universums gebremst werden. Eine unbekannte Komponente, die wir als Dunkle Energie bezeichnen, treibt es aber auseinander. Mit Euclid erhoffen sich die Forscher*innen, mehr über deren Eigenschaften zu lernen.

Tim Schrabback (l.) und Valentyna Mokina (r.) forschen auf unterschiedliche Art zu Dunkler Materie

Suche nach Dunkler Materie tief unter der Erde

Während Euclid 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt arbeitet, begibt sich die Physikerin Valentyna Mokina tief unter der Erde ebenfalls auf die Jagd nach Dunkler Materie. Sie ist Simulationskoordinatorin für das Experiment CRESST, das 1.400 Meter unter dem Gran Sasso-Massiv in Italien durchgeführt wird.

Anstatt den ganzen Himmel abzusuchen, wird dort versucht, einzelne Teilchen Dunkler Materie direkt nachzuweisen. Mit ihrem Team vom Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien erstellt sie Simulationen, um den Detektor im größten Untergrundlabor der Welt zu verbessern.

"Wir wollen etwas messen, das kaum mit anderer Materie interagiert. Um zu verhindern, dass andere Partikel auf den Detektor treffen, gehen wir tief in den Untergrund“, erklärt Mokina. Zusätzlich wird der Detektor abgeschirmt. Für das Experiment werden dann durchsichtige Kristalle aus Calciumwolframat auf -273 Grad heruntergekühlt. 

Die Suche nach "WIMPs"

Treffen Teilchen auf die Kristalle, können 2 mikroskopische Ereignisse gemessen werden: ein Flackern und ein TemperaturanstiegAlle bekannten Teilchen haben eine einzigartige Energiesignatur, die in diesen Daten identifiziert wird. Was dann übrig bleibt, sind Anwärter auf Dunkle Materie. "Wir vermuten, dass es sich dabei um ‚WIMPs‘ handelt, also schwach wechselwirkende massereiche Teilchen", sagt Mokina.

CRESST-Detektor mit dem Kristall im Inneren

Die erste Version von CRESST mit 4 Kristallen wurde bereits 2003 in Betrieb genommen. "Ich forsche noch immer, also konnten wir bisher nichts finden. Es passiert oft, dass es eine Idee gibt, aber die Technologie einfach noch nicht so weit ist", sagt Mokina. So wurde 2013 CRESST II mit 18 Kristallen in Betrieb genommen. Das Experiment kann auf 33 Kristalle erweitert werden.

Parallel wird seit 2016 auch CRESST III betrieben. Ein Durchbruch war es hier, die Größe der Kristalle von 246 Gramm auf 24 Gramm zu verringern. Damit können auch WIMPs gefunden werden, die ein Zehntel weniger Energie aufbringen als bei CRESST II.

Mit Geduld und Forschungsdrang

Die Suche nach Dunkler Materie setzt einen großen Forschungsdrang voraus, sagt Mokina. "Man muss hungrig auf Antworten sein. Wir wissen, da ist etwas, wir müssen es nur verstehen." Und dazu gehöre auch die Geduld, immer weiter zu suchen.

Euclid und CRESST ergänzen sich in ihrer Suche. Ob die Daten des Teleskops auch den Wissenschaftler*innen von CRESST neue Erkenntnisse liefern können, um ihren Detektor noch besser zu machen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. 

Sowohl die Wissenschaftliche Arbeit an Euclid als auch an CRESST werden von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt. Bis Oktober 2025 läuft das FFG-Projekt Euclid weak lensing mit der Uni Innsbruck zu Messung und Simulation von schwachen Gravitationslinseneffekten, um das Teleskop zu kalibrieren und das erste Datenpaket auszuwerten. Mit dem FFG-Projekt ML4CPD wird seit 3 Jahren nach neuen Methoden gesucht, um die Messmethoden mit maschinellem Lernen zu verbessern. 

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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