Neue Folie aus Zellulose ersetzt Plastik
Fast 26 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle entstehen laut der EU-Kommission jährlich in Europa. Davon werden weniger als 30 Prozent zum Recyceln gesammelt. Ein großer Anteil des Mülls gelangt dabei in die Umwelt. Ziel ist es daher, bis 2025 die Hälfte aller Kunststoffabfälle zu recyceln. Bis 2030 sollen nicht recycelbare Stoffe zudem gänzlich aus Verpackungen verbannt werden.
Das bedeutet auch das Ende der Sichtfenster, die gerne in der Lebensmittelindustrie verwendet werden. Das Plastikfenster in der Kartonverpackung lässt etwa einen Blick auf abgepackte Backwaren zu, wie etwa Torten und Donuts oder vorbereitete Snacks, wie Wraps und Sandwiches. Müssen Kund*innen zukünftig im Supermarkt also die Kartonverpackung aufreißen, um zu sehen, ob der vermeintlich frische Inhalt noch tatsächlich frisch aussieht?
Folie aus Zellulose
Am Forschungsinstitut VTT ist es gelungen, eine durchsichtige Folie für hybride Lebensmittelverpackungen zu entwickeln, die zu 100 Prozent aus wiederaufbereiteter Zellulose besteht. Die Folie zersetzt sich laut den Forscher*innen wie Papier und kann daher in der Altpapiertonne entsorgt werden.
Zusätzlich weise das „kristallklare“ Material laut dem Forschungsleiter Ali Harlin die gleichen Eigenschaften wie eine konventionelle Erdöl-basierte Plastikfolie auf. Unter anderem halte sie Feuchtigkeit stand, sodass die jeweiligen Lebensmittel trocken gehalten werden können.
Zellulose hat aber eine gute Sauerstoffbarriere, welche dafür sorgt, dass die Lebensmittel beispielsweise nicht ranzig werden.
Wasser und Energie
Neu ist die Entwicklung von Zellulosefolien nicht – sie werden bereits seit über 100 Jahren hergestellt. Die Marke Cellophan setzt etwa auf Zellulose, die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wird. Allerdings wird diese dann mit Chemikalien, wie verdünnte Schwefelsäure oder Natronlauge, behandelt.
„Ähnlich wie bei Papier wird auch bei der Herstellung von Cellophan viel Wasser und Energie verbraucht. Zellulose hat aber eine gute Sauerstoffbarriere, welche dafür sorgt, dass die Lebensmittel beispielsweise nicht ranzig werden“, erklärt Michael Krainz, Verpackungsexperte beim Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI).
Für eine effiziente Wasserdampfbarriere werde Zellulose meist noch mit anderen Polymeren wie Polyvinylidenchlorid (PVDC) beschichtet, damit die Lebensmittel nicht feucht werden.
Im Vergleich zu bestehenden Produkten werde die neue Folie aus Finnland im Sinne der nachhaltigen Chemie hergestellt, wie Harlin der futurezone erzählt. Als nachhaltige Chemie wird jene Art von Chemie bezeichnet, deren Ziel es unter anderem ist, die Umweltverschmutzung zu bremsen, Energie einzusparen und auf diese Weise so umweltverträglich wie möglich zu produzieren.
Im Vergleich zu herkömmlichen Zellulosefolien haben wir auch eine gute Dehnbarkeit erreicht
Mikroplastik entfernt
„Im Vergleich zu herkömmlichen Zellulosefolien haben wir auch eine gute Dehnbarkeit erreicht“, sagt Harlin. Schließlich sei es auch gelungen, die Recyclingfähigkeit zu verbessern und jegliches Mikroplastik im Produkt zu entfernen, ergänzt der Finne. Die Folie könne in bereits bestehenden Anlagen hergestellt werden – einer technischen Aufrüstung bedürfe es nicht. Aktuell befindet sich das Projekt aber noch in der Pilotphase.
Laut dem OFI-Experten Krainz sei es nun wesentlich, den Recyclingprozess der Folie anhand von Studien genauer zu untersuchen, um unter anderem zu verifizieren, ob sie tatsächlich Altpapier-fähig ist und den Papierkreislauf nicht stört. „Es braucht praktische Versuche im Labormaßstab, um zu sehen, wie gut sich einzelne Materialien einer Verpackung recyceln lassen und ob diese miteinander verträglich sind“, sagt Kainz.
Mögliche Nachteile
Auch wenn die Zellulosefolie biologisch abbaubar ist, bleibe noch offen, wie gut sie sich wirklich im Abbauprozess gänzlich zersetzt. Generell müsse man die positive Wirkung sowie mögliche Nachteile noch näher beleuchten, so Krainz. „Denn wenn wir am OFI eine Verpackungsoptimierung vornehmen, muss die zukünftige neue Verpackung denselben Produktschutz und eine ähnliche Maschinengängigkeit aufweisen, wie die heutige, um weiterhin auf aktuellen Abpackmaschinen verarbeitet werden zu können“, ergänzt er.
Bei vielen biobasierten Materialien sei meist weder ausreichender Produktschutz noch Maschinengängigkeit gegeben und am Ende auch keine gute Verwertungsmöglichkeit.
Geeignete Papiermasse
In den kommenden 2 Jahren wollen die finnischen Forscher*innen unter anderem herausfinden, für welche Anwendungen die Folie konkret zum Einsatz kommen kann und welche Art von Papiermasse sich für die Zellulose-Produktion am besten eignet. In wenigen Jahren soll die Folie dann auch auf den Markt kommen und industriell eingesetzt werden.
Laut Krainz stellt die Lösung grundsätzlich einen guten Ansatz dar. Viele offene Fragen müssten allerdings noch abgeklärt werden.
Essen aus dem Mehrwegbehälter
Reis, Müsli und Linsen könnten bald in Mehrweggläsern erhältlich sein und Einwegverpackungen ersetzen. In rund 50 Edeka- und Rewe-Märkten will das deutsche Oetker-Start-up Mehrwelt solche Pfandgläser zum Einsatz bringen.
Verbraucher zahlen ein Euro Pfand auf das Glas und bekommen das Geld beim Leergutautomaten zurück. Trifft das System bei den Verbraucher*innen auf Akzeptanz, sollen weitere Supermärkte eingebunden werden.
Take-away
Auch das heimische Start-up Vytal hat ein Mehrwegsystem für Take-away geschaffen. Konsument*innen können ihr Essen in 100 Partnerrestaurants mitnehmen oder liefern lassen. Dieses kommt in wiederverwendbaren Boxen. Nutzer*innen haben 14 Tage Zeit, die Behälter an die Unternehmen zurückzubringen.
Laut dem Verpackungsexperten Michael Krainz am OFI schneidet Mehrwegglas in Nachhaltigkeitsstudien gut ab, wenn es regional befüllt und gewaschen wird. Beim Reinigen werde aber viel Waschwasser verbraucht. „Auch hier gibt es noch Optimierungsbedarf, wenn ich das im großen Maßstab ausrollen möchte.“