So sind Langstreckenflüge auch ohne Kerosin möglich
Flugreisen sind die einzige Transportmethode, um ferne Länder in wenigen Stunden zu erreichen. Gerade Langstreckenflüge erzeugen aber hohe Emissionen. In Europa machen sie nur 9 Prozent aller Starts aus, erzeugen aber 54 Prozent der CO2-Emissionen aller Flüge.
Die Aufgabe ist klar: Der fossile Treibstoff Kerosin muss ersetzt werden. Die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) hat sich angesehen, mit welchen Technologien man theoretisch emissionsfrei fliegen könnte und was dafür notwendig wäre.
Kolossaler Stromflieger
In einem Gedankenexperiment wurde etwa berechnet, wie ein Langstreckenflieger aussehen müsste, der mit Akkus und elektrisch betriebenen Propellern von Paris nach Singapur fliegt. Das monströse Ergebnis: ein 5.679 Tonnen schwerer Koloss.
Batterien sind schwer und haben eine geringe Energiedichte. Je mehr Gewicht das Flugzeug hat, desto mehr Leistung ist notwendig. Das bewirkt ein gegenseitiges Aufschaukeln, erklärt Holger Friehmelt, Leiter des Instituts für Luftfahrt an der FH Joanneum. Die Masse bleibt zudem während des gesamten Fluges gleich. Das größte Passagierflugzeug, der Airbus A380, wiegt beim Start 434 Tonnen. Durch das Verbrennen des Kerosins ist er in Singapur 119 Tonnen leichter.
Sehr kalte Tanks
Leichter und schneller als mit dem gigantischen Akkuflieger ginge es mit flüssigem Wasserstoff, der in herkömmlichen Gasturbinen verbrannt wird. Mit 455 Tonnen wäre solch eine Maschine nur geringfügig schwerer als der aktuelle A380. Um 52 Tonnen Wasserstoff klimafreundlich herzustellen, bräuchte man aber wegen der Umwandlungsverluste fast doppelt so große Strommengen wie beim Akkuflieger. Außerdem müsste man die Tanks auf minus 253 Grad Celsius kühlen.
Auch bei flüssigem Methan oder Ammoniak bräuchte man Kryotanks, die den Treibstoff kühlen – wenngleich nicht so stark wie Wasserstoff. Aber auch bei ihnen wäre der Energieaufwand bei der Treibstoffherstellung sehr groß, Flugzeuge und Antriebe müssten ganz neu entwickelt werden und eine Versorgungsinfrastruktur müsste geschaffen werden.
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Immer mehr beimischen
Das alles dauere Jahrzehnte, sagt Friehmelt. Es sei wichtig, aktuelle Flugzeuge schnell klimafreundlicher zu machen. Hier liegen die großen Hoffnungen auf sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAFs). Sie können entweder durch Verwertung biologischer Reststoffe (Landwirtschaftsabfälle, Altspeisefett) erzeugt werden, oder komplett synthetisch, durch Elektrolyse von Wasser mit Ökostrom und Kombination mit CO2 aus der Industrie. Hier spricht man von E-Fuels.
SAFs werden künftig in immer größerer Menge konventionellem Kerosin beigemischt. Die EU schreibt etwa eine schrittweise Steigerung vor. 2025 soll die SAF-Quote 2 Prozent betragen, der Anteil soll bis 2050 allerdings auf 70 Prozent ansteigen.
Energie und Fachkräfte
Im Vergleich zu den Beimischquoten bei Benzin und Diesel im Straßenverkehr sei dies sehr ambitioniert, aber laut Friehmelt gibt es einen Knackpunkt: "Wenn wir nicht genug erneuerbare Energie haben, dann wird das nix."
Die gesamte Gesellschaft müsse dahinterstehen, Solar-, Wind- und Wasserkraft massiv auszubauen. Nationale Alleingänge seien nicht zielführend. Alternative Treibstoffe müssten weltweit an großen Flughäfen erhältlich sein. Und um die nachhaltige Flugzeugentwicklung anzukurbeln, benötige man viele neue Fachkräfte.
Flugzeug mit Solarzellen-Schleife
Jene zukünftige Antriebsform, die laut der Eurocontrol am unrealistischsten ist, ist im Übrigen die rein solarbetriebene. Um nur mit Sonnenenergie zu fliegen, müsste ein Airbus A380 komplett mit Solarmodulen überzogen sein - und noch ein 80 Meter breites und 7,4 Kilometer langes Band an Solarzellen hinter sich her schleppen. Eine andere Art von Fluggerät könnte aber sehr gut mit einer Hülle aus Solarzellen auskommen: Luftschiffe.
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