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Kinder als Superspreader: So groß ist die Gefahr

In Österreich sind gerade Herbstferien. Das Halloween-Wochenende steht bevor, an dem Kinder traditionell von Haus zu Haus ziehen, um verkleidet Süßigkeiten abzustauben. Doch soll man ihnen dieses Jahr überhaupt die Tür öffnen? Und werden die Kinder nächste Woche in die Schulen zurückkehren können? 

Wir haben mit 2 Virologen über die Rolle von Kindern bei der Verbreitung von SARS-CoV-2 gesprochen, da zuletzt Widersprüchlichkeiten aufgetaucht waren, ob Kinder nicht auch sogenannte Superspreader sein könnten, die die gefährliche Infektion besonders leicht verbreiten. 

„Widersprüche sehe ich in diesem Bereich eigentlich keine, alle Staaten Europas handeln ähnlich, was Maßnahmen für Kinder und Schulen betrifft“, sagt Norbert Nowotny vom Institut für Virologie an der VetMedUni Vienna gegenüber der futurezone. Hier gehe der Trend in die Richtung, dass Schulen geöffnet bleiben dürfen, sowie es auch im Quasi-Lockdown in Deutschland der Fall sein wird.

Kinder unter 10 kaum ein Risiko

„Kinder unter 10 Jahren spielen im Infektionsgeschehen keine Rolle“, sagt Nowotny, und erklärt auch gleich, warum das so ist: „Kinder haben weniger ACE-2-Rezeptoren, die das Virus braucht, um in den Körper aufgenommen zu werden. Deshalb stecken sie sich auch nicht so leicht an. Zudem haben sie meist ein hervorragend funktionierendes Immunsystem, das die Viren eliminiert bevor sich die Infektion in Krankheitssymptomen äußert.“

„Auch wissen wir, dass bei einem symptomlosen Infektionsverlauf weniger Virus ausgeschieden wird und daher Andere weniger leicht angesteckt werden können - denn für eine Ansteckung ist eine gewisse Virusmenge notwendig.“ Untersucht werde derzeit, ob die kleinere Lunge von Kindern auch eine Rolle in der geringeren Übertragungshäufigkeit spielt.

Studien belegen dies

Zu diesen Schlüssen kommt auch eine umfassende Metaanalyse vieler Studien aus Großbritannien vom September: Kinder haben ein deutlich geringeres Risiko, sich mit COVID-19 anzustecken und sie geben das Virus auch seltener weiter. Für dieses Ergebnis wurden 32 Studien mit 41.000 Kindern ausgewertet. Je jünger die Kinder waren, desto geringer war das Risiko. 

Auch der Infektiologe und Kinderarzt Ulrich von Both von der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU) hatte eine Studie mit 2.000 Kindern bis 11 Jahren durchgeführt, die auf COVID-19 getestet worden waren: Kein einziges war positiv. Deshalb wird von den Experten empfohlen, Volksschulen und Kindergärten auch während eines Lockdowns offenzuhalten.

Kritisch ab der Oberstufe

Doch wie sieht es mit älteren Kindern aus? „10- bis 14-jährige sind zwar bereits geringfügig empfänglicher für SARS-CoV-2, aber noch nicht in dem Ausmaß, dass es besorgniserregend wäre“, sagt Nowotny. „Kritischer wird es in der Oberstufe, ab der 9. Schulstufe. Jugendliche und junge Erwachsene haben mehr ACE-2-Rezeptoren und sind daher auch empfänglicher gegenüber der Virusinfektion“, sagt der Virologe. Er plädiert dafür, ab der Oberstufe die Klassengrößen zu halbieren oder zeitlich gestaffelten Präsenzunterricht abzuhalten. „Das müsse man sich je nach Schulstandort überlegen.“

Doch kann die Schule dadurch ein Ort der massiven Weiterverbreitung des Coronavirus werden? Das zumindest deutet eine Studie an, die unlängst im Science-Magazin veröffentlicht wurde. Forscher aus Indien fanden heraus, dass Jugendliche zu Superspreadern wurden und sich das Virus vor allem an Schulen verbreitet hat.

Ausbrüche an Schulen

„An Schulen und Kindergärten passieren zwar immer wieder Ausbrüche, aber das sind nicht die großen Motoren“, erklärt Lukas Weseslindtner, Virologe an der MedUni Wien. Zwar sei es vorgekommen, dass Kinder, die in den ersten Reihen sitzen, durch die Atemwolken von COVID-19-positiven Lehrern angesteckt worden seien, aber generell könne man das Geschehen an Schulen gut kontrollieren. „In den Klassenzimmern gibt es außerdem nur eine relativ kurze Zeit der Durchmischung, und man kann das gut managen, weil Kinder immer am selben Ort sitzen.“

Doch natürlich können auch Kinder über 10 Jahren zu sogenannten Superspreadern werden und das Virus großflächig weiterverbreiten. „Das hängt nicht davon ab, ob sie Kinder sind oder nicht. Das passiert dann außerdem nicht in der Schule, sondern bei den Aktivitäten danach. Wenn die Kinder nach der Schule in großen Gruppen die Köpfe zusammenstecken, wird das Virus-Geschehen selbstverständlich beschleunigt“, sagt Weseslindtner.

Gesellschaftlich abwägen

Er war zusammen mit 2 weiteren Wiener Ärzten, Prof. Fischer und Prof. Szepfalusi, selbst an einer Studie beteiligt, die vor wenigen Tagen für eine Veröffentlichung vorbereitet wurde. Grob gesagt kam dabei heraus, dass Schüler ab 10 Jahren infiziert werden können und zwar „nicht so grob anders wie Erwachsene.“ Nähere Ergebnisse werden dazu demnächst vorgestellt.

Es sei eine „gesellschaftliche Abwägung“, ob man Schulen offen halte und Schülern ihren normalen Alltag nachgehen können, oder nicht. „Wir haben derzeit eine so bedrohliche Situation, dass wir generell etwas tun müssen, sonst haben wir in 4 Wochen den Kollaps des Gesundheitssystems“, warnt Weseslindtner. „Aber es gibt auch etwas Gutes: Anders als bei der Influenza, an der auch immer wieder Kinder sterben, müssen wir bei COVID-19 keine Angst um unsere Kinder haben. Die Krankheit wird vom kindlichen Immunsystem gut verarbeitet.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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