KI in Österreich: "Grundsätzlich tut sich schon sehr viel"
Künstliche Intelligenz hat sich im heurigen Jahr zu einem der ganz großen Themen im öffentlichen Diskurs entwickelt. Seitdem Chatbots wie ChatGPT öffentlich zugänglich sind, beschäftigen sich immer mehr Menschen mit ihnen. Ein lebendiges Ökosystem an Anbietern macht die Nutzung von KI in verschiedensten Lebensbereichen möglich. Wie sehr ist Österreich auf diesen Zug aufgesprungen? Wir haben dazu mit zwei Experten aus der Branche gesprochen: Carina Zehetmaier, Präsidentin des Vereins "Women in AI Austria" und Clemens Wasner, Gründer des KI-Unternehmens Enlite AI. Sie waren auch bei der Verleihung des futurezone Awards zu Gast.
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Wie gut ist Österreich bei KI im Allgemeinen unterwegs?
Carina Zehetmaier: Grundsätzlich tut sich schon sehr viel. Gerade große Unternehmen sind KI gegenüber sehr aufgeschlossen. Es hat sich ein ganzes Ökosystem von Vereinen gebildet. Es gibt auch tolle KI-Forscherinnen und Forscher in Österreich. Sepp Hochreiter von der Uni Linz ist etwa einer der Pioniere der KI-Welt. Aber das Budget bei der Erforschung von Schlüsseltechnologien ist sehr klein. Auch bei Risikokapital gibt es viel Potenzial nach oben.
Clemens Wasner: In Österreich tut sich schon was. In unserer Studie Austrian AI Landscape haben wir letztes Jahr 350 Akteure im KI-Bereich erfasst, in diesem Jahr werden es über 400 sein. Für ein kleines Land ist das relativ viel und wir liegen hier auch über dem EU-Schnitt - sowohl was Gründungen betrifft als auch bei der Female Founder Quote, die letztes Jahr fast 40 Prozent erreicht hat. Es gibt gute Mechanismen, um bei der Wirtschaftsförderung in die Gänge zu kommen. Bei der angewandten Forschung ist Österreich gut aufgestellt. Aber bei der Grundlagenforschung zählt Österreich leider zu den Schlusslichtern. Der Bereich wird von der Politik seit Jahren ignoriert, was sich erst letztes Frühjahr wieder gezeigt hat, als unter 5 Exzellenzclustern trotz eines erstklassigen Antrages kein einziges KI-Thema ausgewählt wurde. Ein Wissenschaftsminister, der selbst im Jahr 2023 noch nicht die Wichtigkeit von KI für den Standort erkannt hat, ist eine klare Fehlbesetzung und in jedem anderen Land rücktrittsreif.
Sie beide haben KI-Start-ups gegründet. Wie gut fühlen Sie sich damit in Österreich aufgehoben?
Zehetmaier: Ich gründe gerade mit einer Kollegin ein Start-up namens Paiper, mit dem wir den Compliance-Prozess rund um KI-Projekte möglichst einfach machen wollen. Ich fühle mich in Österreich ganz gut aufgehoben. Es gibt gute Förderungen, allerdings mit kleineren Beträgen. Ich habe auch Erfahrungen in Deutschland gemacht. Da merkt man bei der Denkweise einen Riesenunterschied. In Österreich denkt man kleiner. Das spiegelt sich in den Bewertungen der Start-ups und den Summen, die sie als Risikokapital erhalten, wider. Deutsche Start-ups haben bei der Selbstbewertung ein ganz anderes Selbstbewusstsein.
Wasner: Wenn dein Unternehmen forschungsnahe arbeitet, hast du bei Förderungen kein Problem. Das trifft auf rund 5 Prozent aller KI-Start-ups zu. Wenn du das nicht erfüllst, bist du auf private Finanzierung angewiesen, wo sich der Zugang oft als schwierig herausstellt. Ich habe sehr lange in Japan gelebt, das lange Zeit als KI-Nachzügler bei Firmengründungen galt. Vor 2 Jahren hat es eine große Reform gegeben, die Pensionsfonds dazu verpflichtet hat, einen gewissen Prozentsatz in Risikokapital zu investieren. Seitdem gilt Japan als Musterland und man sieht, dass es möglich ist, die Situation im Bereich der privaten Finanzierung in sehr kurzer Zeit zu verbessern. Etwas ähnliches würde ich mir auch für Österreich wünschen.
Gibt es eigentlich viele KI-Start-ups, die auch wieder pleitegehen?
Wasner: Wir erfassen die Aktivität von KI-Start-ups seit 2017 und hatten in der Zeit weniger als 10 Pleiten bzw. Insolvenzen beobachtet. Das liegt zum Teil daran, dass sich viele Unternehmen bereits früh auf eine bestimmte Branche spezialisieren. Wenn sich die Software-as-a-Service (SaaS) Lösung nicht ausreichend gut verkauft, können sie oft einfach zum Dienstleister werden, wo auf Gewerk oder Stundenbasis abgerechnet wird. Enlite AI ist den umgekehrten Weg gegangen, wir sind als Dienstleister gestartet, haben aber erst kürzlich Risikokapital Investment erhalten und bieten ausschließlich SaaS-Lösungen im Energie- und Geodatenbereich an.
Ein oft gehörter Kritikpunkt an KIs sind einprogrammierte Vorurteile. Wie wichtig ist es, dass Frauen bei KI-Projekten mitwirken?
Zehetmaier: Ich würde sagen, es ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Technologie uns allen gerecht wird. Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus, die müssen aktiv mitgedacht werden und aktiv mitgestalten, aber auch andere Gruppen. Je mehr Diversität, desto besser. Vorurteile können ganz unbewusst in Systeme hineinschlüpfen, weil Trainingsdaten durch ein gesellschaftliches Wertesystem geprägt sind. Da müssen wir aktiv gegensteuern.
An wen können heimische KI-Entwickler sich wenden, wenn sie hier Unterstützung benötigen?
Zehetmaier: Man kann sich an unseren Verein Women in AI wenden. Einige Mitglieder unserer Community bieten auch eigene Consulting-Dienstleistungen an oder veranstalten Workshops.
Europa und Österreich legen ja viel Wert auf die Kontrolle von KI. In Österreich soll noch heuer eine KI-Servicestelle entstehen. Ist das für KI-Unternehmen ein positiver Schritt?
Wasner: Ich halte es für einen notwendigen Schritt, aber in Europa wurde bisher viel Zeit für die Regulierung von KI verwendet, nur um letztendlich doch von den USA und China überholt zu werden. Geopolitische und strategische Aspekte von KI hat man dagegen außer Acht gelassen. Unterstützungsmechanismen, um Unternehmen dabei zu helfen, auf KI-Systeme umzurüsten, fehlen. Das ist fatal für den Wirtschaftsstandort und ein weiterer Schritt in Richtung digitales Schwellengebiet.
Steigern Regeln nicht auch das Vertrauen in KI und die Akzeptanz in der Bevölkerung?
Wasner: Das tun sie auf jeden Fall, weshalb ich den AI Act auch als eine gute Sache sehe. Wir sollten uns dabei aber vor Augen halten, dass die Sicherheit hier nicht auf Seite der Endkund*innen entsteht, denen die zugrundeliegende Technologie in den letzten 40 Jahren auch egal war, sondern für die Unternehmen, welche KI Lösungen einsetzen. Gerade für sie ist es wichtig, Rechtssicherheit zu haben. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist meiner Meinung nach bereits extrem hoch. ChatGPT oder andere KI-Lösungen werden millionenfach genutzt, da gibt es kaum Berührungsängste. Das erinnert sehr stark an die Datenschutzdebatte aus den 2010er-Jahren, die zu einem Zeitpunkt geführt wurde, als es in Europa bereits mehr als 150 Millionen Facebook-Nutzer*innen gab.
Zehetmaier: Ich glaube schon, dass die Verbreitung von KI ein Transformationsprozess ist, der auch bei vielen Menschen Besorgnis und Angst auslöst und dementsprechend kompetente Begleitung bedarf. Um Akzeptanz in der ganzen Bevölkerung aufzubauen, braucht es Aufklärungs- und Weiterbildungsaktivitäten. Auch in Unternehmen ist es wichtig, dass sich nicht nur die Führungsebene mit KI beschäftigt, sondern alle auf die KI-Reise mitgenommen werden. Es ist wichtig, die Fähigkeit zu erlangen, kritisch zu hinterfragen, wie Entscheidungen von Maschinen getroffen werden und wie sich diese auf uns Menschen bewusst und unterbewusst auswirken können. Algorithmen müssen nachvollziehbar handeln. Manchmal geht das nicht, KI ist oft eine Black Box, in die man nicht hineinblicken kann. Deswegen ist Transparenz drumherum sehr wichtig.