Phytomining: Wie man mit Pflanzen Metalle aus dem Boden schürft
Im malerischen, gebirgigen Norden Albaniens gibt es leuchtend gelbe Felder. Auf den ersten Blick erinnern sie an Rapsplantagen, bei genauerem Hinschauen erkennt man dort aber krautige, buschige Pflanzen, die man von anderen Feldern sonst nicht kennt – das Mauersteinkraut. Das Kraut zieht das Metall Nickel aus dem Boden. Nach dem Ernten und Trocknen wird die Pflanze verbrannt und aus der Asche dann das Nickel extrahiert.
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Der Bedarf an Nickel soll sich bis 2040 verdoppeln. Das Material macht Stahl biegsam, und ist zudem ein wichtiger Bestandteil von E-Auto-Akkus. Allerdings kommt immer mehr davon aus Indonesien. Dort wird für den Abbau Regenwald abgeholzt und die Umwelt durch die eingesetzten Chemikalien vergiftet. Dazu kommt ein immenser Energiebedarf für die Nickel-Fabriken. Das wirft einerseits ein schlechtes Licht auf E-Autos. Außerdem versucht China bereits, sich die indonesischen Nickel-Vorkommen unter den Nagel zu reißen.
Zerkleinertes Gestein macht CO2 unschädlich
Die Felder in Albanien gehören dem US-Start-up Metalplant, das dort ideale Bedingungen für den Anbau vorfindet. Einer der Firmengründer ist der Amerikaner Eric Matzner. Er bezeichnet sich selbst als „Klimakrieger“ und ist über Umwege auf die Nickel-Pflanzen gestoßen. Seit vielen Jahren überlegt er, wie man CO2 aus der Atmosphäre entfernen könnte. Er befasste sich intensiv mit einem Verfahren, bei dem zerkleinertes Gestein auf Feldern verteilt wird, um durch Verwitterung an sich zu binden.
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Zu viel Nickel belastet Umwelt
Wenn Silikatgestein natürlich verwittert, entzieht es der Atmosphäre nämlich CO2 und verwandelt es in Bikarbonat. Das Treibhausgas wird so unschädlich gemacht. In Albanien gibt es sehr viel Olivin-Gestein, das sich für die Methode sehr gut eignet. „Eine Tonne des Gesteins kann eine Tonne CO2 entfernen. Aber leider enthält es auch Nickel“, erklärt Matzner der futurezone. In hohen Mengen würde das Metall der Umwelt schaden.
„Bringt man es beispielsweise in größeren Mengen auf einem Maisfeld aus, schadet es dem Pflanzenwachstum und könnte in die Nahrungskette gelangen“, sagt Matzner. Deshalb konnte bislang niemand das vielversprechende Olivin für CO2-Entfernung verwenden. Aber dann stießen Matzner und sein Team auf die besonderen Fähigkeiten des Mauersteinkrauts, das Nickel abbaut.
Österreichisches Phytomining im Burgenland
„Man weiß nicht genau, was der ökologische Vorteil für diese Pflanzen ist. Möglicherweise ist das ein Abwehrmechanismus gegen Krankheitserreger“, erklärt der österreichische Bodenforscher Markus Puschenreiter von der Universität für Bodenkultur in Wien. Er selbst führte im Burgenland Phytomining-Versuche mit dem Balkan-Kraut durch.
Auch dort hat das Verfahren funktioniert: „Wir hatten am Ende ähnliche Metallertragsmengen wie in Albanien. 130 Kilo Nickel pro Hektar konnten wir beim erfolgreichsten Versuch ernten“, sagt Puschenreiter. Allerdings war der Aufwand groß. Vor dem Aussetzen am Feld mussten sie das Kraut etwa in einem Glashaus anzüchten. Puschenreiter bezweifelt daher, ob sich das bei uns wirtschaftlich rentieren würde. Die österreichischen Forschungsergebnisse haben Metalplant aber geholfen, sagt Matzner.
Fakten
Bergbau-Pflanzen
Vor ca. 150 Jahren wurden sie erstmals als „Zeigerpflanzen“ zum Finden von erzreichen Böden verwendet. Die meisten bekannten Arten reichern sich mit Nickel an. Auch für andere Metalle gibt es Spezialisten – allerdings viel weniger.
Beschleunigte Verwitterung (Enhanced Rock Weathering) ist eine Methode zur CO2-Entfernung, bei der Mineralien durch Regen verwittern und so an sich binden.
300 Tonnen
Olivin-Gestein im Norden Albaniens enthalten eine Tonne Nickel. Das Gestein wird zu Schotter zerkleinert, um an das wertvolle Metall zu kommen.
Große Nachfrage nach Blumen-Nickel
Metalplant fällt der Anbau des Mauersteinkrauts in Albanien leicht, weil es im natürlichen Lebensraum besser wächst. Auch in den Nachbarländern gibt es geeignete Flächen.
Die Firma verkauft allerdings nicht nur Nickel, auch das eingesparte CO2 ist ein handelbares Gut: Unternehmen, die zu viel von dem Treibhausgas ausstoßen, können Zertifikate bei ihr kaufen, die ihre Emissionen wieder ausgleichen. Ihr Nickel sei wiederum billiger als andere Produkte, da die Herstellung weniger Energie verbrauche. Matzner spricht von einer großen Nachfrage. Wegen der begrenzten Flächen können sie derzeit jedoch nur für eine Nische produzieren.
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Wie Lavendelfelder in Südfrankreich
Außerdem schaffe man Arbeitsplätze in einem Land mit wirtschaftlicher Not: „Wir möchten den Norden Albaniens zu dem machen, was Südfrankreich mit den Lavendelfeldern ist. Durch die Felder soll es auch für Touristen attraktiver werden“, sagt er.
Laut Puschenreiter müsse man aber noch viel mehr zu Phytomining forschen, denn neben dem Mauersteinkraut hätten auch andere Pflanzen Potenzial – auch für andere Metalle. „Bei Nickel ist das Potenzial sicher am größten, aber es gibt noch wahnsinnig viel Forschungsbedarf“, sagt der Bodenökologe.