Warum eine Hitzewelle die Corona-Situation verschlimmert
Die im Frühjahr geäußerte Hoffnung, der Sommer und hohe Temperaturen könnten die Ausbreitung des Coronavirus zum Erliegen bringen, hat sich bisher nicht erfüllt. Die Datenlage ist zwar noch dünn, aber explodierende Zahlen in Indien, Afrika und jetzt auch wieder in den USA deuten auf keinen nachhaltigen Effekt hin. Auch eine Untersuchung des Ausbruchs auf der Südhalbkugel, wo die Pandemie während der dortigen Sommermonate stattfand, kam zu einem ernüchternden Ergebnis.
Hitzewelle verschärft Problematik
Angesichts dieser Erkenntnisse steigt nun die Befürchtung, dass eine tatsächliche Hitzewelle die Corona-Situation im Sommer sogar verschärfen könnte. Bereits im Mai warnten die Vereinten Nationen, dass die zu erwartenden Rekordtemperaturen in vielen Teilen der Nordhalbkugel das Gesundheitsrisiko stark erhöhen und die gesamte Corona-Problematik zusätzlich verschärfen könnten. Der Hintergrund: Hitze schwächt ausgerechnet die Personen, die ohnehin schon hinsichtlich einer schweren Corona-Erkrankung am meisten gefährdet sind.
„Die Sorge ist berechtigt. Sollte es tatsächlich zu einer Hitzewelle kommen, wird das mehr oder minder die gleichen Risikogruppen treffen“, sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien zur futurezone. „Hitze ist eine enorme Belastung für das Herz-Kreislauf-System und den gesamten Organismus. Wenn das Immunsystem dadurch geschwächt ist, ist man natürlich auch deutlich anfälliger, was eine Infektionskrankheit wie COVID-19 betrifft“, sagt Hutter.
Besonders gefährdet von der Kombination hohe Temperaturen und COVID-19 seien Personen, denen die Hitze zwar stark zusetze, die aber dennoch zum Einkaufen oder für andere Tätigkeiten aus dem Haus gehen und unter Menschenmassen mischen. Aber auch beim Kontakt mit Angehörigen oder betreuenden Personen müssten Risikogruppen in der heißen Zeit besonders vorsichtig sein, ist Hutter überzeugt.
Über 1.000 Tote in Hitzesommer
Dass die Hitzewellen der vergangenen Jahre auch ohne Corona ein ernsthaftes Problem sind, ist durch die Sterblichkeitsstatistik längst belegt. Im Hitzesommer 2015 etwa forderten die hohen Temperaturen alleine in Österreich über 1.100 Tote. Aber auch in den vergangenen Sommern waren wiederholt mehrere Hundert Hitzetote zu beklagen, wie eine Berechnung der Gesundheitsagentur AGES ergab.
Der durchwachsene Spätfrühling und Frühsommer mit geringeren Temperaturen könnte sich zumindest in Österreich und Mitteleuropa noch als Segen erweisen, was die Corona-Problematik betrifft. „In dieser Hinsicht war das bisher ein günstiges Jahr. Kritisch wäre allerdings, wenn jetzt plötzlich von 0 auf 100 eine große Hitzewelle daherkommt, da wir uns bisher wenig akklimatisieren und an die hohen Temperaturen gewöhnen konnten“, sagt Hutter.
Hohe Temperaturen und UV-Licht
Ob das neue Coronavirus ähnlich wie Influenza und andere Viren künftig eher saisonal bedingte Erkrankungswellen verursachen wird, die im Winter stärker als im Sommer ausfallen, bleibt weiterhin unklar. Als relativ gesichert gilt, dass die Ansteckung im Freien deutlich unwahrscheinlicher als in geschlossenen Räumen ist. Das ist und bleibt das größte Argument, warum die Corona-Problematik im Sommer eine Spur leichter in den Griff zu bekommen ist, als in den Wintermonaten, wo sich die meisten Menschen in Räumen aufhalten.
Darüber hinaus gibt es einige Hinweise, dass das Coronavirus bei hohen Temperaturen auf Oberflächen weniger lange überlebt. Die Übertragung über Schmierinfektion zählte allerdings auch bisher nicht zu den ausschlaggebenden Faktoren, was die Verbreitung angeht. Andere Untersuchungen gehen davon aus, dass UV-Licht das Virus zerstören kann. Forschern zufolge ist es aber auch diesbezüglich zu früh, um endgültige Schlüsse zu ziehen.
Selbst bei Influenza noch offene Fragen
Erschwerend beim Vergleich zu anderen saisonal aktiven Viren ist, dass selbst bei Influenza die Hintergründe nicht restlos geklärt sind, warum die Welle über die wärmeren Monate stets abebbt. „Natürlich gibt es einige Hypothesen und auch Untersuchungen, die besagen, dass Grippeviren bei kühleren Temperaturen bessere Überlebenschancen haben. Und dass das Übertragungsrisiko zunimmt, wenn sich viele Leute in geschlossenen Räumen aufhalten und die Schleimhäute durch die trockene Heizungsluft anfälliger sind. Genau wissen tun wir es aber immer noch nicht“, erklärt Mediziner Hutter.