Reißen Raketen ein neues Loch in die Ozonschicht?
Startende Weltraumraketen verbrennen auf ihrem Weg in den Erdorbit eine Unmenge an Treibstoff. Innerhalb weniger Minuten werden so viele Emissionen freigesetzt, wie bei einem mehrstündigen Transatlantikflug. Die Abgase wirken sich in jenen Luftschichten, die eine Rakete durchquert, allerdings anders aus als weiter unten. In der Stratosphäre (15 bis 50 km Höhe) ist besonders die Ozonschicht bedroht, warnen Wissenschaftler*innen. Doch wie gefährlich können Raketen der Ozonschicht werden?
Internationaler Erfolg gefährdet
Die Ozonschicht schützt die Erdoberfläche vor schädlichem UV-Licht von der Sonne. Menschgemachte Abgase haben die Konzentration des Gases Ozon im 20. Jahrhundert so sehr ausgedünnt, dass über der Antarktis jedes Jahr das sogenannte Ozonloch entstand. Das Problem wurde erkannt und der Ausstoß von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) weltweit reduziert. Das Montreal-Protokoll von 1987 führte tatsächlich dazu, dass sich die Ozonschicht erholt. Dieser Erfolg wird nun durch Weltraumraketen gefährdet, besagt eine Studie der University of Canterbury in Neuseeland.
"Derzeit ist der Einfluss von Raketenstarts auf die Ozonschicht noch gering, aber er hat das Potenzial zu wachsen, nachdem Unternehmen und Staaten ihre Raumfahrtprogramme erweitern", sagt die Umweltphysikerin und Studienautorin Laura Revell. Die Anzahl der Raketenstarts hat sich in den vergangenen 10 Jahren mehr als verdreifacht. Allein das Raumfahrtunternehmen SpaceX führte seit seiner Gründung im Jahr 2008 mehr als 240 Starts durch. Prognosen deuten auf einen weiteren Anstieg in den kommenden Jahren hin.
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Aluminiumoxid, Chlor, Stickoxide, Ruß
Was genau eine Rakete bei ihrem Flug ausstößt, variiert je nach Raketentyp stark. Eines der Abgase ist das altbekannte Kohlendioxid. Beim Verbrennen von Raketentreibstoffen wird es in großer Menge produziert. Angesichts der ohnehin schon hohen CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist die Menge, die durch Raketen hinzukommt, aber quasi auch schon egal. Problematisch für die Ozonschicht sind vor allem Stoffe wie Aluminiumoxid, Chlor, Stickoxide. Sie setzen chemische Reaktionen in Gang, die zum Ozonabbau beitragen.
Ein anderes Problem ist Ruß. Winzige Kohlenstoffteilchen werden als Verbrennungsrückstand in einer Höhe ausgestoßen, wo sie die Menschheit ansonsten nicht hinbringt. In der Stratosphäre verbleiben Rußpartikel wesentlich länger als in tieferen Schichten. Sie absorbieren Sonnenlicht und heizen die Stratosphäre auf. Dadurch können Zirkulationsmuster gestört werden, zum Beispiel werden Jetstream-Winde verlangsamt. Das hat auch eine Auswirkung auf die Ozonkonzentration.
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Enthusiasmus überdeckt Problematik
Von einem Anstieg der Emissionen durch die Raumfahrt wäre vor allem die Nordhalbkugel der Erde betroffen, fanden Forscher*innen der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) heraus. "Die erwarteten Anstiege bei Raketenstarts könnten Menschen auf der Nordhalbkugel mehr schädlicher UV-Strahlung aussetzen", sagt Christopher Maloney von der NOAA.
Früher dachte man, dass vor allem Feststoffraketen, wie sie etwa bei Starts des Space Shuttle eingesetzt wurden, einen negativen Einfluss auf die Ozonschicht hätten. Flüssigtreibstoffe galten als harmlos. Sind sie aber nicht, wie die Wissenschaftler*innen aufzeigen. Sie sehen die Gefahr, dass die Begeisterung für neue Möglichkeiten, die die Raumfahrt eröffnet, Bedenken zum Einfluss auf die Ozonschicht beiseite schiebt. Die Raumfahrt sei einfach eine "charismatische Technologie", die viel emotionale Investition bewirke (zur Studie).
Mehr Offenheit bei Daten notwendig
Es sei aber notwendig, so schnell wie möglich eine Diskussion darüber anzustoßen, wie man Antriebe nachhaltiger gestalten könnte. Zuallererst benötige man ein besseres Verständnis über die Prozesse, die Raketenabgase in Gang setzen. Dazu sei es notwendig, genaue Angaben und Testergebnisse von Raketenherstellern zu erhalten und Probenentnahmen in den Rauchschwaden am Himmel nach einem Raketenstart durchzuführen. Bisher fehlen Daten dazu.
Bestimmte Antriebsmethoden sollen einen geringeren Umwelteinfluss haben. Blue Origin setzt für seine New Shepard Rakete - die allerdings bisher nur in den Suborbit flog - Wasserstoff und Sauerstoff ein. In der Stratosphäre landet dadurch nur Wasserdampf. Völlig emissionsfrei soll die Methode des Unternehmens SpinLaunch sein. Sie versetzt Satelliten in einer riesigen Zentrifuge in Rotation und schleudert sie dann in den Himmel. Der Orbit wurde damit noch nicht erreicht.
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